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Hafke beim Fanprojekt entlassen Kündigung nach 30 Jahren

Thomas Hafke war das Gesicht des Fanprojekts Bremen, doch jetzt wurde ihm gekündigt. Es habe internen Streit gegeben, und er habe sich bei einigen Ultras unbeliebt gemacht, sagt Hafke.
14.04.2018, 10:03 Uhr
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Kündigung nach 30 Jahren
Von Christoph Bähr

Viele, viele Jahre lang war es für Thomas Hafke ganz selbstverständlich ins Weserstadion zu gehen. Er hatte seinen Arbeitsplatz im Ostkurvensaal, schaute bei den Werder-Spielen zu. Auf einmal fühlt es sich für ihn jedoch merkwürdig an, den Ort aufzusuchen, der so lange ein Teil seines Lebens war. Zu viele Erinnerungen, die hochkommen. Zu viele Fragen, die ihm gestellt werden. Für den 55-Jährigen ging kürzlich eine Epoche zu Ende. Dem Sozialarbeiter wurde vom Fanprojekt Bremen gekündigt. „Das ist ein bitteres Ende“, sagt Hafke im Gespräch mit MEIN WERDER und streicht mit der Hand nachdenklich durch seinen grauen Vollbart. „Ich kann das nicht nachvollziehen.“

1988 fing der damalige Student der Sozialwissenschaft ehrenamtlich beim Fanprojekt an, 1994 bekam er eine Stelle als hauptamtlicher pädagogischer Mitarbeiter. Seit dem 1. April ist Hafkes Zeit beim Fanprojekt offiziell beendet. Schon seit dem 30. August 2017 war er freigestellt. Vor dem Arbeitsgericht klagte Hafke erfolgreich auf eine Abfindung. Auf sein Drängen hin konnte er zudem sein letztes Projekt über das Leben des jüdischen Werder-Präsidenten Alfred Ries noch abschließen.

Hafke hatte sich über die Jahre immer wieder gegen Antisemitismus, Rechtsradikalismus, Diskriminierung und Gewalt eingesetzt. Er kämpfte etwa in den 90er-Jahren für den Erhalt der Stehplätze im Weserstadion, fuhr mit HSV- und Werder-Fans zur WM 1990 nach Italien und organisierte einen Austausch zwischen Fans aus Bremen und Israel. Die Aktionen erregten oft großes öffentliches Interesse. Für viele war der Mann mit den langen Haaren, die er meist zu einem Zopf zusammenband, daher das Gesicht des Fanprojekts. Warum musste Hafke nun also gehen? Vom Fanprojekt gibt es dazu keine Stellungnahme. „Das ist ein abgeschlossener personalrechtlicher Prozess“, sagt Vorstand Uwe Jahn. „Ich würde niemandem einen Gefallen tun, wenn ich jetzt darüber reden würde.“

Schlägerei im Ostkurvensaal

Hafke dagegen möchte darüber sprechen, auch, weil er immer wieder nach den Gründen für sein Aus gefragt werde. Aus seiner Sicht war der Anfang vom Ende ein Fußballfest. Im September 2013 stieg im Weserstadion die große Abschiedsparty für Torsten Frings. Johan Micoud, Diego oder Ailton – auf dem Platz standen die ganz Großen der Werder-Geschichte. Hafke schaute zu, ging anschließend noch in den Ostkurvensaal.

Dort seien plötzlich rechte und linke Ultras aneinandergeraten, schildert er. Es kam zu einer Massenschlägerei. „Ein Stehtisch ist gegen den Kopf des Rollstuhlfahrers geflogen, mit dem ich dort war“, sagt Hafke und schaut ernst. „Er musste wiederbelebt werden. Das war dramatisch.“ Am folgenden Tag besuchte Hafke den Schwerverletzten, der inzwischen aus dem Koma erwacht war. Anschließend ging Hafke zur Polizei und machte eine Aussage. Bei den meisten Ultras herrsche ein großes Misstrauen gegenüber der Staatsmacht, aber „ich bin Sozialarbeiter, kein Ultra. Ich habe dauernd mit der Polizei zu tun, in Arbeitskreisen oder in Besprechungen“, betont er.

Viel sagen konnte Hafke den Beamten nicht. Die Polizei vermutete daher, dass er etwas verschweigen würde, und leitete ein Verfahren wegen Strafvereitelung ein, das jedoch eingestellt wurde. „Ich habe kaum etwas gesehen, weil ich erst an der Bar stand und mich dann um den Rollstuhlfahrer gekümmert habe“, erklärt Hafke. „Ich konnte keinen der Fans belasten, nur einen herbeigeeilten Ordner, der mit einem Stehtisch um sich geschlagen hat.“

Interner Richtungsstreit

Dennoch sei ihm der Gang zur Polizei von Ultras negativ ausgelegt worden. „Es hieß: Mit dem wollen wir nichts zu tun haben. Der hat mit den Bullen gesprochen“, sagt Hafke. „Das betraf aber nur einen kleinen Teil der Szene. Trotzdem wurde das bei meiner Entlassung als Grund ins Feld geführt.“ Der andere Grund sei das belastete Verhältnis zu den Kollegen beim Fanprojekt gewesen. Hintergrund ist ein interner Richtungsstreit. Das Fanprojekt fungiert als Fürsprecher der Ultras. Hafke aber will auch Ultras kritisieren, wenn sie gewalttätig werden. So sieht er etwa die Verantwortung für die Schlägerei zwischen rechten Hooligans und linken Ultras im Dezember 2017 vor der Gaststätte „Schänke“ im Viertel bei den Ultras. „Die haben die Kneipe angegriffen, ohne an die anderen Gäste zu denken. Das geht nicht!“

Man müsse gegen jede Form von Gewalt vorgehen, ist Hafke überzeugt. Das sei mitunter unbequem, „aber es macht die demokratische Gesellschaft aus, dass man diskutiert ohne Gewalt.“ Hafke wurde schon von Hooligans bedroht, einmal sogar ins Gesicht geschlagen. Nachdem rechte Schläger im Jahr 2007 eine Feier linker Ultras im Ostkurvensaal überfallen hatten, hatte er sich dafür stark gemacht, dass die Opfer aussagen und dass Hausverbote gegen die Täter ausgesprochen werden.

Für die Ultra-Bewegung habe er sich von Anfang an eingesetzt, unterstreicht Hafke. „Ich hatte die Hoffnung, dass der gegenseitige Hass dadurch abnimmt. Zuerst gab es einen regen Austausch zwischen Ultras der verschiedenen Vereine, doch inzwischen hat sich das leider geändert. Der Alltag ist eingekehrt, und man steht sich wieder gegenüber.“

Hafke klingt desillusioniert, wenn er solche Sätze sagt, dabei ist er immer noch voller Tatendrang. Auch nach der Kündigung durch das Fanprojekt würde er gerne weiterhin mit Fußballfans arbeiten. Er hat zudem mehrere Ideen für Projekte gegen Antisemitismus. Erst einmal muss er sich jetzt aber um einen neuen Job kümmern. Und Hafke will in dieser Saison unbedingt noch ein Werder-Heimspiel besuchen. Trotz der merkwürdigen Gefühle, die ihn dabei überkommen dürften.

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