Im Moment der großen Enttäuschung kam Key Riebau die rettende Idee, die doch noch alles zum Guten wenden sollte. Der Trainer des SV Atlas saß im Mannschaftsbus, der zurück nach Delmenhorst fuhr, und hatte gerade mit seiner Elf eine ganz bittere 1:3-Niederlage beim HSC Hannover kassiert. Für viele war danach klar: Das Erreichen der Aufstiegsrunde der Fußball-Regionalliga Nord kann abgehakt werden. Irgendwo zwischen Hannover und Delmenhorst fasste Riebau aber den Entschluss, seine Gedanken darauf zu fokussieren, wie die letzte kleine Chance auf die Aufstiegsrunde doch noch genutzt werden kann. Wie kann der nötige Sieg gegen das übermächtig erscheinende U 23-Team von Werder Bremen gelingen? Riebau besprach sich mit seinem Trainerteam und fand eine Antwort, die lediglich aus drei Zahlen besteht: 3-6-1.
Erstmals spielte der SV Atlas am Sonnabend in dieser Grundordnung und fuhr damit einen sensationellen 1:0 (0:0)-Erfolg über Werder ein. „Nachdem wir die Idee gemeinsam im Bus hatten, haben wir das die Woche über trainiert, und die Jungs haben es dann überragend umgesetzt“, schilderte Riebau. Zwei Dinge waren ihm bei der Umstellung wichtig: „Wir mussten Werders starke Stürmer in den Griff bekommen und dem Gegner im Zentrum wenig Platz bieten.“
Lob für die jungen Innenverteidiger
Eine ganz zentrale Rolle spielte in dem neuen Atlas-Konstrukt die Dreierkette, die aus Kristian Taag (22 Jahre), Kerem Sari (18) und dem neu in die Startelf gerückten Philipp Eggert (19) bestand. „Drei so junge Innenverteidiger, und sie haben das einfach grandios gelöst“, schwärmte der Sportliche Leiter Bastian Fuhrken. Werder bot in Justin Njinmah und Tim van de Schepop (jeweils 14 Saisontreffer) die beiden Topstürmer der Liga auf, doch sie kamen nicht ein einziges Mal gefährlich in die Nähe des Atlas-Tores. Njinmah fiel nur mit einem Weitschuss auf (90.), van de Schepop war derart entnervt, dass er sich eine Tätlichkeit gegen Sari erlaubte und die Rote Karte sah (63.).

Kristian Taag (links) gehörte zur Atlas-Dreierkette, die gegen Werder (Luca Plogmann und Tim-Justin Dietrich) brillierte.
Auch wenn der Fokus auf der Abwehr lag, schafften es die Delmenhorster, durch schnelles Umschalten zu Chancen kommen. Vor der Pause scheiterte Marek Janssen zweimal an Werder-Torwart Luca Plogmann (14./33.), und ein Weitschuss von Cerruti Siya strich knapp am Tor vorbei (15.). In der 59. Minute brachte dann ein Konter den 1:0-Siegtreffer: Mattia Trianni passte auf Tom Schmidt, der den Ball aus kurzer Distanz unter die Latte schoss. Taag hätte beinahe noch das 2:0 erzielt, aber Tim-Justin Dietrich rettete kurz vor der Linie (71.).
Platz schwierig zu bespielen
Werders Trainer Konrad Fünfstück bilanzierte: „Der Sieg war etwas glücklich, Atlas hatte wenige Chancen.“ Ein Chancenfeuerwerk bekamen die 900 Zuschauer im Delmenhorster Stadion in der Tat nicht zu sehen. Allerdings erspielten sich die Bremer nicht eine große Torgelegenheit, während die Gastgeber zumindest hin und wieder für Gefahr sorgten. Der SVA hatte schon vor der Partie darauf gesetzt, dass der tiefe Rasen dem spielerisch starken Gegner Probleme bereiten würde. Das bestätigte Fünfstück nach dem Abpfiff: „Der Boden war sehr schwierig zu bespielen.“ Es wurde genau das Kampfspiel, auf das die Delmenhorster gehofft hatten. „Sie wollten über die Emotionen kommen, und das ist ihnen gelungen“, sagte Fünfstück.
Vor dem Anpfiff hatte Bastian Fuhrken in einer kurzen Motivationsrede noch einmal darauf hingewiesen, dass er sein Messer aus der Schublade geholt und zwischen die Zähne gesteckt habe. Die Spieler verstanden den Hinweis. Anders als in Hannover warfen sie sich dieses Mal mit Inbrunst in jeden Zweikampf, handelten sich aber trotzdem nur drei Gelbe Karten ein, eine davon wegen Zeitspiels. „Die Emotionalität war da. Jeder hat dem anderen geholfen. Die Jungs haben einen unglaublichen Teamgeist entwickelt“, lobte Riebau. Dazu kam die lautstarke Anfeuerung der Atlas-Fans, die die Mannschaft insbesondere in den zittrigen Schlussminuten ins Ziel trug.
Auf den Sieg folgt die große Party
Nach mehreren vergebenen Chancen auf die Aufstiegsrunde klappte es somit im letzten Spiel der Qualifikationsrunde doch noch – mit einem Sieg gegen das Topteam der Liga, das zuvor 16 Mal in Folge nicht verloren hatte. Hätte Atlas gegen Werder nicht gewonnen, wäre der SSV Jeddeloh, der 2:0 gegen den FC Oberneuland siegte, vorbeigezogen. „Wir haben gegen die Gegner von unten nicht immer die nötigen Punkte geholt“, hielt Riebau fest. „Aber wir haben uns die Aufstiegsrunde verdient, weil wir gegen die Mannschaften um uns herum viele Punkte eingefahren haben.“
Der Rest war eine große Party. Für Sonnabend hatte die Mannschaft ohnehin ihre Weihnachtsfeier geplant. Im Falle einer Niederlage hätte das eine eher triste Veranstaltung werden können, doch so wurde es ein rauschendes Fest. Laut Facebook-Seite des SVA wurden alle Spieler ob des großen Erfolges im Laufe des Abends zu „Delmenhorster Jungs für immer und ewig“ erklärt.