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Ex-Werderaner Klaus Fichtel Fichtel steht immer noch auf dem Platz

Bremen. Seit zwei Jahren ist er offiziell Rentner, und er fand, nun brauche er mit dem Fußball kein Geld mehr zu verdienen. Dennoch schießt der Ex-Libero von Werder Bremen, Klaus Fichtel immer noch Tore.
12.07.2011, 05:00 Uhr
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Von Heinz Fricke

Bremen. Seit zwei Jahren ist er offiziell Rentner, und er fand, nun brauche er mit dem Fußball kein Geld mehr zu verdienen. "Ich habe Schalke 04 mitgeteilt, dass ich aus dem Kreis der Scouts ausscheiden möchte. Ich hatte keine Lust mehr, in ganz Europa herumzureisen", erzählt Klaus Fichtel. Das Trikot der Schalker allerdings trägt der 67-Jährige immer noch - als eine Stütze der Schalker Traditionsmannschaft, in der sich viel Fußballprominenz vergangener Tage versammelt hat.

Klaus Fischer schießt immer noch Tore, Olaf Thon lenkt das Spiel, Ingo Anderbrügge schießt weiter die knallharten Freistöße und Matthias Herget sorgt neben Klaus Fichtel dazu, dass hinten nichts anbrennt. "So rund 30mal im Jahr treten wir noch an", sagt Mannschafts-Senior Klaus Fichtel, der immer dabei ist - außer auf Kunstrasen. "Danach wird meist das Knie dick, deswegen spielte ich nur auf richtigem Rasen", sagt er. Doch ansonsten zwickt ihn nichts. Klaus Fichtel, der von 1980 bis 1984 Werders Libero war, fügt zum einen über beneidenswerte gute Gene, aber auch über Disziplin gegenüber den Verlockungen des süßen Lebens: Er wiegt mit 74 Kilo unwesentlich mehr als zu seiner Bundesligazeit, Krankheiten kennt er praktisch bis heute nicht.

Eigentlich war nur ein Jahr in Bremen geplant. "Ich sollte mit meiner Erfahrung zum Wiederaufstieg beitragen", erinnert sich Klaus Fichtel. Das mit dem direkten Bundesliga-Comeback glückte 1981, doch aus dem einen Jahr wurden dann vier. Weil Klaus Fichtel auch 1984, inzwischen im vierten Lebensjahrzehnt stehend, immer noch einen Libero der Extraklasse spielte und seinen Platz erst abgab, als Werder den österreichischen Star Bruno Pezzey als Nachfolger verpflichtete.

Rudi Assauer hatte das große Los gezogen. "Wir müssen vor allem hinten etwas tun", beschloss Werders damaliger Manager nach dem Abstieg 1980, wohl wissend, das vor allem die kaum glaubliche Zahl von 93 Gegentoren (rund 30 mehr als die Tabellennachbarn) zum Werder-Absturz geführt hatten. Zugleich beschloss man in Gelsenkirchen, dass Stamm-Libero Klaus Fichtel mit fast 36 Jahren wohl langsam zu alt für die Bundesliga sei - ein fataler Irrtum und ein Glücksfall für Werder. "Die wollten um jeden Preis verjüngen und haben mich deswegen gehen lassen", schmunzelt Klaus Fichtel noch. So kam er nahezu ablösefrei an die Weser. Und wurde zum Dreh- und Angelpunkt in Werders hinteren Reihen. Als der Wiederaufstieg geschafft war, hatten die Bremer gerade mal 33 Gegentore in 34 Zweitligaspielen kassiert - bis heute ein Rekord für diese Klasse.

"Eine tolle Stadt, ein toller Verein"

Vielleicht wäre er sogar länger als die vier Jahre in Bremen geblieben. "Eine tolle Stadt, ein toller Verein, wie ich ihn mir vorher gar nicht hatte vorstellen können", erinnert er sich und lobt vor allem die Unaufgeregtheit und Ordnung, die er bei Werder kennengelernt hatte. "Denn in Schalke war und ist ja immer etwas los. Das hat sich bis heute nicht geändert." Doch er kehrte zurück nach Gelsenkirchen, vor allem aus familiären Gründen. "Da waren die Eltern, das Haus in Waltrop und die Einschulung von Sohn Christopher."

In seiner persönlichen Statistik hat Klaus Fichtel 23 A-Länderspiele und 552 Bundesligaspielen stehen, nur die anderen Dauerbrenner Charly Körbel (Frankfurt) und Manfred Kaltz (Hamburg) haben noch mehr Bundesligaspiele auf der Liste. Allerdings: Zählt man noch die 41 Zweitligaspiele hinzu, ist Fichtel hinter Körbel schon die Nummer zwei.

Doch es gibt auch eine Statistik, da steht er ganz oben: Denn als Fichtel - inzwischen fast 40 - 1984 nach Gelsenkirchen zurückkehrte, ursprünglich als Co-Trainer vorgesehen, war die Personalnot plötzlich groß: Abwehrstratege Bernhard Dietz fiel längerfristig aus, also schnürte Fichtel nochmals die Fußballstiefel. Und kam auf weitere 26 Bundesligaspiele. Erst am 21. Mai 1988 bestritt er sein offizielles Abschiedsspiel, im Alter von 43 Jahren. Und so alt war kein anderer Bundesligaspieler.

Klaus Fichtel war und ist ein Kind des Ruhrgebiets, wie es authentischer kaum möglich ist. Ehe er 1965 von Arminia Ickern zu den Königsblauen wechselte, hatte er über vier Jahre unter Tage gearbeitet. Und natürlich züchtete er später Tauben - so wie viele, die im Schatten der Fördertürme groß geworden sind. Und er ging sonntags oft zum Trabrennen, was dazu führte, dass nach den Tauben die Pferde bei ihm an die Reihe kamen. "Jetzt habe ich endlich Zeit genügend Zeit für meine Traber", sagt er ein wenig in Eile. Denn er muss schon wieder hinaus zu den Pferden. Zwei hat er gekauft, sie sind für ihn mehr als nur ein Hobby. "Ich mache alles selbst", sagt Klaus Fichtel stolz, was bedeutet: Er mistet den Stall aus, sitzt fast täglich bei den Trainingsrunden im Sulky. Und wenn ein Renntag ansteht, spannt er den Hänger an und fährt seine Pferde zu den Rennen, teilweise bis nach Hamburg. "Wer Pferde hat und liebt, der kennt keine Feiertage. Ich habe jeden Tag mit ihnen zu tun", berichtet er.

Schalker ist er seit über 45 Jahren. Bei Heimspielen sitzt er stets auf der Tribüne, inmitten der Freunde aus der Traditionsmannschaft, mit einem Ticket in der Tasche, dass er sich sozusagen immer noch selbst erspielt: "Wir kaufen für uns alle Dauerkarten aus den Erlösen unserer Spiele", erzählt Fichtel. Mit anderen Worten: Auch mit 67 Jahren kann man also mit Fußball doch noch Geld verdienen.

In loser Folge schaut die Sportredaktion nach, welchen Weg Werder-Profis gegangen sind, nachdem sie Bremen verlassen haben. Nach Michael Kutzop, Valerien Ismael oder "Mister Europacup" Frank Neubarth folgt heute Klaus Fichtel.

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