Nach zehn Jahren beim SV Werder war im vergangenen Sommer Schluss: Manuel Mbom wechselte zum dänischen Erstligisten Viborg FF, weil er in Bremen nicht mehr eingeplant war. Wie er damit umgegangen ist, über welches Thema er mit jedem Trainer bei Werder unter vier Augen gesprochen hat und warum man die dänische Liga nicht unterschätzen sollte, hat der 24-Jährige im Gespräch mit unserer Deichstube erzählt.
Herr Mbom, seit acht Monaten leben Sie nun in Dänemark – wie steht es um Ihre Sprachkenntnisse? Können Sie schon dänisch?
Es geht. Ein paar Ausdrücke schnappt man natürlich auf, und gewisse Kommandos auf dem Fußballplatz sitzen auch schon ganz gut. Das ging relativ schnell.
Welches Wort ist auf dem Platz besonders wichtig?
(überlegt) Auf jeden Fall „Rolige“, das heißt Ruhe. Damit der Mitspieler weiß, dass er Zeit hat. Vieles läuft hier aber auch auf Englisch. Damit kommt man in Dänemark sehr gut zurecht.
Sie sind im Sommer von Werder zu Viborg FF gewechselt, nach zehn Jahren in Bremen. Dabei hatten Sie noch einen langfristig gültigen Vertrag. Warum wollten Sie weg?
Werder ist mein Kindheitsverein, ich habe immer alles für den Verein gegeben. Ich habe als Jugendlicher im Internat im Weserstadion gewohnt. Später dort für Werder zu spielen, habe ich als riesige Ehre empfunden. Aber die Betonung liegt eben auf spielen. Nur Ersatzspieler oder gar nicht mehr im Kader zu sein, war hart für mich. Ich bin professionell damit umgegangen, aber für einen jungen Spieler ist es wichtig, Spielzeit zu sammeln, und die habe ich bei Werder nicht mehr aufgezeigt bekommen. Deshalb wollte ich weg.
Sie haben in der Saison 2022/2023 nur zwei Bundesliga-Spiele bestritten, auch, weil Sie erst mit einem Achillessehnenriss und danach mit Wadenproblemen ausgefallen sind. Haben die Verletzungen Sie um eine Zukunft bei Werder gebracht?
Die Kommunikation mit Werder war immer offen. Meiner Meinung nach war ich nach anfänglichen Muskelproblemen, was nach einer so langen Verletzung wie einem Achillessehnenriss normal ist, wieder topfit. Ich habe mich sehr gut gefühlt. Man hat mir aber gesagt, dass man nicht mehr mit mir plant. Werder hat mit offenen Karten gespielt, und ich konnte mich nach einer Alternative umsehen.
Sie sind 2013 im Alter von 13 Jahren aus Göttingen ins Werder-Internat gewechselt. Wie weh tat es, den Verein nach so langer Zeit verlassen zu müssen?
Ich habe während meiner langen Verletzung viel gelernt über das Fußballgeschäft und mich selbst. Dadurch konnte ich auch mit so einer Situation umgehen. Ich habe es nicht persönlich genommen, auch wenn ich mir natürlich gewünscht hätte, dass man mir eine Chance gibt. Es war nicht einfach. Das Selbstvertrauen, dass ich mich woanders durchsetzen werde, hatte ich aber immer.
Trotz laufenden Vertrags hat Werder Sie ablösefrei ziehen lassen. . .
Ja, es lief alles in guter Absprache. Meinen Wunsch zu spielen, habe ich klar hinterlegt, und Werder hat das respektiert. Wenn mit einem Spieler nicht mehr geplant wird, ist es in meinen Augen auch nur fair, wenn man ihm keine Steine in den Weg legt.
Wieso ist Ihre Wahl auf Dänemark und speziell auf Viborg FF gefallen?
Das Ausland war für mich schon immer sehr attraktiv. Mein großer Traum ist es, eines Tages mal in England zu spielen. Ich finde, dass auch die dänische Liga sehr gut zu mir passt. Der Fußball hier ist sehr intensiv, es gibt Teams, die in der Champions League dabei sind, und in einer ersten Liga in Europa zu spielen, ist nochmal etwas anderes als in der 2. Bundesliga aufzulaufen. Zudem haben mir Viborgs Verantwortliche klar gesagt, dass sie mich im Mittelfeld einsetzen wollen, was mein Wunsch war, weil ich über die Jahre bei Werder auf die Rechtsverteidigerposition abgedriftet bin. Dort bleiben wollte ich nicht. Jetzt spiele ich meistens den klassischen Sechser.
Der Wechsel auf die rechte Defensivseite hat Ihnen in Bremen Spielzeit beschert, die Sie im Mittelfeld nicht bekommen hätten – richtig glücklich waren Sie auf der Position aber nie. Wie intensiv haben Sie bei Werder für eine Rückkehr in die Zentrale geworben?
