Was ist das nur mit der Weihnachtszeit? Es gibt wohl kaum eine Zeit, in der Wunschvorstellung und Realität so weit auseinander klaffen. Jedenfalls geht es mir so. Wenn im Herbst die Adventswochen näher und näher rücken, gerate ich in einen beinahe seligen Zustand. Ich freue mich auf Lichterglanz und Tannenduft, auf mehrere entspannte Spaziergänge über den Weihnachtsmarkt, auf selbst gebackene Kekse und endlose Nachmittage, die ich damit verbringe, meinem Kind vorzulesen, gemeinsam Weihnachtssterne zu basteln und bei Kerzenschein Tee zu trinken. Meine persönliche Utopie gipfelt schließlich in dem gülden glänzenden Bild meiner Familie, die sich am Heiligabend glücklich um den Weihnachtsbaum schart.
So viel zur Wunschvorstellung. Je entspannter und heimeliger ich mir die Weihnachtszeit ausmale, desto kälter und stressiger fällt sie dann tatsächlich aus. Denn, was ich in meiner Fantasie jedes Jahr wieder ausblende, ist die Jagd nach den Geschenken für die Familie. Und so spielen sich meine Adventswochen hauptsächlich in zugigen Einkaufstraßen, grell erleuchteten und stickigen Geschäften und für einen gehetzten Abstecher im Stechschritt auf dem überfüllten Weihnachtsmarkt ab. Nie wieder! Nächstes Jahr mache ich das ganz anders, denke ich mir dann. Kommt das vielleicht irgendjemandem bekannt vor?
Inzwischen ist mein Kind so alt, dass es die Weihnachtszeit bewusst wahr nimmt. Und wenn ich es schon nicht für mich selbst schaffe, so wünsche ich doch diesem kleinen Menschen, dass die Adventswochen eine Zeit der Ruhe, des Zusammenseins und des Zaubers sind. Und tatsächlich: In diesem Jahr ist alles anders. Denn da die Jagd nach den Geschenken in meiner Fantasie sowieso nicht existierte, spare ich sie mir in diesem Jahr auch in der Realität.
Freude zaubern ohne einzukaufen
Natürlich möchte ich meinem Kind und meiner Familie trotzdem zu Weihnachten eine Freude bereiten. Für mich gehört es dazu, meinen Lieblingsmenschen am Heiligabend ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Aber ich weigere mich, dafür einkaufen zu gehen. Statt also irgendwelche Dinge zu besorgen, einzupacken und dabei auch noch Unmengen an Müll zu produzieren, habe ich mich entschieden, in diesem Jahr einfach meine Zeit zu verschenken.
Natürlich spielt da eine gesunde Portion Egoismus eine nicht unbedeutende Rolle. Schließlich kommt im Alltag die gemeinsame Zeit mit der Familie immer viel zu kurz. Also mache ich mir sogar selbst ein Geschenk, wenn ich meinen Lieben schöne, gemeinsame Erlebnisse beschere. Und ich weiß genau, dass ich meine Mutter mit einem Mama-Tochter-Wochenend-Wellness-Trip überglücklich machen werde.
Natürlich muss aber Zeit nicht immer so teuer sein. Mein Bruder bekommt ein Whiskytasting in seinem eigenen Wohnzimmer mit seinen besten Freunden – und seiner Schwester. Dafür lege ich einfach mit unserer Mutter zusammen. Mit meiner Schwägerin verbringe ich einen Tag in der Sauna. Und mit meiner Stiefmutter werde ich den Kletterwald in der Nähe erkunden. Nur bei meiner Tante und meinem Onkel halte ich mich vornehm raus: Die beiden haben aus beruflichen Gründen wenig gemeinsame Zeit, deshalb bekommen sie Eintrittskarten für einen schönen Theaterabend zu zweit.
Schwieriger wird es einzig bei den Kindern. Vor allem die kleineren können mit Eintrittskarten und Gutscheinen wenig anfangen. Und das Auspacken eines Geschenkes oder das feierliche Aufziehen einer Schleife gehört zum Zauber der Bescherung ja auch irgendwie dazu. Also muss ich hier ein wenig tricksen. Mein Kind bekommt sein erstes richtiges Fahrrad – allerdings ein gebrauchtes, das ich in den Kleinanzeigen gefunden habe. Auch damit ist gemeinsame Zeit verbunden: zunächst auf den ersten wackeligen Metern vorm Haus, dann auf immer größeren Ausflügen.
Mein großer Neffe bekommt einen größeren, ebenfalls gebrauchten Basketball fürs Training – und gemeinsame Spiele am Korb daheim. Und der kleine Neffe wird mit einem Bücherpaket beschenkt, das ich auf dem letzten Flohmarkt erstanden habe und das ich ihm höchstwahrscheinlich direkt unterm Weihnachtsbaum komplett vorlesen soll.
Natürlich müssen auch all die Gutscheine gebastelt, die Reise gebucht, die Eintrittskarten gekauft und die Geschenke für die Kinder besorgt werden. Aber das stresst mich in diesem Jahr kein bisschen. Die Geschenke für die Kinder habe ich bereits im Oktober organisiert, schließlich weiß man bei Gebrauchtem nicht, wann man das Passende findet. Und um den Rest kümmere ich mich abends ganz in Ruhe bei Kerzenschein und einem Becher Tee, wenn mein Kind schläft und von Nachmittagen träumt, an denen wir gebastelt, Kekse gebacken und gelesen haben und endlich ganz entspannt über den Weihnachtsmarkt geschlendert sind.
Nachhaltig schenken
Wer keine Ideen oder keine Zeit zu verschenken hat, kann auch auf andere Weise nachhaltig schenken. Statt Neues zu kaufen, kann man erst einmal nach etwas Gebrauchtem Ausschau halten. Alles Erdenkliche lässt sich in sehr gutem Zustand finden. Wozu neue Ressourcen verschwenden, wenn es schon alles gibt? Man kann aber auch etwas Schönes selbst machen – zum Beispiel Pralinen, Crèmes oder Seifen.
Wer dafür auch keine Zeit hat oder aufbringen möchte, kann schauen, wo man schöne Dinge unverpackt einkaufen kann. Das geht zum Beispiel auf dem Weihnachtsmarkt oder in Confiserien. Was schenkt man jemandem, der schon alles hat und der sich nichts wünscht? Man könnte in seinem Namen etwas Gutes tun und für ein soziales oder nachhaltiges Projekt spenden.