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Interview Das sagt Justin Njinmah über seinen Aufstieg bei Werder

Im Gespräch mit unserer Deichstube erzählt Werders Justin Njinmah von Erinnerungen an Eimsbüttel, Tanzeinlagen vor dem Spiegel und Mitspieler, die er zu häufig übersieht.
19.01.2024, 17:51 Uhr
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Das sagt Justin Njinmah über seinen Aufstieg bei Werder
Von Malte Bürger

Auf dem Platz hat Justin Njinmah während der Hinrunde mehrfach für Furore gesorgt, nur gesprochen hat der Stürmer darüber kaum. Bis jetzt. Erstmals seit seiner Rückkehr zum SV Werder Bremen im vergangenen Sommer gibt der 23-Jährige ein ausführliches Interview, im Gespräch mit unserer Deichstube erzählt Njinmah von Erinnerungen an Eimsbüttel, Tanzeinlagen vor dem Spiegel und Mitspieler, die er zu häufig übersieht.

Wie gern wären Sie jetzt gerade eigentlich in der Elfenbeinküste?

Wieso das?

Dort steigt aktuell der Afrika-Cup, auch Nigeria ist selbstverständlich dabei. Sie besitzen neben der deutschen auch die dortige Staatsbürgerschaft. Wie groß ist der Traum, eines Tages für Nigeria zu spielen?

Der Traum, irgendwann Nationalspieler zu werden, ist wie bei jedem Fußballer sehr groß. Ich hätte ja sogar die Möglichkeit für Nigeria oder Deutschland zu spielen, aber ich sehe natürlich auch, dass beide absolute Spitzenklasse im Kader haben. Um dorthin zu kommen, liegt noch jede Menge Arbeit vor mir.  

Wie eng ist Ihre Verbindung nach Nigeria?

Die Hälfte meiner Familie lebt dort. Deshalb habe ich stetigen Kontakt. Ich war noch nicht oft dort, insgesamt dreimal, aber ich plane, im Sommer mal wieder dorthin zu fahren.

Sind Sie dort dann der „Deutsche“, wie man so oft hört?

(lacht) Ja, klar. Ich bin komplett der Deutsche, alle schauen mich an. Ich bin deutlich heller als alle, die dort aufgewachsen sind. Das ist schon ein krasser Kontrast.

Wie schwierig ist es, dass Sie für einige Menschen aber auch hier vielleicht nicht „der Deutsche“ sind?

Ich bin in Hamburg geboren und spiele in Bremen, mehr Nordlicht geht kaum (lacht). Ich habe damit kein Problem und fühle mich überall wohl.

Wie sehr hat sich Ihr Leben in den vergangenen Monaten verändert?

Mein privates Leben hat sich nicht wirklich verändert, ich mache noch immer genau das Gleiche wie vorher. Aber natürlich merke ich, dass ich öfter erkannt werde und der Name häufiger im Internet steht – negativ wie positiv.

Gefällt Ihnen dieser Ruhm?

Es ist genau das, was ich als kleines Kind immer wollte. Ich wollte Fußball-Profi werden. Dass es sich jetzt langsam dahin entwickelt, dass ich ein echter Bundesligaspieler bin, genieße ich natürlich.

Was erdet Sie? Oder darf ruhig ein wenig abgehoben werden?

Ich glaube schon, dass man seine Erfolge feiern darf, aber ich habe eine ganz entspannte Familie, die mich auf dem Boden hält.

Welchen Luxus gönnen Sie sich trotzdem, der früher einfach nicht drin war?

Nichts Besonderes. Ich freue mich darüber, dass ich in einer schönen Wohnung lebe oder einfach mal zu Media Markt gehen und mir die neuesten Kopfhörer kaufen kann.

Das klingt sehr bescheiden…

So bin ich. Mein Auto ist jetzt auch nicht super teuer.

Es gibt da aus dem vergangenen Frühjahr dieses schöne Zitat von Ole Werner: „Wenn man sich überlegt, dass der Junge vor vier, fünf Jahren irgendwo in Eimsbüttel über die Wiese gelaufen ist, da war nicht davon auszugehen, dass er jetzt 3. Liga spielt.“ Inzwischen spielen Sie sogar in der 1. Liga. Wie oft denken Sie noch an die Wiese Ihres Jugendvereins zurück?

