Gewinnen. Irgendwie gewinnen. Egal wie. Für Pokalspiele gilt es sowieso, für Werder in seiner besonderen Situation galt es am Dienstagabend erst recht. Eine taumelnde Mannschaft, Letzter der Tabelle, Schießbude der Liga und seit Wochen so schwach, dass der Trainer getauscht werden musste: Sie brauchte ein gutes Ergebnis. Dringendst.
Und deswegen war es ein sehr sehr wichtiges Tor, das gestern nach einer guten halben Stunde in Chemnitz fiel. Es leitete den Sieg ein, es entmüllte die Spieler-Köpfe, der Erfolg brachte dem klammen Verein eine Einnahme von 527.000 Euro.
Franco Di Santo, dessen blutende Wunde am Kopf gerade getackert worden war, und dessen Kopf nun mit einem Turban umwickelt war, spielte Mit-Stürmer Izet Hajrovic an. Hajrovic narrte zwei Chemnitzer Verteidiger und setzte mit einem klugen Pass Fin Bartels in Szene. Bartels war genau zur richtigen Stelle gelaufen, er lupfte ebenso klug den Ball über Torwart Philipp Pentke hinweg zum 1:0 ins Tor.
Das war ein feiner Spielzug, und in diesem Moment war es auch vergessen, dass es bis dato der einzige feine Spielzug war, den Favorit und Erstligist Werder gegen den Drittligisten Chemnitz zustande gebracht hatte. Bis dahin sah es eher nach der Fortsetzung der bösen Serie unter Trainer Robin Dutt aus. Beinahe hätte auch das Trainer-Debüt von Viktor Skrinik mit einer höchst ungenügenden Abwehrleistung begonnen. Niemand kümmerte sich um den Chemnitzer Angreifer Ofosu im Bremer Strafraum, niemand hatte zuvor Passgeber Kehl-Gomez daran gehindert zu passen. Zum großen Glück für Werder traf Ofosu nicht richtig.
Seine Chance in der vierten Minute blieb bis zu Werders Führung, der schon bald das 2:0 folgte (48./Di Santo), noch nicht mal die größte Chance des Gastgebers. Kurz vor Bartels’ Treffer hatte Anton Fink aus 20 Metern den Ball an den Pfosten gedonnert. Wieder war ein halbherziges Bremer Abwehrverhalten vorausgegangen.
Das Glück brauchte Werder dann aber nicht mehr. Das 1:0 ließ die Spieler endlich so auftreten, wie Skripnik es ihnen versucht hatte einzureden. Sie sollten sich doch bitteschön bewusst machen, dass sie der Bundesligist und klare Favorit seien, bei allem Respekt vor dem tapferen Gegner. Werders 2:0 ging ganz leicht. Clemens Fritz war unverhofft der Ball vor die Füße gefallen, Chemnitz-Torwart Pentke hatte sich einen groben Fehler geleistet und Fritz unfreiwillig bedient. Schon kurz zuvor hatte Pentke einen Hajrovic-Freistoß durch die Finger gleiten lassen, Verteidiger Endres konnte den Ball noch so eben von der Linie dreschen. Der Bremer Kapitän legte jetzt nach Pentkes nächstem Patzer direkt für den Turban-Stürmer Di Santo auf. Di Santos straffer Schuss sorgte für klare Verhältnisse.
Fritz war nicht von ungefähr ein Vorbereiter. Er spielte im Mittelfeld. Skripnik hatte ordentlich umgebaut, als seine Elf zum Pokalspiel auf der Stadionbaustelle in Chemnitz antrat. In der Abwehr spielten Galvez und rechts Gebre Selassie, im Mittelfeld Kroos als Sechser, Fritz und Bartels auf der Halbposition. Zlatko Junuzovic musste wegen Knieschmerzen passen. Levent Aycicek sollte Spielmacher sein. Er konnte dem Spiel nur wenig Input schenken – er hatte allerdings in den letzten Monaten auch nur vierte Liga mit der U-23-Mannschaft gespielt und nicht als zentrale Figur bei den Profis. Zehn Minuten vor dem Ende tauschte ihn Skripnik gegen Ludovic Obraniak aus.
Spätestens bei dieser Einwechslung musste auch dem Letzten wieder eingefallen sein, dass bei Werder Bremen ein neuer Trainer an der Seitenlinie steht. Obraniak war von Robin Dutt längere Zeit nicht mehr berücksichtigt worden. Genauer: Seit dem 12. April hatte der polnische Nationalspieler in Pflichtspielen keine einzige Einsatzminute bekommen. Es wird viele gegeben haben, die am Dienstag mit einem ganz anderen Gefühl vom Platz gegangen sind als noch wenige Tage zuvor. Am Freitag wurde ordentlich gepfiffen, Dienstag wurde ordentlich durchgeatmet.
„Es war egal, wie. Hauptsache wir haben gewonnen“, sagte Clemens Fritz zu den Reportern, „es tut gut, das könnt ihr mir glauben.“ Sebastian Prödl sagte: „Das war Balsam auf die Werder-Seele.“ Er hoffe, dass der Sieg „uns Rückenwind gibt“. Bereits am Sonnabend muss Werder beim FSV Mainz bestehen. Viktor Skripnik sagte in der Pressekonferenz noch den Haupt-Satz des Tages. Er sagte: „Sieg ist Sieg.“
Spielstatistik: Chemnitzer FC - Werder Bremen 0:2
Chemnitz: Pentke - Conrad, Endres, Röseler, Poggenberg - Stenzel, Danneberg (62. Glasner) - Ofosu (77. Cincotta), Kehl-Gomez, Türpitz (86. Hansch) - Fink
Werder: Wolf - Gebre Selassie, Prödl, Galvez, Garcia - Kroos, Fritz, Bartels, Aycicek (81. Obraniak) - Hajrovic (70. Selke), di Santo (86. Petersen)
Tore: 0:1 Bartels (31.), 0:2 di Santo (49.)
Gelbe Karten: Fink, Kehl-Gomez / Fritz
Schiedsrichter: Markus Schmidt
Zuschauer: 10.000