Immer wieder ging der Blick auf Ole Werners Hände. Nein, auch nach diesem unfassbaren 3:2-Spektakel bei Borussia Dortmund hatte sich die Hautfarbe an den Fingern nicht verändert. Dabei hätte es wahrlich nicht verwundert, wenn der Cheftrainer des SV Werder dort ein wenig mehr geglänzt hätte als bisher. Denn das Händchen, das der 34-Jährige bei diesem Auswärtsspiel bewies, war mehr als nur golden. Es hatte historischen Wert und mündete in eine ganz banale Zahlenkombination, auf die sich der ganze Bremer Wahnsinn herunterbrechen ließ: 3-3-6. Denn die Bremer hatten es tatsächlich geschafft, drei Jokertore durch drei unterschiedliche Spieler in nur sechs Minuten zu erzielen. Und wem dieses Ziffernspiel noch immer nicht genügte, der ergänzte es um die Minuten 89 bis 90.+5. Denn was Werder in diesen wenigen Augenblicken anstellte, war nicht nur rekordverdächtig, sondern tatsächlich einzigartig und hatte es so in den Topligen Europas noch nicht gegeben.
Mit der spektakulären Schlussphase hatten die Bremer dem Signal-Iduna-Park den Stecker gezogen. Plötzlich feierte nicht mehr Schwarz-Gelb, sondern nur noch Grün-Weiß. Auch Ole Werner hatte während der späten Treffer von Lee Buchanan (89.), Niklas Schmidt (90.+3) und Oliver Burke (90.+5) seine ganze Freude herausgebrüllt, ein paar Minuten später stand er dann schon wieder ziemlich gefasst vor den Mikrofonen der Journalisten und versuchte zu erklären, was eigentlich nicht zu erklären war. Und wie das nun genau mit seinem goldenen Händchen war. „Das ist einfach cool für die Jungs, die reingekommen sind und gut für uns als Mannschaft, dass wir uns auf sie verlassen können“, meinte Werner. „Vor allem deshalb, weil es für sie ja auch nicht so einfach ist, wenn man mal ein Woche nicht spielt. Und dann erfährst du am Spieltag, dass du wieder nicht von Beginn an spielen kannst.“
Doch wie das so ist im Fußball, manchmal ist dieser unberechenbar. Plötzlich werden aus vermeintlich Benachteiligten echte Gewinner. „Das Schöne am Sport ist, dass sich das manchmal um 180 Grad drehen kann“, erzählte Ole Werner. „Und dann erlebst du einen Tag im Fußball, an den du dich immer erinnern wirst.“ Das wiederum gilt nicht nur für das Späte-Tore-Trio von Dortmund, sondern im Grunde für alle, die live vor Ort oder am Bildschirm ein ganz außergewöhnliches Stück Fußballgeschichte miterlebt hatten. „Am Ende war es ein unglaubliches Comeback von uns“, sagte Oliver Burke, der wie schon gegen den VfB Stuttgart in der Vorwoche in der fünften Minute der Nachspielzeit zugeschlagen hatte. Auch damals als Joker. Aber dieses Mal reichte es für drei Punkte und nicht nur einen Zähler. „Es ist eines der besten Tore, die ich je gemacht habe“, urteilte er. Der schottische Stürmer grinste breit, als er diese Worte sprach. Der ganz normale Werder-Wahnsinn eben.