Der SV Werder hat nach einem kritischen Jahr wieder zu sich selbst gefunden – er blickt aber noch längst nicht in eine sorgenfreie Zukunft. Das sind die Kernbotschaften einer Mitgliederversammlung, die an einem fast schon historischen Tag stattfand: Exakt ein Jahr zuvor war der Verein durch den Impfpass-Skandal von Trainer Markus Anfang im Chaos versunken und taumelte wirtschaftlich schwer angeschlagen durch die untere Tabellenhälfte der zweiten Liga.
Damals hätte man sich kaum vorstellen können, wie der Verein heute dasteht: wieder etabliert in der Bundesliga, mit dem Mittelstürmer Niclas Füllkrug im deutschen WM-Kader und mit einem Gewinn von mehr als sechs Millionen Euro. Offen wie selten sprachen die Werder-Bosse nun über die schlimmste Krise der Vereinsgeschichte. Werder sei „auf der Intensivstation gewesen“, sagte Manager Frank Baumann. Man musste die Zahlungsfähigkeit sichern, erklärte Geschäftsführer Klaus Filbry, nachdem Abstieg und Pandemie ein 80-Millionen-Loch verursachten.
Sie haben die Krise auf Werder-Art gemeistert, nämlich zusammen. In der Tat ist es einzigartig, dass der Abstieg keine personellen Konsequenzen hatte. Werder erneuerte sich aus eigener Kraft und hält auch jetzt den Kurs personeller Konstanz. Präsident Hubertus Hess-Grunewald geht in eine weitere Amtszeit. Durch den Rückzug von Vereins-Vize Jens Höfer verliert der Verein zwar eine Identifikationsfigur, gewinnt aber durch Nachfolgerin Claudia Lasch zeitgemäß mehr Frauenpower.
Das schwierige Jahr nach dem Abstieg zu überstehen, war eine Herkulesaufgabe für die Bereiche Sport und Finanzen des Klubs. Weitere grün-weiße Kraftakte werden noch nötig sein. Um den Klassenerhalt muss Werder in den nächsten Jahren so hart kämpfen wie um möglichst große Transfererlöse, um die angehäuften Millionenschulden aus den Krisenzeiten zu tilgen. Es bleibt ein Drahtseilakt – aber mit erprobten Artisten.