Für den zielstrebigen und hochtalentierten Boxer Canel Günal vom JC Bushido Delmenhorst ist im vergangenen Monat ein Traum in Erfüllung gegangen. Durch starke Leistungen bei den Ruhr Games in Bochum löste der 15-Jährige das Ticket für die bevorstehenden U17-Europameisterschaften im georgischen Tiflis. "Dass ich das geschafft habe, war natürlich überraschend. Ich werde mich in den nächsten Tagen komplett darauf konzentrieren und mehr als je zuvor trainieren", blickt der Faustkämpfer voraus.
Viel Zeit hat er nicht mehr. Schon am kommenden Donnerstag, 1. Juli, beginnen die angesprochenen Europameisterschaften. Trainer Leonid Jankilevich – der Günal bereits seit sieben Jahren betreut und stetig weiterentwickelt hat – hatte in den vergangenen Tagen also alle Hände voll zu tun, um seinen Schützling optimal auf das bisher größte Highlight seiner Karriere vorzubereiten. Nach Tiflis mitreisen wird Jankilevich nicht. Günal kann vor Ort nur vom Deutschen Jugend-Nationaltrainer Andreas Schultze betreut werden. Grund sind die sehr strengen Coronabestimmungen in Georgien. "Die Kämpfe werden draußen unter einem Dach stattfinden. Zuschauer sind nicht erlaubt. Außerdem müssen die Betreuer Masken und Handschuhe tragen", erklärt Jankilevich und ergänzt: "Für mich ist das aber kein Problem, denn Canel versteht sich sehr gut mit Andreas."
Schwierige Trainingsbedingungen
Bereits am kommenden Donnerstag fliegt Günal mit der Deutschen Delegation nach Tiflis. Der Weg zu den Europameisterschaften war für den 15-Jährigen vor allem während der Corona-Pandemie ein sehr steiniger. Günal trainierte zumeist alleine von zu Hause aus oder ging joggen. Der schüchterne junge Mann zeigte dabei aber offensichtlich eine eiserne Disziplin, denn er macht einen sehr austrainierten Eindruck.
Erst seit eineinhalb Monaten darf der 15-Jährige wieder in den Ring steigen. Doch auch dort boxt er regelmäßig alleine. Gegner bekommt er wegen Corona nicht vor die Fäuste. "Dieses individuelle Training ist für Boxer überhaupt nicht gut. Vor der Pandemie hat Canel fünf Mal in der Woche mit einer großen Gruppe trainiert", erklärt sein Coach, der zudem beklagt, dass die Kämpfer aus dem Olympischen Stützpunkt nicht von diesen strengen Regeln betroffen gewesen sind. "Sie durften weiterhin in Gruppen trainieren. Und gegen diese Boxer wird Canel in Tiflis kämpfen", befürchtet Jankilevich schwierige Kämpfe für seinen Schützling.
Unterschätzen sollte man Günal jedoch keineswegs. Denn der Delmenhorster begeistert mit vielen andere Stärken, um bei der U17-EM für Furore zu sorgen. "Er besitzt eine sehr gute Technik und hat taktisch einiges zu bieten. Zum Beispiel kann er sich optimal auf die Gegner einstellen und seine Strategie während der Kämpfe verändern, wenn es sein muss. Zudem hat er viel Lust zu boxen und einen kämpferischen Charakter", betont Jankilevich.
Günal zeigt sich im Bezug auf seine eigenen Waffen gewohnt zurückhaltend. "Meine größte Stärke ist, dass ich eigentlich immer ruhig bleibe." Der Rechtsausleger wird in seiner Klasse – im Weltergewicht bis 63 Kilogramm – als einziger deutscher Vertreter an den Start gehen. Ohnehin wird in den verschiedensten Gewichtsklassen nur ein Kämpfer pro Land zugelassen. Auf welche Gegner er in Tiflis treffen wird, weiß der Delmenhorster noch nicht. Nun geht es für ihn aber erst einmal für fünf Tage auf einen Lehrgang nach Frankfurt an der Oder. Dort soll Günal von Trainer Schultze den letzten Feinschliff für die EM bekommen.
Am Anfang seiner Karriere
Zwar sind die Europameisterschaften das bislang größte Erlebnis für den Schüler von der Oberschule Süd, doch das soll noch längst nicht das Ende der Fahnenstange sein. Der Delmenhorster hat noch viel vor. "Mein Ziel ist natürlich, irgendwann Profi zu werden", sagt er ehrgeizig. Disziplin, Technik und Taktik hat er in den vergangenen Jahren bei Jankilevich gelernt. Zudem besitzt er das nötige Stehvermögen. "Das einzige, was ich mal an Schmerz verspürt habe, war vielleicht ein Muskelkater", lacht Günal, der im Anschluss an das Gespräch gemeinsam mit seinem Heim-Trainer zum vorletzten Training in der Heimat schreitet. Dieses absolviert er wie immer in der Halle am Max-Planck-Gymnasium. Heute stehen Übungen für die Geschwindigkeit auf dem Programm. Das umfangreiche Aufwärmprogramm zieht Günal kommentarlos und zielstrebig durch. Anschließend steigt er in den Ring, heute ausnahmsweise nicht allein. Nach ewiglanger Auszeit darf er wieder gegen einen Mannschaftskollegen boxen. Für den Delmenhorster sind es noch einmal wichtige Trainingsinhalte so kurz vor der EM, um die Kämpfe erfolgreich durchzuboxen. Abschließend sagt Günal: "Ich verspüre einfach eine riesengroße Vorfreude."