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Legende im Interview Diego: "Werder hatte jeden Cent meiner Ablöse verdient"

Werder-Star Diego spricht über seine Zeit in Deutschland und den Wendepunkt in Bremen. Er reflektiert über seine Rolle als teuerster Werder-Transfer und über die Liebe der Fans. Ein tiefgründiges Interview...
15.03.2025, 07:13 Uhr
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Diego:
Von Jean-Julien Beer

Zu Ihrem Abschiedsspiel kommen 42.000 Menschen ins Weserstadion. Was bedeutet Ihnen diese große Liebe der Werder-Fans?

Diego: Ich muss ehrlich sagen, dass ich überwältigt bin. Das Stadion wird voll sein. Und als wir das spezielle Diego-Trikot vorgestellt haben, waren die Leute verrückt danach. Ich spüre sehr viel Liebe und Respekt - für mich, für meine Karriere und für meine Zeit bei Werder. Auch wenn ich den Verein damals verlassen habe, bringen mir die Leute heute noch so viel Zuneigung entgegen. Darüber bin ich glücklich. Ich werde mein Bestes geben, um den Fans beim Abschiedsspiel auch meine Liebe und meinen Respekt zu zeigen.

Sie waren ein junger Mann, erst 21 Jahre alt, als Sie im Sommer 2006 aus Portugal nach Bremen kamen. Was waren Ihre ersten Eindrücke von der Stadt und von Deutschland?

Der erste Eindruck war schwierig. Wegen der komplizierten Sprache und weil ich es ziemlich kalt fand. Aber die Menschen in Bremen waren direkt sehr freundlich. Deshalb fühlte ich mich wohl und sicher, als ich am ersten Tag meinen Vertrag unterschrieb. Mein Papa war vorher schon in Bremen gewesen und hatte nur gut über die Stadt und den Verein berichtet. Und tatsächlich: Von meinem ersten Tag an habe ich mich zu Hause gefühlt. Das geht mir bis heute so, wenn ich in Bremen bin.

Wenn man in ein neues Land geht, muss man offen sein für ein anderes Leben. Ich war damals offen dafür.
Diego

Viele brasilianische Fußballer haben Probleme, sich in Deutschland wohlzufühlen. Wegen des Wetters, aber auch wegen Dingen wie Pünktlichkeit und Disziplin. Wie war es für Sie?

Ich kann offen sagen, dass es manchmal auch für mich unangenehm war. Das eigentliche Problem ist aber, dass viele aus Brasilien wegziehen, aber sie wollen ihr Land weiter bei sich haben. Sie haben Freunde aus Brasilien, sie essen auch brasilianisch. Das kann ein Problem werden. Wenn man in ein neues Land geht, muss man offen sein für ein anderes Leben. Ich war damals offen dafür. Manches war einfacher, manches war schwierig. Aber am Ende bin ich in Bremen und Deutschland ein besserer Mensch geworden. In meinen zwölf Jahren in Europa habe ich in fünf verschiedenen Ländern gelebt, in denen ich nie zuvor gewesen war. Ich konnte dabei viel lernen, weil ich die Kultur jedes Landes respektiere und neugierig bin. Das ist das Geheimnis, um sich an einem anderen Ort zu Hause zu fühlen.

In Ihrem ersten Jahr bei Werder hatten Sie eine schwierige Aufgabe: Sie mussten als Nummer 10 den großen Johan Micoud ersetzen. War das nicht ein gewaltiger Druck?

Ja, es war ein enormer Druck. Aber ich war zuversichtlich, denn wenn sie sich für mich entschieden haben, als Nachfolger für einen Mann wie Micoud, dann weil sie in mir eine große Qualität gesehen haben. Ich war dankbar, dass sie mich dafür ausgewählt hatten. Durch dieses Vertrauen, das ich spürte, war es einfacher. Außerdem spielte die Mannschaft gut organisiert, das hat meine Aufgabe erleichtert.

Ein Mann mit Ihrer fußballerischen Qualität – können Sie sich heute ein schlechtes Spiel im Fernsehen anschauen, oder schalten Sie dann um?

Ich schalte ab. Ich bin auch nicht der Typ, der sich jedes Spiel im Fernsehen ansieht. Ich versuche, nur die meiner Meinung nach besten Spiele zu sehen. Zum Beispiel die Champions League, oder wenn mir ein Spieler besonders gefällt. Wenn das Spiel aber schlecht ist, schalte ich aus und mache etwas anderes.

