Am Ende einer turbulenten Woche steht ein Millionen-Deal zwischen Werder Bremen und dem Sportrechtevermarkter Infront.
Marc Hagedorn sprach mit Günter Netzer, Mitglied im Board of Directors bei Infront, und Klaus Filbry, Vorsitzender der Geschäftsführung von Werder Bremen, über Tradition, Einmischung von außen und die Besetzung von wichtigen Posten.
Herr Netzer, was macht Werder für Sie und Infront zu einem attraktiven Partner?
Günter Netzer: Das ist leicht zu sagen. Wir intensivieren seit einiger Zeit unsere Aktivitäten im Fußball wieder. Und hier ist Werder Bremen ein absolutes Wunschobjekt für uns.
Klaus Filbry: Das Kompliment gebe ich zurück. Mit Infront stellt sich ein Vermarktungsriese weitere zehn Jahre an unsere Seite. Das ist ein starkes Signal für den Standort, für Werder und die Arbeit, die wir hinter den Kulissen betreiben.
Werder ist Tabellenletzter. Kein Hinderungsgrund?
Netzer: Nein. Die Reputation von Werder ist nach wie vor intakt. Werder hat sich einen Namen im internationalen Fußballgeschäft gemacht und ist eine gute Marke. Und es ist nicht unsere Philosophie zu sagen: Mein Gott, jetzt läuft es aber nicht so gut, da ziehen wir uns besser zurück. Nein: Dann sind wir erst recht da. Wir verstehen uns als Partner, und da sind wir bei Werder an der richtigen Adresse.
Welches Potenzial sehen Sie denn perspektivisch bei Werder Bremen?
Netzer: Entscheidend ist immer der sportliche Erfolg. Da muss Werder wieder hin. Wenn der Erfolg auf lange Sicht stimmt, schließen sich potenzielle Sponsoren an und unterstützen dann auch in schwierigeren Phasen.
Als wie ernst empfinden Sie denn die aktuelle sportliche Lage?
Netzer: Die Ergebnisse sprechen eine eigene Sprache, und die Situation ist alles andere als angenehm.
Panik, Herr Filbry? Sorge?
Filbry: Wir wissen, worum es geht. Aber wir stehen auch zu dem Weg, den wir schon länger gehen. Der finanzielle Anpassungsprozess wirkte sich in den letzten Jahren auf alle Bereiche bei Werder aus, auch auf den Kader. Jeder hat das Ziel vor Augen: Werder fit für die Zukunft zu machen. Das schweisst uns zusammen. Aber wir werden auf diesem Kurs die Zukunft von Werder auch nicht aufs Spiel setzen. An dieser Balance arbeiten wir. Und der Deal mit Infront hilft auf diesem Kurs gestärkt weiterzumachen.
Infront hat den Status eines strategischen Partners. Bringt sich Günter Netzer ab und an auch mal in alltägliche Diskussionen ein. Man kennt das ja aus Hamburg zum Beispiel. Wer zahlt, der redet mit.
Netzer: Das können Sie hundertprozentig ausschließen. Einmischung von außen habe ich immer kritisiert. Und als ich Manager beim HSV war, habe ich das immer verhindert. Es ist für mich undenkbar, dass Stimmen von außen ihren Senf dazu geben. Das wird mit Infront nie passieren. In sportlichen Fragen haben strategische Partner nichts zu suchen.
Zurzeit äußern sich bei Werder aber viele Leute – aus dem Aufsichtsrat, aus der Geschäftsführung, Menschen mit einer Werder-Vergangenheit…
Filbry: Wir haben in der letzten Woche die Situation gehabt, dass Klaus-Dieter Fischer als Gesellschafter mit voller Berechtigung etwas thematisiert hat, was man in unserer derzeitigen sportlichen Situation diskutieren muss, …
… dass man kurzfristig Schulden macht, um in den Kader zu investieren …
Filbry: … und das werden wir intern mit dem Aufsichtsrat besprechen. Was dabei in den vergangenen Tagen alles hoch gekocht ist, muss man jetzt beiseite schieben. Wir haben mit der Partnerschaft zu Infront einen Meilenstein gelegt, und zwar was die kurzfristige Verfügbarkeit von Mitteln angeht, aber auch langfristige Absicherungen.
Wie sehr stören Sie die öffentlichen Diskussionen, Herr Netzer?
Netzer: Das ist ungewöhnlich für Werder, das kannte man so nicht. Werder steht für mich für Ruhe, für Eintracht, für Frieden. Es ist aber normal, und auch Werder ist nicht davor geschützt, dass es Unruhe gibt, wenn die Ergebnisse nicht stimmen. Andererseits: Wir haben erst den siebten Spieltag. Ja, die Ergebnisse sind nicht akzeptabel. Aber die Führungskräfte schauen sich die Situation sehr genau an. Da habe ich vollstes Vertrauen. Wenn man erkennt, dass der Kader verstärkt werden muss, dann wird Werder dies tun. Ganz sicher.
Nehmen Sie jetzt das frische Geld und kaufen ein, Herr Filbry?
