Es zählt zu den Stärken von Jürgen L. Born, auch für komplizierte Sachverhalte einen einfachen Vergleich zu finden. „Früher, also vor Corona“, sagt er, „da fragten sich die Leute: Wie komme ich an Karten fürs Stadion? Heute fragt der Fan seinen Kumpel: Hast du eigentlich Sky?“ Das spare zwar Geld, mache aber nicht so viel Spaß.
Die Pandemie hat den Fußball eben stark verändert. Das nimmt auch Born so wahr, der Werder Bremen von 1999 bis 2009 als ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender führte. „Damals drehte sich der große Teil aller öffentlichen Diskussionen um alles, was auf dem Spielfeld passiert war“, sagt Born, „also um Tore, Stars und Siege. In den letzten Monaten hat sich das erheblich verlagert. Jetzt geht es durch die Coronakrise und die geringeren Einnahmen vor allem um Dinge, die weit außerhalb des Rasens geschehen.“
Plötzlich kämpft ein Verein wie Werder mit Einnahmeverlusten von 30 bis 50 Millionen Euro allein in dieser Saison, bei Bayern München rechnet man sogar mit einer sechsstelligen Zahl. Statt um Tore geht es nun um die Existenz vieler Klubs, es geht um Millionenkredite, Bürgschaften, KfW-Darlehen, vielleicht künftig auch um eine Umschuldung. Genau das ist die zweite Welt des Fußball-Liebhabers Born, der als angesehener Finanzmanager für die Deutsche Bank in Südamerika früher komplette Staatspleiten abwickelte. Die Coronakrise mit ihren wirtschaftlichen Risiken für die Fußballklubs wäre im Prinzip genau sein Ding, doch mit inzwischen 80 Jahren gönnte er sich den verdienten Luxus, Werders Anstrengungen mit einer gewissen Distanz zu verfolgen – jedoch auch mit der Gelassenheit eines Wissenden in komplexen Finanzfragen.
„Der Fußball ist anders betroffen“
Um Werders Überleben macht sich Born nämlich keine Sorgen, wie er erklärt: „Der Fußball wird nie untergehen, denn er ist nicht aus unseren Herzen wegzudenken.“
Die Vereine seien unverschuldet in die Krise geraten, hebt Born hervor, weil niemand diese Pandemie vorhersehen und sich vorbereiten konnte. „Die fehlenden Zuschauer- und Werbeeinnahmen bedeuten für die Klubs Einnahmeeinbußen in außergewöhnlicher Höhe“, sagt er, „damit verlagert der Fußball sein Interesse im Prinzip von Spielgestaltung auf Finanzgebaren.“ In diesen Zeiten würden zwar viele Unternehmen leiden, doch die Bundesligavereine seien ein besonderer Fall: „Die Auswirkungen sind unterschiedlich. Viele Unternehmen können bei rückläufigen Geschäften ihren Kostenballast reduzieren, indem sie an die variablen Kosten rangehen, die vom Umsatz abhängen. Nicht so die Fußballfirma. Sie hat markante Einnahmedefizite, soll aber eine unverändert gute Produktion anbieten.“ Die Lohnkosten und der Aufwand bleiben also hoch, damit das Fernsehen übertragen kann – aber es gibt keine Zuschauereinnahmen mehr. Den teilweisen Gehaltsverzicht vieler Profis nennt Born in diesem Zusammenhang zwar begrüßenswert, „aber so überschaubar, dass er vernachlässigt werden kann".
Um die hohen Ausgaben stemmen zu können, gebe es „nur ein funktionierendes Instrument, und das sind nun mal Kredite. Ohne Verschuldung wird es schwierig sein, das düstere Tal der Pandemie zu durchschreiten.“ Während sich viele Fans Sorgen machen, dass die Schuldenlast für Vereine wie Werder zu groß werden könnte, nimmt Born das gelassener: Er sieht „die Gefahr einer Überschuldung im deutschen Fußball als gebannt“.
Die Gründe dafür kann Born aus dem Stand aufzählen: „Zunächst prüfen die Geldgeber die Kreditwürdigkeit und die Rückzahlungspläne sehr genau. Dann bestehen immer noch die Regeln des Financial Fair Play, nach denen im Prinzip die Einnahmen die Ausgaben decken sollen. In Deutschland wird sich die Lizenzierungstoleranz der DFL wohl etwas großzügiger gestalten, aber dieses Kontrollorgan ist weiterhin existent.“ Zudem könne der Fußball nach der Pandemie gleich wieder auf ein funktionierendes und von Emotionen getragenes Geschäftsmodell bauen. „Die global um sich greifende Digitalisierung kann unseren Lieblingssport zwar ergänzen, aber nie ersetzen“, meint Born, „aus voller Brust gesungene Lieder in der Ostkurve gibt es nur analog; damit steht auch einer langfristigen Verschuldung nichts im Weg.“
Die Lösung mit der tilgungsfreien Zeit
Anfangs würden die Vereine vor der schwierigen Aufgabe stehen, Tilgungspläne erstellen zu müssen, die zunächst wegen der Pandemie auf einer enormen Ungewissheit aufbauen. Ein K.-o.-Kriterium sieht der erfahrene Banker darin aber nicht, denn: „Wenn man diese Ungewissheit auf zwei Jahre einschätzt, so könnte man Kredite für diesen Zeitraum einfach tilgungsfrei gestalten. Die Rückzahlungspläne könnten dann sukzessiv an eine zurückkehrende Normalität angepasst werden.“
Denn wenn die Stadien wieder voll sind, lassen sich die Kredite auch wieder einfacher bedienen. „Und selbst wenn man die Entwicklung für die Schuldenrückzahlung falsch eingeschätzt hat, ist das kein Vergehen“, beruhigt Born, „während meiner über 30-jährigen Banktätigkeit in Südamerika habe ich das Thema Umschuldung ausgiebig kennengelernt. Da setzt man sich eben an den Tisch und überprüft vier Bereiche: Laufzeit, Zinssatz, eventuellen Forderungsverzicht und Kreditwährung.“ Bei Krediten von Bundesligavereinen werde man folglich „nur Laufzeit und Tilgung neu anpassen müssen, denn die Zinsen sind ohnehin so niedrig wie nie, ein Schuldenerlass kommt nicht infrage und die Kreditwährung sollte der Euro sein, weil sich andere Währungen nicht lohnen“.
Empfehlenswert wäre nach Borns Meinung, für einen Teil des Finanzierungspaketes eine langfristige Wandelschuldverschreibung zu zeichnen. So würden während der Laufzeit keine Rückzahlungsraten anfallen, und bei Verfall der Anleihe würde sie ganz oder teilweise in Aktienkapital umgewandelt. „Hierzu“, sagt Born, „müsste man den Markt mit einer entsprechenden Verzinsung oder Rendite locken.“
Was auch passiert, es wird interessant, meint Born: auf dem Rasen und außerhalb. Seine Bitte: „Um in ruhigere Fahrwasser zu kommen, wäre eine konstruktivere Kritik am Fußball hilfreich. Den Fans ist zu empfehlen, die jetzt gesparten Eintrittsgelder, wenn möglich, zur Seite zu legen, denn, wenn der Laden wieder dampft, könnten Preiserhöhungen bei der Schuldentilgung helfen, so bitter das klingt. Aber das sollte unsere Herzensangelegenheit nicht beeinträchtigen.“