Für manchen Blumenthaler verschwand mit dem Abbruch von Thyens Schloss eine fast märchenhafte Sehenswürdigkeit. Ein echtes Schloss mit Turm und Turmhaube, Erkern und einer barock ausladenden Freitreppe. Ein architektonischer Prachtbau im Stil des Historismus, der weit über den Ort hinaus bekannt war.
Bauherr war der Reeder und Kaufmann Oltmann Thyen aus dem oldenburgischen Ammerland.1883 kaufte er von Hinrich Krudop, dem damaligen Besitzer des Sattelhofs, das etwa 100 Morgen große Wiesengelände. Das Grundstück reichte von der Lüssumer Straße bis zum Rosenbusch in Beckedorf, von der Beeke bis etwa zum heutigen Freibad.
Als Bauplatz wählte Thyen eine Anhöhe. Das abfallende Wiesengelände gab den Blick frei auf die Aueniederung und weit dahinter die ersten Höfe und Häuser. Zugleich war von diesem erhöhten Standort aus auch das Schloss weithin zu sehen. Mit großem Kostenaufwand ließ der Bauherr seltene Bäume und Büsche anpflanzen, die den vorhandenen Baumbestand optisch mit einbezogen. Ein künstlicher Teich in der Aueniederung gehörte zur gärtnerischen Parkgestaltung im Stil englischer Gartenkunst.
Das gesamte herrschaftliche Unternehmen schlug mit sechzigtausend Goldmark zu Buche. Der Bauherr hatte nicht lange Freude an seinem Sommersitz, er starb wenige Jahre nach der Fertigstellung. Dafür war das Schloss für die Blumenthaler ein Bauwerk, das die Fantasie beflügelte. Natürlich gab es auch in Wätjens Park ein Schloss, das bekam aber kaum jemand zu Gesicht. Der Park war für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Die Burg Blomendal, unansehnlich und baufällig, bot kaum eine Attraktion. Als Bewohner von Thyens Schloss blieben nach dem Tod des Vaters die drei ledigen Töchter Mimi, Dora und Elisabeth. Der älteste Sohn Oskar besaß eine Zigarrenfabrikation in Amsterdam. Sohn Hermann war Gutsbesitzer in der Uckermark und verwaltete zusätzlich eine Porzellanfabrik in Weimar. Beide hatten kein Interesse am Schloss, zumal es als Sommersitz ohne Heizung angelegt war. Die Töchter hatten sich in einem Turmzimmer einen eisernen Ofen einrichten lassen und wohnten während der kalten Jahreszeit dort oben.
Das Grundstück grenzte direkt an das Gelände von Haus Blomendal. Die Grenze zwischen beiden Anwesen bildete die Beeke. Eine Brücke gab es noch nicht. So ließ der Landrat Berthold eine kräftige Bohle über die Beeke legen, damit der durchaus angenehme nachbarschaftliche Umgang ungehindert stattfinden konnte. Elisabeth Thyen nahm zusammen mit der Tochter Pauline Berthold Malunterricht bei dem Worpsweder Fritz Mackensen, der auch häufiger Hausgast beim Landrat war.
Ein großer Teil des Parks wurde 1928 von der Gemeinde Blumenthal für 24.000 Mark angekauft. Die Gemeinde erbaute auf dem Gelände ein heute noch ergiebiges Wasserwerk. Das Restgrundstück gelangte 1936 in den Besitz der Gemeinde.
Das prachtvolle Schloss erlebte eine wechselvolle Geschichte. Während des Zweiten Weltkriegs war auf dem Turmumgang eine Leichte Flak-Batterie stationiert. Zugleich operierte hier ein Lagezentrum der Nordbremer Fliegerabwehr.
Nach 1945 diente das Schloss als Clubhaus für amerikanische Offiziere. Zweimal versuchten Gastronomen vergeblich, dort eine Sommergaststätte zu etablieren. Zwischenzeitlich wurden die Räume als Tagungsstätte genutzt. 1962 zerstörte ein durch zündelnde Kinder entstandener Brand das Gebäude so sehr, dass es abgerissen werden musste.
Schlittenfahrt am „Galgenberg“
Das historische Gruppenfoto hat ausgesprochenen Seltenheitswert. Es zeigt die Familie Thyen und die des Landrats Berthold. Es gibt keine weiteren öffentlichen Bilder der Landratsfamilie. Das Foto entstand bei der Hochzeit von Oskar Thyen mit Sophia Rebecca Luyck am 16. September 1904. Das Brautpaar steht in der Mitte auf der Balustrade. Als Trauzeugen nennt das Standesamtsregister Landrat Paul Berthold, 49 Jahre alt und Rittergutsbesitzer Hermann Thyen, 39 Jahre alt, wohnhaft auf Gut Ruhehof bei Hasleben in der Uckermark. Auf dem Foto sitzt unten links der Landrat Berthold mit seiner Frau, stehend daneben seine beiden Töchter. Rechts neben dem Landrat die Witwe Thyen mit Sohn Hermann und den drei Töchtern Mimi, Dora und Elisabeth.
Nachdem die Gemeinde 1936 den Park erworben hatte, war der Zugang öffentlich. Für die Jugend boten sich großartige Wintersportmöglichkeiten: Vom hohen Abhang, dem „Galgenberg“, sausten die Schlitten bis dicht an den Teich heran. Der Schlossteich war für Schlittschuhläufer ideal.
Die Gemeinde plante ein riesiges Sportzentrum, was ja auch Stück für Stück, wenn auch nicht in der geplanten Dimension, dort entstanden ist. Der Name Thyen ist dabei untergegangen und die ältere Bezeichnung Burgwall hat man für Straße und Sportanlage gewählt.