Tatsächlich sehr oft, immer wenn ich in Hamburg bin. Das ist direkt bei mir zu Hause. Und dann sehe ich die Jungs da spielen und denke: ,Krass, vor ein paar Jahren hast du hier auch noch gezockt, aber jetzt hängt hier am Platz dein Trikot und alle kennen dich.‘ Das ist schon geil.

Was ist in diesen „paar Jahren“ passiert?

Es ist gar nicht viel passiert. Ich war einfach zu den richtigen Zeitpunkten an den richtigen Orten. Ich hatte das Glück, dass ich – egal von welchem Verein – nie verpflichtet wurde, um Stammspieler zu sein. Ich musste mich immer erst hineinkämpfen und Gas geben. Das war enorm wichtig für meinen Weg.  

Wohin führt dieser Weg noch?

Ich habe jetzt sechs, sieben Monate Bundesliga gespielt und merke, dass ich mithalten und Spiele entscheiden kann. Aber es gehört auch Konstanz dazu. Ich bin aber überzeugt davon, dass ich noch besser werden kann.

Sie kommen nach 15 Einsätzen auf drei Tore und zwei Vorlagen. Ist Ihnen bewusst, dass eine solche Bilanz für einen Neuling nicht selbstverständlich ist?

Ja, das ist mir bewusst. Ich sehe es aber natürlich aus meiner ganz eigenen Perspektive, weil ich ja derjenige bin, der jeden Tag im Training arbeitet und sich alles erkämpft. Diese Einsätze wurden mir nicht geschenkt, am ersten Spieltag war ich nicht einmal im Kader. Ich habe seither viel investiert.

War es einfach für Sie, ruhig zu bleiben, als es anfangs nicht so lief?

Nein, das war gar nicht einfach. Wenn du nach einer kompletten Vorbereitung beim ersten Saisonspiel nicht im Kader stehst, denkst du schon, dass du vielleicht nicht gut genug für die Bundesliga bist. Ich habe ich mich schon gefragt, ob es eine falsche Entscheidung war, zu Werder zurückzukommen. Aber es war niemals eine Option, da direkt aufzugeben und wieder den Abflug zu machen.

Was hat Ihnen geholfen?

Man muss an sich glauben und braucht auch Freunde, die dir den Weg schon vorgelebt haben. Für mich ist das Deniz Undav (Profi des VfB Stuttgart, Anm. d. Red.). Mit ihm habe ich sehr viel geschnackt und er hat mir gesagt, dass es bei ihm am Anfang in der Premier League bei Brighton auch überhaupt nicht lief. An ihm konnte ich mir ein Beispiel nehmen, weil er es letztlich doch gepackt hat, sich als Stammspieler bei einem Verein zu etablieren.

Wie war dann der erlösende Moment, als es bei Ihrem Debüt am dritten Spieltag gegen Mainz direkt auch mit dem ersten Tor geklappt hat?

Es war verrückt, das kann man sich gar nicht vorstellen. Alles ging Schlag auf Schlag. Erst hat sich Duckschi (Marvin Ducksch, Anm. d. Redaktion) in der ersten Halbzeit verletzt, dann hat Dawid Kownacki später Krämpfe bekommen. Und dann wurde Ole Werner irgendwie zu seinem Glück gezwungen. (lacht)

Also war es Schicksal?

(schmunzelt) Keine Ahnung. Ich glaube, dass es so passieren sollte. Meine Oma war auch noch im Stadion, sie hatte Geburtstag. Und ich treffe das erste Mal in der Bundesliga vor so vielen Fans. Das war einfach verrückt.

Ist das auch der Moment, der beim Rückblick auf die Hinrunde als Erstes vor Ihrem geistigen Auge auftaucht?

Für mich ist der Treffer gegen Leipzig ganz klar das Highlight. Da habe ich gemerkt, dass ich auch gegen solche Mannschaften bestehen und Tore erzielen kann. Das sind Dinge, die konnte ich mir vor einem Jahr noch nicht vorstellen. In der 3. Liga spielt man – bei allem Respekt – gegen kleinere Vereine. Da denkst du nicht, dass du ein Jahr später ein Tor gegen Leipzig machst und jetzt am Wochenende gegen die Bayern spielst. An dieses Spiel gegen Leipzig werde ich noch lange zurückdenken, auch weil das ganze Stadion gebebt hat.