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Noch heute tragen viele Werder-Fans das alte Diego-Trikot. Hätten Sie gerne mehr als nur die drei Jahre in Bremen verbracht?

Das ist eine gute Frage. Ich denke, diese drei Jahre waren so fantastisch, dass ich das Gefühl hatte, alles getan zu haben, was ich in diesem Trikot tun musste. Ich hatte viele Angebote von anderen Vereinen. Bei manchen sagte ich Nein, um weiter in Bremen zu spielen. Nach drei Jahren war dann aber der richtige Moment, um einen neuen Schritt zu machen. Aber vielleicht hätte ich eines Tages zurückkommen und noch einmal für Werder spielen sollen. Ich bedaure nicht, wie es gelaufen ist, denn es waren großartige drei Jahre. Danach, bei Juventus in Italien – das war nicht das, was ich erwartet hatte. Aber so ist das Leben manchmal.

Sie hätten auch zu Bayern oder Real Madrid gehen können. Warum wählten Sie Italien?

Es stimmt, mein Vater war in München und hat mit dem Präsidenten gesprochen. Wir waren auch in Madrid, sie haben uns ein Angebot gemacht. Aber Juventus hatte schon in meiner ersten Bremer Saison angefragt. Sie wollten mich unbedingt.

Werder kassierte 27 Millionen Euro Ablöse. Damit sind Sie bis heute der teuerste Verkauf der Vereinsgeschichte. Was bedeutet Ihnen dieser Rekord?

Ich denke, dass sich Werder jeden Cent davon verdient hatte. In Porto saß ich nur noch draußen. Aber Werder vertraute mir trotzdem. Werder investierte in mich als Spieler und als Mensch – und wurde belohnt. Meiner Meinung nach könnte Werder so etwas heute wieder tun, auch wenn es nicht einfach ist. Aber ich schaue mir Werder an und sehe immer noch einen großen Verein mit einer tollen Atmosphäre und Geschichte. Ich wünsche mir, dass mehr talentierte Spieler zu Werder kommen und später für viel Geld wechseln.

Viele Werder-Fans wünschen sich wieder eine echte Nummer 10. Gibt es solche Spielmacher noch?

Der Fußball hat sich leider verändert. Es wird immer schwieriger, eine echte Nummer 10 zu finden. Auch in Brasilien achtet man heute in der Jugend eher auf die Ergebnisse. Aber wenn man bei Kindern nur Siege sehen will, braucht man dort nur starke und schnelle Spieler. Die talentierten Jungs haben in dem Alter nicht die Kraft und die Geschwindigkeit, deshalb werden sie zur Seite geschoben. Es fehlt die Geduld, Talente zu entwickeln. Dabei sollte es bei Jugendmannschaften nicht um Titel gehen, sondern darum, außergewöhnliche Profifußballer zu entwickeln.

Wie haben Sie als Kind begonnen?

Ich habe in der Nähe von Sao Paulo einfach auf der Straße angefangen. Ich liebte Fußball, ich liebte den Ball. Das Beste, was ich tun konnte, war mit Freunden Fußball zu spielen. Ich hatte schon mit fünf Jahren viel Spaß mit dem Ball. Als ich elf war, zog ich zum FC Santos, und spielte weit weg von meiner Familie und meinen Freunden. Das war der Preis, den ich zahlen musste. Es wurde dann immer ernster mit mir und dem Fußball.

Haben Sie mit elf Jahren gewusst, dass Sie es zum Profi schaffen könnten?

Ja. Ich hatte das Talent. Ich konnte alles machen, was ich wollte, wenn ich spielte. Ich konnte dribbeln, Tore schießen, etwas bewirken. Das hat mir Selbstvertrauen gegeben und mich glauben lassen, dass ich es schaffen kann. Meine Karriere wurde dann sogar größer, als ich es mir erträumt hatte.

Waren ihre Eltern immer einverstanden mit diesem Traum - oder drängten sie auf eine weitere Ausbildung?

Nein, sie waren immer an meiner Seite und haben sich jedes Spiel angesehen. Sie haben mich auch nach Santos gefahren. Dafür kann ich ihnen nur danken.

Im Jahr 2007 haben Sie das Tor des Jahres in Deutschland geschossen, aus etwa 63 Metern gegen Aachen. Wie oft haben Sie sich dieses Tor schon angesehen?