Filbry: Ich glaube, Günter Netzer hat das sehr schön auf den Punkt gebracht. Man muss die Situation bis zur Winterpause beobachten, man muss den Markt sondieren, intern Gespräche vorantreiben, und wenn man Verpflichtungen tätigt, dann müssen wir hundertprozentig überzeugt sein.
Welchen Spieler sollte Werder denn Ihrer Meinung nach holen?
Netzer: (lacht) So einfach geht das nicht. Es gibt nicht den einen Spieler, der plötzlich alles besser macht. Es bringt auch nichts, einen vermeintlichen Superstar zu holen, der dann womöglich nur seinen Namen spazieren führt. Ich habe ein Faible dafür, auf junge Spieler zu setzen. Ihnen die Möglichkeit zur Entwicklung zu geben. Der VfB Stuttgart hat das notgedrungen mal gemacht und ist sogar Meister geworden. Das hat mir gut gefallen.
Sehr kontrovers wird die Person Willi Lemke zurzeit diskutiert. Wie sehen Sie das, Herr Netzer?
Netzer: Was ich aus der Entfernung sagen kann: Herr Fischer wird sein Amt aufgeben (zum Jahresende als Präsident und Geschäftsführer, Anm. d. Red.), und mit ihm geht ein Mann, der eine grandiose Arbeit, ja geradezu eine Lebensleistung für Werder vollbracht hat. Er hat erkannt, dass eine Verjüngung her muss. Dazu beglückwünsche ich ihn.
Gilt das auch für Willi Lemke?
Netzer: (lacht) Diese Schlagzeile werde ich Ihnen nicht liefern. Ich fordere nicht, dass er gehen muss. Es ist doch völlig normal, dass in schwierigen Zeiten diejenigen, die die Verantwortung tragen, in die Kritik geraten. Aber wenn man kategorisch ablehnt, sich zu verschulden, dann ist das im Moment nicht die richtige Herangehensweise. Mich wundert in Bremen aber was ganz anderes.
Was denn?
Netzer: Ihr habt da einen Mann, der heißt Marco Bode. Diesen Jungen schätze ich über alle Maßen: Er ist hochintelligent, hocheloquent, ein charakterlich einwandfreier Junge, den ich schon damals während unserer Arbeit bei der ARD sehr geschätzt habe.

Marco Bode
Und der jetzt schon im Aufsichtsrat sitzt.
Netzer: Ja, aber ihm sollte man vielleicht dort auch noch mehr Verantwortung übertragen. Mit Klaus Filbry, Thomas Eichin und Marco Bode im Aufsichtsrat hätte man dann drei Gesichter an der Spitze, die sich in dieser Konstellation sehr gut ergänzen würden. Ich sage jetzt mal: Sie sollten meiner Meinung nach die Zukunft von Werder sein.
Also Marco Bode als Aufsichtsratsboss …
Netzer: … auf jeden Fall nicht als Grüß-August. Man muss erkennen, was er liefert: Er ist ein ehemaliger Nationalspieler, wird allseits geschätzt, er hat Ahnung von seinem Tun. Solche Leute gehören in maßgebliche Funktionen. Ein Fehler, den auch erfolgreiche Unternehmen häufig machen, ist, dass sie nicht früh genug eine Nachfolge-Regelung finden, also den geeigneten Mann für den richtigen Posten. Das muss und das wird man mit Sicherheit auch bei Werder längst diskutieren.
Was sagen Sie dazu?
Filbry: Dieses Thema wird von den zuständigen Personen sicher intern behandelt. Das bleibt bei Werder so.
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Werders strategischer Partner: Das ist Infront
Werder arbeitet schon seit Jahren mit Infront zusammen. 2008 hatte der Klub, damals noch unter der Führung von Jürgen L. Born, Klaus-Dieter Fischer, Manfred Müller und Klaus Allofs, einen Elf-Jahres-Vertrag abgeschlossen, der bis zur Spielzeit 2018/19 läuft und nun, wie es heißt, zu deutlich verbesserten Konditionen bis 2029 verlängert worden ist.
Infront ist seitdem Stadionpartner und kümmert sich auch um die Vermarktung von Werders Trikotbrust, hat den Bremern also auch den umstrittenen Wiesenhof-Deal vermittelt, der Werder rund sechs Millionen Euro pro Saison einbringen soll.
Infront agiert weltweit, besitzt 20 Niederlassungen auf dem gesamten Globus, beschäftigt 500 Mitarbeiter und verfügt über ein entsprechendes Netzwerk. In Bremen hat Infront Büroräume im Weserstadion. Präsident und Vorstandsvorsitzender von Infront ist Philipp Blatter, der Neffe von FIFA-Boss Sepp-Blatter. Welt- und Europameister Günter Netzer, der in Zürich lebt, ist als sogenannter Executive Director das Gesicht des Unternehmens.
Außer bei Werder engagiert sich Infront in Deutschland auch beim FC Schalke 04, Fortuna Düsseldorf, SC Freiburg und dem SC Paderborn. Erst in diesem Sommer hat Bundesliga-Aufsteiger 1. FC Köln einen Vermarktervertrag mit Infront bis 2026 abgeschlossen. Weitere Partner sind unter anderem der AC Mailand und Lazio Rom