Als das Länderspiel gegen Peru längst vorbei war und die Fans die Tore von Niclas Füllkrug beim 2:0-Erfolg der Nationalmannschaft ausgiebig gefeiert hatten, da geriet der Bremer Stürmer kurz vor Mitternacht im Mainzer Stadion in einen weiteren Zweikampf. Doch auch den meisterte er gekonnt. Füllkrug sprach vor der deutschen Sportpresse gerade über die Bedeutung dieses Sieges und betonte ständig ein Wort: Wir. „Wir machen zwei Tore, die sehr verdient waren. Wir haben das erste Länderspiel des Jahres 2023 gewonnen. Wir können zufrieden sein.“ Da wollte ein Reporter Werders Torjäger korrigieren, dessen Trefferquote mit nun fünf Toren in fünf Länderspielen überragend ist. „Du sagst immer wir“, meinte der Reporter, „aber du bist es doch, der diese Tore schießt.“ Füllkrug antwortete im Stile eines Führungsspielers: „Nein, nicht ich. Wir. Wir als Mannschaft schießen die Tore.“
Bei diesem ersten Spiel seit dem WM-Debakel in Katar traf das besonders zu. Die fünf Trainingstage vorher waren intensiv genutzt worden, um ein neues Spielsystem einzustudieren: mit zwei Sturmspitzen wie bei Werder, wo Füllkrug mit seinen 15 Saisontoren als bester Torschütze der Bundesliga glänzt. Im Nationalteam übernahm Leipzigs Timo Werner die Rolle der zweiten Spitze neben Füllkrug, dahinter agierte Kai Havertz als Freigeist mit vielen Ballaktionen – während die Außenbahnspieler David Raum und Debütant Marius Wolf immer wieder Bälle in den gut besetzten Strafraum spielten.
Im „Stile einer echten 9“ habe Füllkrug die beiden Tore erzielt, freute sich Bundestrainer Hansi Flick über den gelungenen Test mit zwei Stürmern, „nach solchen Toren eines echten Mittelstürmers wurde oft gefragt – ich bin sehr zufrieden mit seiner Leistung und mit dem System. Das war sehr erkenntnisreich für uns.“ Rund ein Jahr vor der Europameisterschaft in Deutschland könnte die „Bremer Variante“ mehr sein als nur eine Alternative zum bisherigen System mit einer Spitze – zumal die Spieler das ausdrücklich wollen. „Niclas Füllkrug und Timo Werner fühlen sich beide wohl, wenn sie einen zweiten Stürmer neben sich haben“, betonte Flick, „und wenn man dann sieht, dass bei den Toren alles so umgesetzt wurde, wie wir es trainiert haben, dann geht unserem Trainerteam natürlich das Herz auf.“
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Kuriose Füllkrug-Szene vor dem Elfmeter
Das galt schon für das erste Tor, als Havertz im Strafraum ein Auge für Füllkrug hatte (12. Minute). Vor allem aber galt es für den zweiten Treffer, als Wolf den Ball von der rechten Seite in den Strafraum passte und Füllkrug vollstreckte (33.). „Der gesamte Spielzug zeigt so ein bisschen das, was wir einstudiert haben und was uns wichtig war in diesem System“, erklärte Füllkrug, „über diesen Ball haben wir vor dem Spiel gesprochen, den spielt Marius perfekt vorne rein – und ich habe das perfekte Timing erwischt, direkt auf der Abseitslinie. Ein schönes Tor, wie ich finde, von unserer Mannschaft.“

Der Bundestrainer war zufrieden mit seinem Torjäger: Hansi Flick bedankt sich bei Niclas Füllkrug.
Es wären noch mehr Tore möglich gewesen, vor allem in der besseren ersten Halbzeit. Aber auch nach dem Seitenwechsel und der nun etwas defensiveren Spielweise. Zumal Havertz in der 68. Minute einen Elfmeter an den Pfosten schoss – eine Szene mit kurioser Vorgeschichte. Schiedsrichterin Maria Caputi aus Italien brauchte nach einem Foul an Nico Schlotterbeck eine Weile, um per Videobeweis auf Strafstoß zu entscheiden. Der Spielball lag in dieser Zeit vor Torhüter Marc-André ter Stegen. Füllkrug organisierte sich an der Seitenlinie einen zweiten Ball und marschierte bereits in Richtung Elfmeterpunkt, ehe die Schiedsrichterin mit dem Sichten der Bilder fertig war. Als der Pfiff kam, verzichtete Füllkrug aber auf seine Chance zu einem dritten Tor: „Ich hatte den Ball nur geholt, um ihn Kai zu geben. Er war als erster Schütze vorgesehen.“
Werders Stürmer konnte auch ohne drittes Tor zufrieden sein. Zum ersten Mal stand er für Deutschland in der Startelf und bei der Nationalhymne auf dem Feld. Und er schoss vor 6,75 Millionen Fernsehzuschauern seinen ersten Doppelpack fürs deutsche Team. Schon rund um die WM war sein Trikot das meistgekaufte der Nationalmannschaft, jetzt schoss er sich noch mehr in die Herzen der Fans und macht sich bei Flick unverzichtbar. Auf der Suche nach einer stabilen Achse für die Europameisterschaft gilt Füllkrug nun als Fixpunkt im Sturm. Kapitän Joshua Kimmich lobte: „Es hat uns gutgetan, wie wir immer den Strafraum besetzt hatten.“
Auf der Tribüne hing ein Banner: „Leidenschaft, Mut und Wille sind unsere Tugend!“ Das war wie gemacht für Füllkrug, der erneut einen selbstbewussten Tag im Nationalteam erlebte. Aus gutem Grund, wie er findet: „Wenn man viel arbeitet, dann kann man ein gerechtfertigtes Selbstvertrauen haben. Das habe ich im Moment – und das ist schön.“