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Vor dem Spiel Darmstadt gegen Werder Caldirola: Vom Reservisten zum Stammspieler

Werder-Leihgabe Luca Caldirola hat beim kommenden Gegner der Grün-Weißen, Darmstadt 98, sein Glück gefunden. Der Italiener geht entspannt ins Wiedersehen mit den Bremern.
22.09.2015, 00:00 Uhr
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Von Frank Hellmann

Zum Gesprächstermin mit Luca Caldirola geht es praktischerweise auf die Ersatzbank. Nicht auf einem der gepolsterten Komfortsitze wie im Weserstadion, sondern auf einer schnöden Plastikschale im Stadion am Böllenfalltor.

Wäre der Fußballprofi noch beim SV Werder, dann hätte er im Bundesligaspiel an diesem Abend bei Darmstadt 98 womöglich genau dort bei Anpfiff Platz genommen. Bestenfalls. Doch seit er sich als Bremer Leihgabe den Südhessen anschloss, veränderte sich sein Status schlagartig – vom Reservisten zum Stammspieler, der keine Minute dieser Saison versäumt und am ordentlichen Saisonstart des Aufsteigers mitgewirkt hat.

„Natürlich war mein letztes Jahr in Bremen nicht gut für mich, weil ich kaum gespielt habe. Das hat zur Entscheidung geführt zu gehen“, erklärt Caldirola, der noch mit Santiago Garcia und Alejandro Gálvez Kontakt hält. Ansonsten klingt der 24-Jährige vor dem Wiedersehen entspannt und pragmatisch: Da lebt einer in der Gegenwart und nicht in der Vergangenheit.

"Die Stadt ist kleiner als Bremen, dafür ist das Wetter besser"

„Ich bin komplett zufrieden, wie es bisher gelaufen ist. Ich habe hier vom ersten Tag an eine Familie gefunden. In Darmstadt gibt es beispielsweise viele Italiener – an manchen Sommertagen habe ich mich wie in Italien gefühlt.“ Seine hübsche Frau Marija, die er aus seinem Heimatort Seregno bei Mailand seit der Schulzeit kennt und im Juni geheiratet hat, ist genauso in die Wohnung in Stadionnähe gezogen wie die Faltohrkatze Rosie, für die das Paar sogar eine Seite bei Instagram pflegt. Was ihm an Darmstadt gefällt? „Die Stadt ist kleiner als Bremen, dafür ist das Wetter besser“, erläutert er mit breitem Grinsen.

Beinahe geräuschlos hat Caldirola den Abgang des Aufstiegshelden Romain Brégerie kompensiert und bildet mit Kapitän Aytac Sulu ein grundsolides Innenverteidiger-Gespann. „Er kennt den Verein und die Stadt länger als ich. Ich bringe dafür ein bisschen Erfahrung aus der Serie A und Bundesliga mit.“ Das sei doch „eine gute Mischung“. Sein Transfer passte perfekt ins Beuteschema der Lilien, bei denen vorrangig die Ausgestoßen und Aussortierten aufblühen. Dass die Cheftrainer Dirk Schuster und Viktor Skripnik sich über den Fußballlehrer-Lehrgang kannten, half bei dem Deal. Werder soll einen Teil des Gehalts weiterbezahlen.

Schuster hat vom ersten Tag an auf den Ex-Kapitän der italienischen U 21 gesetzt, zumal es keinerlei Verständigungsschwierigkeiten gab. „Ich hatte in Bremen eine gute Lehrerin, wir haben jeden Tag Deutsch gelernt. Daher habe ich auch gleich verstanden, was hier das rosa T-Shirt bedeutet.“ Er meint das Leibchen, das einen Tag im Monat der „Trainingsschlechteste“ (Schuster) trägt und auf dem vorne „Tussi“ und hinten „Fehleinkauf“ steht. Das bei jeder Übungsform – und sogar dem gemeinsamen Bowlingabend – angewandte Punktesystem bildet nur eines von vielen Details, in denen sich Darmstadt vom Rest der Liga unterscheidet. Die Bande vieler Berufsfußballer, die hier ihre zweite Chance suchen, geht bis in den privaten Bereich; viele Familien sind eng befreundet.

"Ich habe jetzt hier ein Ziel für die nächsten zehn Monate"

Warum Caldirola in Bremen aufs Abstellgleis geriet, darüber zermartert er sich nicht mehr den Kopf. „Im ersten Jahr habe ich fast immer gespielt, aber nach dem Trainerwechsel kam ich kaum mehr zum Einsatz. Der neue Trainer (Viktor Skripnik, Anm. d. Red.) hat seine Entscheidung getroffen, das musste ich akzeptieren. Ich habe jetzt hier ein Ziel für die nächsten zehn Monate.“ Was danach passiert, sei völlig offen – sein Vertrag bei Werder läuft bis 2017. „Keine Ahnung“, sagt er noch.

Nur eines stand im Sommer für ihn fest: „Ich wollte unbedingt in der Bundesliga bleiben, weil es zusammen mit der Premier League die beste Liga der Welt ist, was die Stadien, die Stimmung aber auch das Niveau angeht.“ Sich derzeit nacheinander gegen Leverkusen, Bayern, nun Bremen und Sonntag in Dortmund beweisen zu müssen – „das ist ein schwieriges Programm, aber für uns ist jedes Spiel schwer“, findet Darmstadts Nummer 33.

Seine Spielweise hat er notgedrungen umstellen müssen. Der Underdog definiert sich beileibe nicht über vermehrten Ballbesitz oder geordneten Spielaufbau. In 450 Spielminuten hat Caldirola bislang nur 135 Ballkontakte gehabt – sein heutiger Gegenüber Jannik Vestergaard kommt auf 332! Auch Nebenmann Sulu ist nicht viel häufiger an der Kugel als Caldirola. Und rund die Hälfte der Pässe der beiden Abwehrspieler landen auch noch beim Gegner – weil das Spielgerät oft nur weit nach vorne geschlagen werden soll. Aber gibt es eingedenk der limitierten Rahmenbedingungen eine andere Wahl?

„Wir müssen kämpferisch alles in die Waagschale werfen und unsere Mentalität zeigen, nie aufzugeben“, sagt Caldirola, wohl wissend, dass am „Bölle“ jeder Einwurf, jede Ecke bejubelt wird. Er empfindet all das gerade als Bereicherung in seiner Vita, davon zeugen seine zahlreichen Tweets. „Ich kann sagen: Wir sind eine gute Truppe.“ Und er ist in Windeseile ein wichtiger Teil davon geworden.

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