Herr Libchen, die HSG ist Ihre erste Trainerstation im Herrenbereich. Wie haben Sie die ersten Monate erlebt?
Thies Libchen: Die waren schon turbulent. Das liegt auch daran, dass sich der Verein neu aufgestellt hat. Dadurch gibt es weniger Automatismen und es ist noch nicht alles so eingespielt wie in den vergangenen Jahren, auch bei den ersten Herren nicht. Es sind einige Leistungsträger gegangen, junge Leute kommen nach. Aber man sieht natürlich erstmal den Leistungsunterschied. Kurz gesagt: Das Projekt ist ein Pfund. Wir sind aber insgesamt gut aufgestellt.
Und wie fällt Ihre sportliche Bewertung bislang aus?
Wir wussten, dass ein guter Saisonstart wichtig ist und haben uns das anders vorgestellt. Wir haben kaum Siege hinbekommen und stehen nicht da, wo wir stehen wollten. Wir stehen in der Tabelle schlecht dar. Da fehlen uns Punkte, die wir gegen Beckdorf und Oyten nicht geholt haben. Wir haben uns da unter Wert geschlagen, letztlich fehlen die Ergebnisse bisher. Die Entwicklung stimmt mich aber positiv. Man sieht, gerade bei den jungen Leuten, dass die besser werden. Aber wir brauchen Punkte.
Welche Gründe gibt es für die vielen Niederlagen?
Wir haben weniger erfahrene Spieler im Kader und entsprechend weniger tragende Säulen als in den letzten Jahren. Mit Tim Coors ist ein wichtiger Spieler in den meisten Spielen bisher verletzungsbedingt ausgefallen. Fino Oetken fehlte öfter krank, Jörn Janßen ist noch nicht wieder komplett fit. Das wären die Zugpferde, die vorangehen müssten. Sie sollen die jungen Spieler führen, aber fehlen selbst oft. Auch sonst hatten wir viele Verletzungen und coronabedingte Ausfälle. Niklas Schanthöfer war als Abwehrchef eingeplant, konnte bislang kaum spielen. Dominik Ludwig ist verletzt, Kevin Larisch auch. Jonte Windels fällt schon länger aus und auch Etienne Steffens ist verletzt. So ist es schwer, im Training Automatismen einzustudieren. Wir können auch fast nie die gleiche Sieben bringen, weil immer eine Verletzung oder Krankheit dazukommt. Es ist ein Kommen und Gehen. Dadurch fehlen öfter mal Timing und Abstimmung. Und ein bisschen fehlt auch das Spielglück bislang. Insgesamt gab es Höhen – wie den Sieg in Varel – und Tiefen. Aber man muss schon sagen, dass die Personallage sehr kompliziert ist. Man bekommt so keine Konstanz rein.
Welche Nachwuchskräfte überzeugen bislang?
Jonas Pfeiffer als Rechtsaußen hat das gut gemacht bisher. Beim Training zuletzt ist er aber selber umgeknickt. Magnus Pröhl haben wir reaktiviert. Er schlägt sich auch gut und dafür, dass Ole Stadtsholte aus der Zweiten kommt, passt die Leistung auch.
Die HSG hatte nun drei spielfreie Wochen. Was ist in der Zeit passiert?
Wir haben ein offenes Gespräch zwischen Trainern und Spielern geführt. Da ging es darum, gemeinsam herauszufinden, was besser werden muss. Wir haben klar angesprochen, dass das Training jetzt intensiver wird und das haben wir in den drei Wochen auch gemacht. Jeder muss da zuerst bei sich selbst gucken und den Finger in die eigene Wunde legen. Ich hinterfrage mich auch nach jedem Training und jedem Spiel und schaue, was ich besser machen kann. Liegen die vielen Ausfälle vielleicht am Training, an der falschen Belastungssteuerung? Aber gegen Corona kann man nichts machen. Oder dass Spieler im Spiel oder auch beim Training anderen auf den Fuß springen und umknicken. Oder dass sich jemand im Spiel die Nase bricht oder im Training einen Finger. Das ist Pech – und das verfolgt uns gerade. Absolut positiv ist die super Stimmung innerhalb der Mannschaft. Teams auf dem vorletzten Platz zerfleischen sich auch schon einmal selbst. Aber das haben wir gar nicht.
Wo ordnen Sie Ihre Leistung als Trainer bislang ein?
Ich würde sagen, dass Kommunikation und mein Draht zur Mannschaft Stärken von mir sind. Und dass ich nicht alles falsch mache, sieht man auch daran, dass die Jungs komplett mitziehen – trotz der schlechten Ergebnisse. Das baut einen auf und motiviert. Ich lerne gerade, ein bisschen ruhiger zu werden. Ich bin ein lauter und emotionaler Mensch, der viel bei Spielen mitgeht. Ich will unbedingt gewinnen und verlange das von meinen Spielern auch. Jemand der 20 Jahre Trainer ist, lächelt über manche Sachen vermutlich einfach und bleibt da ruhiger.
Wie geht es nach der Pause weiter?
Wir haben noch vier Spiele bis zur Winterpause. Zuerst spielen wir gegen den VfL Fredenbeck und den TV Cloppenburg. Fredenbeck ist die aktuell wohl formstärkste Mannschaft der Liga und Cloppenburg wohl die beste. Da brauche ich den Jungs auch nichts anderes erzählen, das wissen die selber. Wir können da befreit aufspielen und haben nichts zu verlieren. Niemand erwartet da Punkte von uns. Was ich erwarte, ist, dass alle alles reinhauen und wir die Großen ärgern. Und dann mal schauen, ob zu Hause vielleicht was geht. Danach beim Spiel in Bremervörde sind wir unter Zugzwang, da müssen wir gewinnen, bevor es am letzten Spieltag des Jahres zu Hause gegen den TvdH noch ein Derby gibt, das wir auch gewinnen wollen.
Das Interview führte Michael Kerzel