Geht er oder bleibt er? Die Zukunft von Niclas Füllkrug ist weiterhin offen. Werder Bremen kämpft um den Verbleib seines Toptorjägers, hat sich aber auch auf einen Wechsel vorbereitet. Nicht offiziell, aber für die Öffentlichkeit und vor allem die Branche deutlich sichtbar hat der Klub dem Stürmer ein imaginäres Preisschild umgehängt. Mindestens 20 Millionen Euro Ablöse sollen für einen Füllkrug-Transfer in die Werder-Kasse wandern, heißt es. Aber wie wurde diese Summe eigentlich festgelegt? Wie wertvoll ist Füllkrug tatsächlich? Bislang gab es dazu im Fußball vor allem eine Quelle: transfermarkt.de. Das Internetportal stützt sich auf das Wissen seiner Community. Nun gibt es mit „gool.ai“ einen neuen Anbieter – und der setzt auf Künstliche Intelligenz (KI), die jede Menge Daten verarbeitet. Im Fall Füllkrug sorgt das aktuell allerdings für einen Marktwert, der Werder bei einem Wechsel als Ablöse nicht reichen dürfte: 8,04 Millionen Euro.
„Wir sind ein objektives Bewertungstool ohne Bauchmeinung“, betont Dr. Robert Kohtes, Head of Business Development bei GET Capital. Das Unternehmen aus Mönchengladbach verwaltet mithilfe von Künstlicher Intelligenz Gelder für institutionelle Anleger wie zum Beispiel Pensionskassen und hat diese Erfahrung auf den Sport übertragen. Geholfen hat dabei ein mehrjähriges Projekt mit dem FC Sevilla. Beim Europa-League-Sieger wurde eine umfangreiche KI-Scoutingplattform entwickelt, wobei die Marktwertberechnung lediglich einen Baustein darstellte. Doch das Thema fanden die Verantwortlichen so spannend, dass daraus gemeinsam mit Michael Proch (früher transfermarkt.de) die gool GmbH entstand – mit Marktwerten von über 90.000 Spielern in 70 Ligen.
Bis zu 300 Datenpunkte pro Spieler werden dabei genutzt und positionsabhängig bewertet. Dazu gehört auch ein Vergleich mit anderen Spielern – und das global. „Wir können genau sagen, welche Leistungsdaten welchen Beitrag zum Marktwert leisten“, sagt Proch.
Im Fall Füllkrug gelten dessen Spielzeit, Tore und Torversuche als große Marktwerttreiber, genauso wie zum Beispiel seine Physis, seine geringe Anzahl an Fehlern und seine Defensivaktionen. Die Analyse ist extrem detailliert und sorgt bei Füllkrug dafür, dass eine schwächere Passquote dessen Marktwert senkt. Genauso wie das Alter des inzwischen 30-Jährigen. Alle Berechnungen sind dynamisch und werden wöchentlich aktualisiert. Unterm Strich stehen bei Füllkrug nun 8,04 Millionen Euro, das ist auch sein bisheriger Höchstwert bei „gool.ai“, das sechs Jahre zurückblickt.
Trotz dieses Rekords ist die Zahl weit weg von der Einschätzung bei „transfermarkt.de“. Dort wird Füllkrug mit 13 Millionen Euro bewertet, vorgeschlagen von der Community, letztlich festgelegt von der Redaktion. Bei der Berechnung sind unter anderem sportliche Leistungen und das Alter des Spielers relevant. Außerdem fließen die Zukunftsperspektive, die real existierende Nachfrage am Transfermarkt und bisher gezahlte Ablösesummen in die Kalkulation ein. Die beiden letztgenannten Parameter werden in den Modellen von „gool.ai“ übrigens nicht abgebildet.
Bei der Betrachtung des kompletten Werder-Kaders fällt auf, dass der Unterschied zwischen „gool.ai“ (72 Millionen Euro) und „transfermarkt.de“ (79 Millionen Euro) nicht mehr ganz so groß ist. Und ein Marco Friedl wird von der Künstlichen Intelligenz mit 7,49 Millionen Euro höher eingeschätzt als von den Fans (6,5 Millionen Euro). Gleiches gilt auch für Milos Veljkovic (5,95 zu 5,0), Jens Stage (4,98 zu 3,5) oder Romano Schmid (4,72 zu 4,5). Umgekehrt ist es aber nicht nur bei Füllkrug, sondern zum Beispiel auch bei Amos Pieper (6,0 zu 3,55), Mitchell Weiser (5,5 zu 3,82) oder Lee Buchanan (3,5 zu 2,21).
Wie sich Niclas Füllkrugs Marktwert bei einem Wechsel entwickeln könnte
Die neue Plattform „gool.ai“ bietet noch zwei interessante Schmankerl. Zum einen den Blick in die Zukunft. So wird bei Füllkrug damit gerechnet, dass dessen Marktwert im nächsten Jahr auf 7,24 Millionen Euro sinkt – ein Jahr darauf sogar auf 4,92 Millionen Euro. Da spielt sicherlich das Alter des Angreifers eine große Rolle. Genauso wie wahrscheinlich bei Buchanan. Dem sagt die KI voraus, dass er in zwölf Monaten 1,74 Millionen Euro mehr wert ist als aktuell – also 3,95.
Und dann ist da noch der theoretische Vereinswechsel: Also wie wäre der Marktwert eines Füllkrugs, wenn er das Trikot des FC Bayern München tragen würde. Und siehe da, dann spuckt die KI eine Summe von 15,83 Millionen Euro aus, bei Manchester City sogar 28,98. Sowohl das als auch der Blick in die Zukunft wirken zunächst nur wie nette Spielereien, können aber gerade für Klubs und Profis durchaus interessant sein. Schon jetzt nutzen Bundesligisten Zahlen von „transfermarkt.de“ für ihre tägliche Arbeit und sogar für ihre Geschäftsberichte.
„Wir wollen den modernen internationalen Fußball mit transparenten, fairen und vergleichbaren Marktwerten revolutionieren, indem wir Spielern, Beratern und Vereinen mithilfe von Big Data und Künstlicher Intelligenz einen objektiven Bewertungsmaßstab bieten“, heißt es bei „gool.ai“. Wie gut die Einschätzung bei Füllkrug ist, könnte sich schon in den nächsten Wochen zeigen. Allerdings nur, wenn der Nationalspieler tatsächlich wechseln sollte. Und dann dürfte auch entscheidend sein, ob mehrere Klubs um dessen Dienste buhlen. Darauf setzt wohl auch Werder und hat seinen Füllkrug-Preis mit mindestens 20 Millionen Euro entsprechend hoch angesetzt.