Die Parallelen sind unverkennbar. Ziemlich genau ein Jahr ist es jetzt her, dass Jens Stage beim SV Werder Bremen so richtig durchstartete. Vorher hatte der dänische Mittelfeldspieler viele gute Ansätze gezeigt, nach seinem Wechsel aus Kopenhagen aber auch einige Defizite offenbart. Seit dem Winter 2023 ist der inzwischen 27-Jährige aber nicht mehr aus der Startelf der Grün-Weißen wegzudenken. Zwölf Monate später sieht es so aus, als würde Senne Lynen exakt den gleichen Weg einschlagen.
Der Belgier bringt es zwar bereits auf 18 Einsätze in dieser Saison, allerdings waren viele Kurzauftritte dabei. Bis jetzt. Zwei Partien in Folge gehörte der 24-Jährige im defensiven Mittelfeld zur Bremer Startelf, beide Male gewann Werder und verteidigte dabei gut. Lynen befindet sich also quasi auf dem Stage-Weg.
„Ich spreche oft mit Jens, weil ich mich sehr gut mit ihm verstehe. Aber darüber haben wir uns nicht wirklich unterhalten“, sagte Lynen am Dienstag schmunzelnd, als er während einer Medienrunde auf die Duplizität angesprochen wurde. „Es ist wahr, dass ich ein wenig auf demselben Kurs bin wie er damals.“ Bis es so weit war, brauchte der gebürtige Antwerpener allerdings viel Durchhaltevermögen. Während er vor seinem Transfer an den Osterdeich bei Ex-Club Royale Union Saint-Gilloise eigentlich immer gespielt hat, saß er in Bremen häufiger auf der Bank, als ihm lieb war. „Ich versuche, geduldig zu sein, aber es gehört nicht zu meinen besten Qualitäten“, gab Lynen lachend zu. „Aber ich habe es irgendwie geschafft und eine lange Zeit gewartet. Ich bin also vielleicht doch nicht so schlecht darin.“
Lynen hat Wechsel an die Weser nie bereut

Scheut keinen Zweikampf: Senne Lynen im Duell mit Kingsley Coman beim Werder-Überraschungssieg gegen den FC Bayern.
Die Erwartungen, die Lynen an einen Wechsel in die Bundesliga hatte, erfüllt er nun also mit einer kleinen Verzögerung. Doch selbst, als es während der Hinrunde nicht ganz so optimal für den Neu-Bremer lief, habe er seinen Wechsel an die Weser nie bereut. „Um ehrlich zu sein, habe ich mir selbst das Minimum von einer Saison gegeben“, betonte Lynen. „Ich habe mit anderen Spielern aus Belgien gesprochen, die vielleicht nach Spanien, England oder Frankreich gewechselt sind – und alle haben gesagt, dass es okay ist, sich eine komplette Saison zu geben.“ Wasserstandsmeldungen sind folglich nicht so seine Sache: „Also warte ich ab und gebe mir dann selbst ein Feedback, denn dann kann man erst richtig sehen, was ich gut oder falsch gemacht habe“, erklärte Lynen. „Nach nur ein paar Monaten ist das zu früh für mich.“
Eines steht jedoch fest: Hinter Senne Lynen liegt ein Abschnitt seines noch jungen Lebens, der äußerst intensiv war. „Es ist ein neuer Club, ein neues Land und eine neue Liga. Alles ist neu, da ist es nur logisch, dass man sich erst eingewöhnen muss“, sagte der 24-Jährige und verriet, dass er sich unter anderem in Sachen Timing noch anpassen und verbessern musste. Dennoch hob Lynen hervor: „Es gibt nicht den einen Grund, sondern eine Mischung aus vielen Dingen. Aber das hat mich stärker gemacht.“ Der Weg dorthin war steinig. „Es war nicht so einfach, aber das ist nun einmal Teil des Geschäfts. In dieser Phase hatte ich gute und schlechte Tage“, gestand Lynen. „Aber es ist wichtig, bei der Mannschaft und auch relaxt zu bleiben, denn deine Möglichkeit wird kommen. Wenn du dann die Chance bekommst, musst du versuchen, sie zu nutzen. Man muss selbstbewusst bleiben, darf nicht an sich zweifeln und muss an sich hart weiterarbeiten.“
Genau das hat Senne Lynen offenbar getan. Statt Einwechslungen schenkt Trainer Ole Werner ihm indessen vermehrt Startelf-Auftritte. Ein Resultat, das auch auf ehrlichen Gesprächen beider Personen fußt. „Es gibt immer Dinge, die man verbessern kann. Genau darüber haben wir uns unterhalten“, sagte Lynen, der seinen Coach wegen dessen vorheriges Handelns durchaus verstehen kann. „Ich bin einfach ein anderer Spielertyp, da spielen dann auch das Momentum und die Art des anstehenden Spiels eine Rolle“, meinte er. „Es hieß jedenfalls nie, dass ich in dieser oder jener Sache nicht gut genug sei. Es ging eher darum, dass wir damals noch ein wenig anders im Mittelfeld gespielt haben. Jetzt haben sich kleine Dinge verändert.“
Sehr zum Vorteil von Senne Lynen. Die beiden vergangenen Wochen könnten jedenfalls dabei helfen, dass er sich am Ende der Saison ein gutes Zeugnis ausstellt. Aber er will sich auf dem Erreichten keineswegs ausruhen, sieht sich noch nicht als gesetzt an. „Für mich wäre das kein gutes Mindset. Es geht bei mir nur darum, das nächste Spiel zu gewinnen“, unterstrich Lynen. Denn nach Erfolgserlebnissen wie jene im Jahr 2024, das war schnell herauszuhören, ist der Belgier süchtig: „Es ist klar, dass das für mich ein sehr guter Start ins Jahr war. Als Fußballer willst du nun einmal jedes Spiel machen, und wenn du dann spielst und auch noch gewinnst, ist es das beste Gefühl der Welt.“
In dieser Hinsicht erleben die Werder-Profis seit dem Restart der Liga eine echte Genussreise, nach sieben Punkten aus den vergangenen drei Spielen haben sie Appetit auf mehr. „Jeder Spieler hat individuell ein Stück mehr seiner Qualität gezeigt. Spiele wie gegen München geben eine Menge Selbstvertrauen, und darauf kommt es im Fußball an“, meinte Lynen. Und natürlich auf weiterhin gute Ergebnisse. „Das Allerwichtigste ist, dass wir jetzt fest zum Mittelfeld der Tabelle gehören und mit diesem weiter wachsen“, forderte Lynen und wurde fast ein wenig philosophisch, als er darauf angesprochen wurde, ob nun auch nach oben geschaut werden dürfe: „Der Abstand zwischen den Plätzen sieben und 15 ist sehr klein, also ist theoretisch vieles möglich. Aber vorher musst du dich im Mittelfeld etablieren, damit auch danach wirklich alles möglich sein kann.“