Das kann ich gar nicht mehr zählen. Jede Woche kommt jemand und fragt mich nach diesem Tor oder zeigt mir das Video. Es ist immer schön, sich daran zu erinnern. Ich habe es sicher mehr als tausend Mal gesehen. Auch mit meinen Kindern. Sie zeigen mir manchmal Videos auf YouTube. Dieses Tor ist immer dabei.

War es das schönste Tor Ihres Lebens?

Es war das beste - und weil die Leute dieses Tor damals gewählt haben, ist es auch ein historisches. So etwas bleibt für immer und macht mich noch heute sehr glücklich.

Welche Orte in Bremen mögen Sie besonders?

Ich gehe gerne an der Weser spazieren, dort, wo das Stadion immer näherkommt. Ich mag auch den Bürgerpark. Dort bin ich an meinem ersten Tag im Parkhotel untergekommen. Ich war gerade erst wieder mit meiner Familie dort. Und natürlich liebe ich das Weserstadion. Damit verbinde ich fantastische Erinnerungen.

Haben Sie etwas von Werder in Ihrem Haus in Brasilien?

Ja, dort hängt mein Werder-Trikot gerahmt an der Wand. Und alle Trophäen sind da. Für Werder wird es bei mir immer einen Platz geben. Nicht nur in meinem Haus, sondern auch in meinem Herzen.

Sie haben für viele große Vereine gespielt. Welchen Stellenwert hat Werder für Sie?

Werder war der wichtigste Moment in meiner Karriere, vor allem in Europa. Ich war schon zwei Jahre vorher rübergekommen, von Santos nach Porto. Ich träumte davon, Titel zu gewinnen und ein wichtiger Spieler zu werden. Mein erstes Jahr in Porto war gut. Das zweite Jahr war sehr schwierig. Der Trainer kam zu mir und sagte: Du hast keinen Platz mehr in der Mannschaft, also kannst du zurück nach Brasilien gehen. Das war sehr hart. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ein Trainer mich zurückwies. Ich wusste gar nicht, was ich tun soll. Und dann kam Werder und gab mir diese Chance. Mehr noch: Die Bremer haben mich richtig umarmt. Der Verein, die Mannschaft, die Fans. Sie gaben mir Respekt. Sie haben mich zu einem besseren Spieler und zu einem besseren Menschen gemacht. Das werde ich nie vergessen.

Werder war Ihr Wendepunkt?

Ganz sicher. Schon nach zwei Jahren in Bremen war ich einer der besten Spieler der Welt. Deshalb ist Werder so wichtig für mich. Ich war bei jedem Training, bei jedem Spiel dort glücklich. Natürlich war ich noch jung. Ich hatte nicht die Reife, die ich heute habe. Aber jetzt habe ich durch das Abschiedsspiel die Möglichkeit, diesen Respekt und die Liebe zurückzugeben und allen zu sagen, wie dankbar ich bin.

Wie wichtig war Thomas Schaaf für Sie?

Heute halte ich Vorträge über Führung. Eine Führungspersönlichkeit hat die Macht, das Schicksal und die Geschichte jedes Menschen zu verändern. Aber es sollte der richtige Anführer sein. Thomas Schaaf war es. Müsste ich die drei besten Trainer meiner Karriere aufzählen, und ich hatte sicher mehr als 40 Trainer, dann wäre Schaaf immer dabei. Weil er mich fantastisch behandelt hat. Er hatte den Mut, mir zu vertrauen. Er war geduldig, wenn ich Fehler machte. Und er war sehr intelligent darin, mich in die richtige Position zu bringen und dadurch meine Fähigkeiten optimal zu nutzen.

Sind Sie fit fürs Abschiedsspiel? Haben Sie trainiert?

Fit bin ich, aber ich spiele nicht mehr jede Woche Fußball. Das ist der Unterschied. Ich gehe ins Fitnessstudio, ich laufe am Strand. Erst in den letzten Wochen habe ich angefangen, mit Freunden Fußball zu spielen, um wieder ein Gefühl für den Ball zu bekommen. Ich werde bereit sein.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Ich hatte Auftritte als Kommentator im brasilianischen Fernsehen. Das gefällt mir. Aber in erster Linie bin ich Redner und Mentor. Ich spreche in großen Unternehmen über Siegermentalität, Führungsqualitäten und alle Lektionen, die ich als Sportler gelernt habe. Denn meiner Meinung nach sind wir alle Sportler und streben nach etwas. Dafür brauchen wir das richtige Verhalten, wir müssen die richtigen Entscheidungen treffen. Darüber kann ich eine Menge erzählen.

Das Gespräch führte Jean-Julien Beer.

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