Ich habe jedem Trainer, den ich bei Werder erlebt habe, im Einzelgespräch gesagt, dass ich kein Rechtsverteidiger bin und ich gerne die Chance bekommen möchte, mich im Mittelfeld zu zeigen. Unter Markus Anfang bin ich dann tatsächlich ins Zentrum gerückt, habe gegen St. Pauli ein gutes Spiel gemacht. Danach war ich drin. Dann kam aber der Impfpass-Skandal (in dessen Folge Anfang gehen musste, Anm. d. Red.) und dadurch ein neuer Trainer.
Wie war Ihr Verhältnis zu Anfangs-Nachfolger Ole Werner, mit dem Sie am Ende den Bundesliga-Aufstieg gefeiert haben?
Professionell und gut. Ich konnte immer in sein Büro kommen, wenn irgendetwas war. Ich hätte aber gerne mehr Spielzeit bekommen. Am Ende kam es dann zum Wechsel.
Sie haben für Viborg 15 von 17 möglichen Ligaspielen bestritten, nachdem Sie im August zum Team gestoßen sind. Wie bewerten Sie ihre Rolle?
Das ist schwer, selbst zu beurteilen. Ich fühle mich im Verein sehr wohl, hier sind tolle Menschen und Charaktere am Werk. Die Mannschaft ist noch etwas jünger als bei Werder, sodass ich mit meinen 24 Jahren mehr Verantwortung übernehmen kann. Das gefällt mir gut.
Das stellt einen deutlichen Kontrast zu Ihrer Rolle in Bremen da, wo Sie das Talent aus dem eigenen Nachwuchs waren.
Ja, absolut. Ich versuche, den jüngeren Spielern zu helfen und meine Erfahrungen aus Deutschland weiterzugeben.
Derzeit spielen Sie mit Viborg nach der regulären Saison in der sogenannten Abstiegsrunde der Superliga, die unter Umständen aber noch nach Europa führen kann. Was ist möglich für Ihr Team?
Wir wollen Erster der unteren Tabellenhälfte werden. Dann würden wir gegen den Dritten oder Vierten aus der Meisterrunde antreten und um die Teilnahme an der Qualifikation zur Europa League spielen.
Nun zählt Dänemark nicht zu den Topligen Europas. Was entgegnen Sie Leuten, die sagen, dass ein Wechsel aus der Bundesliga ins Nachbarland ein Rückschritt sei?
Wer so etwas denkt, sieht nicht die Möglichkeiten, die es in einer Liga wie der dänischen gibt. Ich hätte auch in die 2. Bundesliga wechseln können, bin aber wie gesagt sehr offen für das Ausland und mag es, aus meiner Komfortzone herauszukommen. In Viborg wird mutiger Fußball gespielt, das war mir wichtig. Ich kann mich hier als Spieler und als Persönlichkeit weiterentwickeln.
Ihr Vertrag läuft bis 2026. Ist es ausgeschlossen, dass Sie in diesem Sommer wieder etwas Neues machen?
Sollte der Verein keine anderen Pläne haben, gehe ich davon aus, dass ich auch in der neuen Saison hier bin und Gas gebe.
Wie sehr verfolgen Sie Werders Auftritte noch?
Ich habe viele Freunde im Verein, deswegen wird ein Auge immer bei Werder sein. Wenn ich Zeit habe, schaue ich die Spiele, ansonsten auf die Ergebnisse.
Mit welchen Bremern haben Sie noch Kontakt?
Mit Dudu (Eduardo Dos Santos Haesler, Anm. d. Red.), Felix Agu und Justin Njinmah habe ich bis jetzt Kontakt und verstehe mich sehr gut.
Ihre ehemaligen Mitspieler Nick Woltemade und Eren Dinkci, die Sie bereits aus der Nachwuchsabteilung kennen, verlassen Werder im Sommer. Damit gehen nach Ihnen zwei weitere Bremer Talente. Wieso verlassen so viele Eigengewächse den Verein?
Das ist immer individuell zu betrachten. Allgemein kann ich sagen, dass es für junge Spieler wichtig ist, viel zu spielen. Das war mein Grund, zu gehen. Für Nick und Eren freut es mich. Es sind zwei Spieler mit sehr viel Potenzial. Die Wechsel sprechen für ihre große Qualität.
Dinkci schließt sich dem SC Freiburg, Woltemade sehr wahrscheinlich dem VfB Stuttgart an. Sehen wir Sie eines Tages auch nochmal in der Bundesliga?
Am Ende geht es immer darum, was das Richtige für meine Karriere ist. Offen bin ich natürlich auch für eine Rückkehr nach Deutschland. Ausgeschlossen ist nichts. Aber auch andere Ligen reizen mich sehr.