So richtig begonnen hat die neue Saison noch nicht. Doch ein einziger Auftritt des SV Werder Bremen im DFB-Pokal hat genügt, um die Vorfreude auf den Ligastart am kommenden Freitag empfindlich zu trüben. Mehr noch: Es gibt einige atmosphärische Störungen an der Weser. Die Fans sind nach der jüngsten Blamage in Köln mächtig gefrustet, die Spieler ebenso. Es wird geschimpft und kritisiert – sogar öffentlich und nicht mehr nur intern. Werders Außendarstellung bietet dadurch ähnlich viel Angriffsfläche wie die mangelhafte Defensivleistung des Teams. Daraus ergibt sich ein gefährliches Stimmungsbild.
Niklas Stark hätte am liebsten gar nichts gesagt. Doch als der enttäuschte Innenverteidiger am Sonnabend nach dem 2:3 bei Viktoria Köln frisch geduscht von der Kabine in Richtung Bus ging, blieb er dann doch noch kurz bei den wartenden Journalisten stehen. Aber wirklich nur kurz. Kaum zwei Minuten später brach Stark das Gespräch grußlos ab und stiefelte mitten in der Frage eines Medienvertreters davon.
Wesentlich ausgiebiger antwortete bekanntlich Niclas Füllkrug, der die eigenen Kollegen in der Abwehr abwatschte – wofür er einen Tag später von Werders Leiter Profifußball Clemens Fritz öffentlich getadelt wurde. „Natürlich dürfen wir uns vor Kritik nicht verschließen, aber wichtig ist, dass sich dabei keiner rausnimmt", hatte Fritz gegenüber unserer Deichstube erklärt. Eine Wortwahl, die ganz ähnlich schon vor knapp zwei Jahren Teil eines Zwists zwischen den beiden Protagonisten war, der seinerzeit in Darmstadt im fast schon legendären und in der Werder-Doku festgehaltenen Kabinenstreit mündete. Immerhin: Es trifft in dieser Angelegenheit zwei Akteure bei Werder, die mit der erhöhten öffentlichen Aufmerksamkeit gut umgehen können. Trotzdem meinte Fritz noch: „Es wäre eleganter gewesen, wenn er es intern angesprochen hätte.“
Umso überraschender, dass der 42-Jährige dann selbst am Sonntag in einem Interview mit „buten un binnen“ einen Verteidiger und dessen Leistung während des Pokalspiels explizit herauspickte: nämlich Marco Friedl. „Wir müssen nicht um den heißen Brei drum herumreden. Das ist eine Situation, wo man mit aller Macht sein Tor verteidigen muss“, urteilte Fritz mit Blick auf den entscheidenden Gegentreffer zum 2:3. „Marco lässt sich da viel zu leicht ausspielen. Sein ganzes Anlaufverhalten ist schon verkehrt. Da muss er frontal auf den Gegenspieler zugehen. Das ist, glaube ich, das entscheidende. Mit einer Körpertäuschung dann so leicht ausgespielt zu werden, das geht natürlich nicht.“ Nun ist die Kritik am Österreicher wahrlich nicht unberechtigt, den just bestätigten Kapitän des Teams aber derart öffentlich zu schelten – vor allem nach der vorherigen Füllkrug-Rüge –, dürfte das Binnenklima nicht eben verbessert haben.
Kritik der Werder-Fans
Die kleine Episode zeigt: Es gibt Rede- und Handlungsbedarf. Seit Monaten begleiten die Mannschaft massive Abwehrprobleme, eine Reduzierung der Gegentore ist nicht in Sicht. Das jetzige Pokal-Aus hat das Fass zum Überlaufen gebracht. In den sozialen Netzwerken wird eifrig über die Qualität der Profis diskutiert, auch Trainer Ole Werner ist dort mittlerweile in die Schusslinie geraten.
Hauptvorwürfe: Eine fehlende Weiterentwicklung des Teams und fragwürdige Personalentscheidungen beziehungsweise das Festhalten an den immer gleichen Akteuren. Seit Monaten betont der Coach, seine jeweiligen Aufstellungen nach der größten Erfolgsaussicht auszuwählen, doch seit Beginn der Rückrunde mangelt es an guten Ergebnissen. Ein Szenario, das mehr Trend als Momentaufnahme zu sein scheint. Was einerseits nicht gut für Werners Argumente ist, andererseits wenig für Werders gesamten Kader spricht. Also müssen Lösungen her. Clemens Fritz und Sportchef Frank Baumann basteln an den dringend benötigten Transfers, doch weil die finanziellen Mittel begrenzt sind, ist Geduld gefragt. Zeit, die Werder eigentlich nicht hat.
Das alles klingt nach Großbaustelle. In deren Mitte am Freitagabend die neue Bundesliga-Saison eröffnet wird. Der FC Bayern München ist ab 20.30 Uhr zu Gast, ein internationales Millionenpublikum wird nach Bremen schauen. Allein schon wegen Harry Kane, der künftig beim deutschen Branchenprimus stürmt. Muss man aus Werder-Sicht also Bammel vor dem Ligastart haben? „Nö. Habe ich jedenfalls nicht“, hatte Niclas Füllkrug schon nach dem deprimierenden Pokal-K.o. betont. Und somit ein Zeichen der Hoffnung gesendet. Eines, das im dunklen Stimmungsdickicht gerade aber nur schwer auszumachen ist.