Was war im Vorfeld nicht alles spekuliert worden, nicht wenige Fans des SV Werder Bremen hielten sogar die nächste herbe Abfuhr für möglich. Schließlich hatte sich der aktuelle Kontrahent, der VfL Wolfsburg, zuletzt vor allem dadurch ausgezeichnet, dass er jeden gegnerischen Fehler gnadenlos ausnutzte und entsprechend hoch seine Partien gewann. Doch der Fußball spielt der Planbarkeit ja gerne mal einen Streich. Und weil Werder wirklich alles reinlegte, einen beeindruckenden Willen zeigte und mit Niclas Füllkrug mal wieder einen Stürmer in bester Verfassung parat hatte, blieben die drei Punkte dank eines 2:1 (1:0)-Erfolges tatsächlich an der Weser. Ein echter Befreiungsschlag am Ende einer bisher ziemlich tristen Woche mit zwei schmerzenden Schlappen gegen den 1. FC Köln (1:7) und Union Berlin (1:2).
Bei der Aufstellung nahm Ole Werner erneut ein paar Veränderungen vor. Der erkältete Leonardo Bittencourt fiel erwartungsgemäß aus, saß nicht einmal wie gehofft auf der Bank. Im Mittelfeld durften so Niklas Schmidt und Jens Stage von Beginn an ran, auf der Sechs erhielt Christian Groß den Vorzug vor Ilia Gruev. In der Abwehr blieb Milos Veljkovic erneut draußen, stattdessen begannen wie schon zuletzt gegen Union Berlin Marco Friedl, Amos Pieper und Niklas Stark.
Letzterer sorgte allerdings dafür, dass die Bremer gleich einmal Probleme bekamen. Weil Starks Pass auf Groß viel zu ungenau geriet, hatte Wolfsburgs Patrick Wimmer nach nicht einmal 50 Sekunden die dicke Chance zur Führung, doch Torhüter Jiri Pavlenka vereitelte einen frühen Rückstand. Danach verringerte die Heimelf aber die Fehlerquote und zeigte ein recht gefälliges Offensivspiel. Doch je näher Werder dem Strafraum kam, desto ungenauer wurden die Aktionen, weshalb die große Torgefährlichkeit trotz leichter Feldvorteile ausblieb. Erst nach 20 Minuten prüfte Stage aus der Distanz VfL-Keeper Koen Casteels, doch der Schuss geriet zu zentral.
Nach VAR-Eingriff: Füllkrug trifft per Elfmeter
Wenige Sekunden später wurde es dann knifflig. Im Wolfsburger Strafraum hatte Stage den Ball an die Hand von Yannick Gerhardt bugsiert, doch Schiedsrichter Daniel Siebert ließ zunächst weiterspielen. Erst bei der nächsten Unterbrechung schaute er sich nach Hinweis des Video-Assistenten die Szene noch einmal auf dem Monitor an und entschied unter dem Jubel der Fans tatsächlich noch auf Elfmeter. Niclas Füllkrug schnappte sich den Ball und traf gewohnt sicher – 1:0 (24.).
Die Niedersachsen suchten nach einer passenden Antwort und hätten sie nach einer halben Stunde beinahe gefunden. Nach einer Freistoßflanke legte Wimmer auf Jonas Wind ab, der aus kurzer Distanz einköpfte, doch der Vorbereiter hatte minimal im Abseits gestanden (31.). Beim nächsten Angriff landete der Ball bei Mattias Svanberg, der die Kugel über den nicht immer sicher wirkenden Pavlenka hinweg auf die Latte setzte (34.).
Doch auch Werder blieb präsent. Erst scheiterte Füllkrug aus Kurzdistanz an Sebastiaan Bornauw, bei der anschließenden Ecke köpfte Pieper knapp über den Kasten (36.). Dann lenkte Mitchell Weiser sehenswert per Hacke eine Groß-Hereingabe weiter zu Füllkrug, dessen Kopfball aber stark von Casteels pariert wurde (38.). Die Gastgeber lagen etwas unerwartet nicht einfach nur vorne, sondern hatten sich die Führung gegen die favorisierten Wolfsburger absolut verdient. Entsprechend gut war die Stimmung während der Halbzeitpause im Bremer Lager. „Vor allem im Gegenpressing sind wir heute richtig da“, lobte der verletzte Romano Schmid (Innenbandriss im Knie) nach 45 Minuten am „Sky“-Mikrofon. „Aber auch mit dem Ball sind wir richtig gut. Wir finden immer unsere Achter im Rücken der Gegner, das ist bislang das Erfolgsrezept.“
Die Anfangsphase des zweiten Durchgangs kam dann jedoch nicht mehr ganz so ansehnlich daher. Plötzlich waren sie wieder da, die Ungenauigkeiten und Unsicherheiten in Werders Aufbauspiel. Insbesondere Marvin Ducksch reihte mehrere falsche Entscheidungen aneinander. Im Gegenzug wuchs der Druck der Wolfsburger, die inzwischen wesentlich präsenter wirkten. Doch mit hohem Einsatz hielten die Bremer Stand, vor allem Niklas Stark und Amos Pieper klärten gleich mehrmals mit starken Grätschen. Ole Werner brachte in Ilia Gruev dennoch vorsorglich eine frische Kraft für den bis dato guten Niklas Schmidt (62.).
Die Gäste kontrollierten weiter das Geschehen, doch die ganz große Torgefahr fehlte. Stattdessen setzte Werder einen weiteren Nadelstich, doch nach einer Ducksch-Ecke köpfte Füllkrug knapp vorbei (71.). Für den Standardschützen war es die letzte Aktion, er musste für Eren Dinkci Platz machen. Zudem ersetzte Lee Buchanan den angeschlagenen Anthony Jung. Und Ole Werner bewies mit diesem Tausch ein gutes Händchen. Dinkci rettete bei einem Angriff den Ball nämlich nicht nur vor dem Toraus, sondern flankte auch genau zu Weiser, der nicht weniger schön auf Füllkrug ablegte. Und der Stürmer stellte mit seinem 13. Saisontreffer abermals seine Topform unter Beweis – und der zuvor kriselnde SV Werder führte gegen die Mannschaft der Stunde plötzlich mit 2:0 (77.).
Werder spielt souverän, muss aber trotzdem zittern
Viel hätte nicht gefehlt und der Vorsprung wäre sogar noch weiter angewachsen. Bei einem Bremer Konter steuerte Dinkci aufs gegnerische Tor zu, setzte den Ball aber ans Außennetz (89.). Die Strafe folgte prompt. In der letzten Minute der regulären Spielzeit bekamen die Bremer den Ball nämlich nach einer Ecke nicht geklärt, Kevin Parades verkürzte deshalb noch einmal für den VfL und sorgte so für reichlich Spannung in der sechsminütigen Nachspielzeit. Das gesamte Stadion sehnte den Schlusspfiff herbei, Werders Profis gaben noch einmal alles.
Mitchell Weiser übertrieb es jedoch etwas, löste eine Rudelbildung aus, sah dafür die fünfte Gelbe Karte und fällt so nächste Woche im so wichtigen Spiel gegen den VfB Stuttgart aus. Eine Freistoßflanke mussten die Bremer am Ende noch überstehen, doch als bereits die achte Minute der Nachspielzeit lief, kam endlich der erlösende Schlusspfiff von Daniel Siebert. Werder hatte die vier Spiele währende Negativserie beendet und dank eines Füllkrug-Doppelpacks die zuletzt aufgezogenen dunklen Wolken wieder vertrieben.