Wie sehr nervt es eigentlich, dass alle immer sagen: ,Der ist nur schnell‘?

Das will ich schon gar nicht mehr hören.

Aber es gehört auch zu Ihnen?

Ja, das gehört dazu – gerade wenn man am Anfang häufiger von der Bank kommt. Aber als Spieler hörst du das natürlich nicht gern, weil du überzeugt bist, dass du mehr kannst. Es reicht nicht, nur schnell zu sein, um in der Bundesliga spielen zu können.

Nach Ihren Toren gibt es immer eine kleine Tanzeinlage. Wie ist die Idee dazu entstanden?

Vor dem Spiegel. (grinst)

Tatsächlich?

In Dortmund war das damals. Ich habe da mit ein paar Freunden herumgealbert und irgendwann kam es dann zu dem Jubel. Und dann haben wir gesagt, dass ich den ab jetzt mache.

Manchmal gibt es aber auch andere Bilder. Zuletzt in Bochum haben Sie sich kurz nach dem Pausenpfiff noch auf dem Platz mit Marvin Ducksch ein ausführliches Wortgefecht geliefert. Worum ging es?

Wir sind beide sehr ehrgeizige Spieler. Und manchmal sehen wir gewisse Situationen einfach unterschiedlich. Das ist ganz normal. Wichtig ist am Ende, dass wir uns auf dem Platz verstehen, denn zuletzt haben wir ja öfter zusammengespielt. Er kann von mir profitieren und ich von ihm.

Ihr Spiel zeichnet sich auch durch eine gewisse Unbekümmertheit aus. Wie schwierig ist es, diese zu bewahren, wenn der Druck auf diesem fußballerischen Niveau tagtäglich vorhanden ist?

Es ist schon schwer. Ich muss ehrlich sagen, dass ich auch noch nicht richtig aus mir herauskommen kann. Es hat ab und zu gut geklappt, aber ich habe das Gefühl, dass da immer noch eine klitzekleine Blockade ist und ich noch viel mehr kann. Vielleicht habe ich da noch zu viele Gedanken im Kopf.

Was geht denn noch mehr?

Ich hatte im letzten Spiel gegen Bochum zum Beispiel sehr wenige Aktionen. Normalerweise bin ich aber ein Spieler, der sich selbst die Bälle holt und ins Eins-gegen-Eins geht. In die Situationen komme ich aktuell aber irgendwie noch nicht. Das sind Dinge, an denen ich arbeiten muss und will. Solange ich aber meine Spielminuten bekomme, bin ich davon überzeugt, dass die Fans noch viel von mir zu sehen bekommen.

Chefcoach Ole Werner hat unter der Woche während einer Übung im Training unüberhörbar von Ihnen gefordert, die richtigen Entscheidungen zu treffen, weil Sie im Überzahlspiel wiederholt den besser postierten Nebenmann übersehen haben. Ist das eine Schwäche von Ihnen?

Ja, das kann man so sagen. Das wurde mir ja auch nicht zum ersten Mal vorgehalten.

Weil Sie unbedingt selbst das Tor machen wollen?

Das kann ein Grund sein, denn ich bin nun einmal Außenstürmer und will immer ein Tor erzielen. Manchmal sehe ich den Mitspieler aber auch einfach wirklich nicht. Grundsätzlich ist das Tempo in der Bundesliga beispielsweise im Vergleich mit der 3. Liga deutlich höher, sodass weniger Zeit bleibt, eine Entscheidung zu treffen. Und ich lerne ja auch ständig dazu. Ich muss einfach in Zukunft daran arbeiten, ein noch besseres Auge für die Mitspieler zu haben, um die richtige Entscheidung zu treffen.

Romano Schmid hat sich kürzlich bei uns Interview als großer Fan von Ihnen geoutet und gesagt, dass er gern viel öfter mit Ihnen zusammenspielen würde, weil Ihre Spielweise so gut zu seiner passe. Was bedeutet Ihnen solch ein Lob?

Ich kann dieses Lob nur zurückgeben. Romano und ich reden quasi jeden Tag darüber, dass wir unbedingt öfter zusammen spielen wollen, da wir uns auf dem Platz sehr gut verstehen. Bislang hat es noch nicht so oft geklappt, aber das kann ja noch kommen.

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