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Die Bundesliga-Kolumne Ritt auf der Rasierklinge

In seiner Bundesligakolumne erklärt Jörg Wontorra, warum die sportlich Verantwortlichen bei Werder schnelle Lehren aus der jüngeren Vergangenheit ziehen und jegliche Art von Experimenten einstellen müssen.
24.02.2017, 00:00 Uhr
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Von Jörg Wontorra

In seiner Bundesligakolumne erklärt Jörg Wontorra, warum die sportlich Verantwortlichen bei Werder schnelle Lehren aus der jüngeren Vergangenheit ziehen und jegliche Art von Experimenten einstellen müssen.

In seiner Funktion als Personalchef hat Frank Baumann seit dem Sieg in Mainz eine Baustelle weniger, denn die Trainerdiskussion ist vorerst beendet. Alexander Nouri darf es weiter richten, und das ist um der lieben Ruhe willen wohl auch derzeit gut so. Was aber, wenn der geneigte Übungsleiter gegen Wolfsburg und Darmstadt die falschen Ergebnisse abliefert? Klarer Fall: Die Debatte um den Trainer würde sofort wieder Fahrt aufnehmen, und – blöder Nebeneffekt: Dem Verein gehen dann auch noch so langsam die Spiele aus. So gesehen vollführt Werders Sportdirektor derzeit einen Ritt auf der Rasierklinge.

Seite an Seite mit Nouri bis zum Klassenerhalt. Das wäre Baumanns Lieblingsplan. Funktionieren kann das aber nur, wenn die sportlich Verantwortlichen schnelle Lehren aus der jüngeren Vergangenheit ziehen und jegliche Art von Experimenten einstellen. Denn genau solche unkonventionellen Ideen des Trainerstabes haben den Pannenstart direkt nach der Winterpause mitbewirkt.

Gegen Augsburg war es der Versuch mit Ulisses Garcia in der Innenverteidigung, der fehlschlug. Etwas eigenwillig dann auch die Entscheidung, Serge Gnabry über diverse Spiele in die zentrale Mittelfeldposition zu hieven – dort, wo vom Gegner jede Defensivschwäche sofort geahndet wird und wo Werders bestem Schützen zudem die Torgefährlichkeit genommen wurde. Oder die zwischenzeitliche Degradierung von Clemens Fritz. Jedermann in Bremen weiß, dass der Kapitän im Abstiegskampf beißt wie kaum ein anderer und die Mannschaft mitzieht. Das aber geht relativ schlecht auf der Reservebank. Und schließlich das System: Mal sollte es die Dreierkette bringen, mal die Viererkette. Zur Stabilität der Defensive haben die stetigen Umstellungen nicht beigetragen.

Alexander Nouri hat also Entscheidungen getroffen, die sich manchem Beobachter nicht erschlossen haben. Vielleicht waren sie auch seiner fehlenden Erfahrung im Profibereich geschuldet. Aber Nouri scheint auch einer zu sein, der zurückrudert und die Korrekturtaste drückt. Einer, der sich hinterfragt und der nicht nur stur seinen Weg geht. Der Sieg in Mainz erzählt diese Geschichte sehr deutlich: Dort hat Werder gespielt, was Werder kann, und dort haben diejenigen gespielt, die Werder wirklich helfen können.

Genauso darf es in Wolfsburg weiter zelebriert werden. Gerade bei der akuten Personalnot im Mittelfeld kann die Spielphilosophie vom letzten Sieg auch wieder greifen. Also: Safety first, hinten dicht mit einer gut sortierten Viererkette, und davor zwei Sechser, die einfach nur wegräumen. Soll heißen: Ein Santiago Garcia mit seinen Defensivproblemen dürfte bei den schnellen Außen der Gegnerschaft keine Option sein. Und vor der Viererkette, dort, wo Fritz und Delaney ausfallen, kann nun die junge Garde vorspielen. Eggestein und Veljkovic, zwar gerade erst dem Teenie-Alter entwachsen, aber mit Potenzial ausgestattet, das für ein Leben in der Bundesliga reicht. Sie müssen es nur abrufen.

Wolfsburg ist diese berüchtigte „Sechs-Punkte-Partie“. Bei einer Niederlage entfernt sich der VfL in Richtung Mittelfeld, und es bleibt nur noch der HSV in Reichweite für Werder. Die Not wäre akut, und Baumann müsste sich dann doch die immer wiederkehrenden Fragen zum Trainer anhören. Verhindern kann ein solches Szenario nur die Mannschaft. Nur sie kann Baumanns Lieblingsidee befeuern, mit Nouri durch die Saison zu gehen. Ob er danach dann auch mit ihm verlängert, steht auf einem anderen Blatt Papier.

Zur Person

Jörg Wontorra (68) war Sportchef bei Radio Bremen, Aufsichtsrat bei Werder und mehr als zehn Jahre Moderator des Fußball-Talks „Doppelpass“. Im wöchentlichen Wechsel mit Lou Richter, Arnd Zeigler und Manfred Breuckmann schreibt Wontorra in unserer Zeitung, was ihm im Bundesliga-Geschehen aufgefallen ist.
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