Der Satz gehört zu den Fußballfloskeln, die am häufigsten bemüht werden: "Für einen Sieg gibt es drei Punkte." Diese Aussage gilt zwar in der laufenden Saison auch in der Bezirksliga Weser-Ems II, allerdings mit Einschränkungen. Die drei Punkte, die eine siegreiche Mannschaft erhält, können im zweiten Teil der Spielzeit nämlich plötzlich verschwunden sein. Hintergrund ist der ungewöhnliche Modus, der mit Blick auf die schwer vorherzusehenden Unwägbarkeiten der Corona-Pandemie und drohende Zwangspausen gewählt wurde.
Die Bezirksliga besteht bekanntlich aus zwei Staffeln mit neun beziehungsweise acht Mannschaften, die in Hin- und Rückspielen gegeneinander antreten. Die vier besten Teams jeder Staffel qualifizieren sich für die Meisterschaftsrunde, der Rest spielt in der Abstiegsrunde. Mannschaften, die bereits in der Qualifikationsrunde gegeneinander gespielt haben, treffen nach der Neueinteilung nicht mehr aufeinander. Stattdessen werden die Ergebnisse aus der Qualifikationsrunde gewertet. "Das ist die fairste Lösung", sagt Frank Schulte, Staffelleiter der Bezirksligen Weser-Ems I und II. "Die Mannschaften nehmen Punkte mit und haben dadurch auch nicht zu viele Spiele."
Eilenberger denkt ans Essen
Die Hinrunde der Qualifiktionsspiele ist nun beendet. Der achtplatzierte SV Atlas Delmenhorst würde nach aktuellem Stand zum Beispiel seine gesamten sechs Punkte mit in die Abstiegsrunde nehmen, weil er die Zähler allesamt gegen Mannschaften sammelte, die auf Platz fünf oder schlechter rangieren. Trainer Ralf Eilenberger beschäftigt sich allerdings noch nicht mit solchen Rechenspielen: "Die Rückrunde liegt vor uns, da kann sich das alles schnell ändern." Was den Modus im Allgemeinen angeht, ist der Ex-Profi hin- und hergerissen. Eilenberger wählt einen interessanten Vergleich: "Das ist wie beim Essen. Wenn man ein ganz neues Gericht probiert, ist man erst einmal etwas skeptisch, aber es ist auch spannend." Besonders die Aufstiegsrunde findet Eilenberger reizvoll, allerdings dürfte diese für seine Mannschaft bei sieben Punkten Rückstand auf Rang vier schwer zu erreichen sein. "Wenn man in der Aufstiegsrunde spielt, hat man den Klassenerhalt sicher. Dann kann man ganz anders arbeiten und vielleicht auch mal jungen Spielern mehr Einsatzzeit geben."
Während der SV Atlas II seine Punkte in der Abstiegsrunde behalten würde, sähe es beim VfL Stenum in der Aufstiegsrunde ganz anders aus. Der Tabellenzweite hat momentan zwar stolze 16 Punkte auf dem Konto, würde davon aber nur drei Zähler für die Aufstiegsrunde gutgeschrieben bekommen. Der Grund: Von den Duellen gegen die Topteams gewannen die Stenumer nur gegen den Spitzenreiter SV Tur Abdin. Gegen den aktuellen Dritten VfL Oldenburg II und den Vierten GVO Oldenburg verloren sie. "Es wäre schade, mit solch einem Rückstand reinzurutschen", sagt Trainer Thomas Baake. "Ohnehin finde ich den Modus nicht so gut. Ich fände es besser, wenn in der Aufstiegs- und Abstiegsrunde noch einmal jeder gegen jeden spielen würde. Dann hätten wir auch mehr Spiele – fast wie in einer normalen Saison."
Bei aller Skepsis habe die Teilnahme an der Meisterschaftsrunde schon ihren Reiz, betont Baake. Man spiele schließlich um den Aufstieg. Der Sieger der Runde bekommt einen Platz in der Landesliga. "Erst mal müssen wir es natürlich schaffen, überhaupt in die Aufstiegsrunde zu kommen", sagt Baake. "Wenn das gelingen sollte, könnte das schon etwas mit einer Mannschaft machen und für einen Motivationsschub sorgen."
Motivation für die Rückrunde
Dem SV Tur Abdin ginge es nach aktuellem Stand in der Aufstiegsrunde genauso wie den Stenumern. Der Spitzenreiter, der momentan 18 Zähler auf dem Konto hat, würde nur drei Punkte mitnehmen. Der VfL Oldenburg II und GVO Oldenburg würden mit jeweils sechs mitgenommenen Zählern an Tur Abdin und Stenum vorbeiziehen, aber das kann sich ja alles noch ändern. "Für uns ist diese Konstellation eine Motivation für die Rückrunde. Da wollen wir auch die Spiele gegen die Mannschaften von oben gewinnen", unterstreicht Stenums Coach Baake.
Der FC Hude würde als Fünfter aktuell gerade so in die Abstiegsrunde rutschen. Dort würde er sieben seiner zwölf Punkte behalten. Der TuS Heidkrug liegt auf Rang sechs und würde alle sieben Zähler mitnehmen. Das Schlusslicht SV Baris würde nach jetzigem Stand nur einen von fünf Punkten behalten. Am Ende der Abstiegsrunde steigen die letzten vier Mannschaften in die Kreisliga ihres Fußballkreises ab.
Wie die meisten sehnt sich Staffelleiter Schulte wieder nach einer normalen Spielzeit ohne Auf- und Abstiegsrunde. Für die Saison 2022/23 sei das auch fest eingeplant. Unter den besonderen Corona-Vorzeichen sei der aktuelle Modus aber eine gute Lösung, findet er. "In einer normalen Saison lassen es Mannschaften, die im Tabellenmittelfeld stehen, in den letzten Spielen auch oft etwas ruhiger angehen. Jetzt ist dagegen jeder Sieg wichtig, weil man die Punkte eventuell mitnimmt. Und auch in der Aufstiegsrunde, wo dann alle Teams den Klassenerhalt sicher haben, will sicherlich keiner einfach so Letzter werden."
Für die zweite oder dritte Januar-Woche lädt Schulte alle Bezirksligisten zu einem Treffen ein. Dann soll eine Zwischenbilanz gezogen und über das weitere Vorgehen gesprochen werden. Wenn alles weiter so nach Plan laufe wie bisher, sehe er kein Problem darin, den Modus wie geplant durchzuziehen. "Bis Ostern müssen wir die Qualifikationsrunde beendet haben", blickt der Staffelleiter voraus. "Dann kriegen wir keine Zeitprobleme."