Vergangene Woche hat Keke Topp angerufen. Werders Stürmer war nicht einverstanden mit der Kolumne „Grün auf Weiß“ über ihn. Deshalb Schritt er zur Tat, um das in einem Gespräch zu klären. Es sollte ein Anruf werden, mit dem er ordentlich Eindruck hinterließ.

Grün auf Weiß ist die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Bremer Traditionsvereins wirft, Zusammenhänge erklärt und Entwicklungen einordnet.
Viele werden das für einen banalen Vorgang halten. Ein Fußball-Profi liest etwas über sich, greift zum Telefon und diskutiert das mit dem Reporter aus. Aber irgendwann in den letzten 20 Jahren haben Bundesligaprofis genau das verlernt. Was waren das für Zeiten, als sich die Fußballstars noch selbst darum kümmerten, auch abseits der Spiele, ihre Sicht der Dinge zu erklären. Als sie auch mal gezielt etwas sagten, um die Mannschaft oder den Verein aufzurütteln. Stefan Effenberg zum Beispiel, Kapitän des Champions-League-Siegers Bayern München, begann solche Anrufe gerne mit dem Satz: „Jetzt nimm dir mal einen Block und einen Stift…“
Weltmeister Andreas Möller rief sogar an, wenn er sich zu schlecht benotet fühlte. „Hast du zu lange Handball gespielt oder warum hast du mir die Note 4 gegeben?“, fragte er hörbar angefressen. Dann wurden Argumente ausgetauscht, es wurde auch mal laut, aber nie unfair. Claudio Pizarro, die Werder-Legende, mischte mal den FC Bayern auf, mit einem Anruf beim Chefreporter des Kicker-Sportmagazins. Pizarro kritisierte (gar nicht zu Unrecht) die Taktik von Ottmar Hitzfeld. Dafür bekam er vom Trainer eine Geldstrafe von 10.000 Euro. Noch Jahre später erwartete er, dass die Zeitung das für ihn bezahlt.
Typen gewinnen Titel
Gestandene Spieler wie Mehmet Scholl, Marc Wilmots, Jürgen Kohler, Oliver Reck oder Weltfußballer Lothar Matthäus machten von ihren Telefonen aus mehr und schneller Politik als die Ampel. Sie verstanden es als Teil ihres Berufs, sich um die Dinge zu kümmern. Entsprechend traten sie auch auf dem Rasen auf: selbstbewusst und erwachsen, sie brauchten keinen, der sie führt. Als Werder noch Titel gewann, waren die Bremer Mannschaften voller solcher Typen.
Dann aber ließ das überall nach. Es begann damit, dass Vereine prüfen (und verändern) wollten, was die Spieler gesagt haben. Dann tauchten die Spielerberater auf, von denen sich manche aufführten, als würden sie selbst die Tore schießen oder als wären die Profis ihre Marionetten. Wurde ein Nationalspieler im WM-Finale angeblich zu schlecht benotet, drohte der Berater mit lebenslangem Interview-Boykott; der Spieler wusste davon nichts. Manche Profis sagten ohne ihren Berater nichts mehr. Zeitweise musste man befürchten, dass sie bald in Schuhen mit Klettverschluss auflaufen, weil sie die Schleife alleine nicht binden können.
Heute stecken Spieler im Tunnel
In den Jahren seither habe ich viele spezielle Fälle erlebt. Spieler, die im Abstiegskampf die Tabelle nicht kannten. Oder die, nachdem der Verein (es war nicht Werder) ihre Interview-Aussagen ins Gegenteil verdreht hatte, ernsthaft meinten: „Du kannst das doch nicht so schreiben, wie ich es gesagt habe.“ Im Papierkorb waren solche Texte gut aufgehoben. Heute dürfen Spieler oft zwei Tage vor einer Partie nicht gesprochen werden, weil sie sich in einem Konzentrations-Tunnel befinden. Das hatten die Spieler früher nicht nötig. Leider spielen die heutigen dann aber manchmal so, als würden sie noch im Tunnel stecken.
Und plötzlich ruft dieser Keke Topp an und kämpft für seine Sicht der Dinge. Während des Gesprächs dachte ich: Endlich wieder ein Typ! Und: Der Junge ist erst 20, einer der jüngsten Spieler im Team, der traut sich was – hoffentlich boxt der sich auch in der Bundesliga so durch.
Niclas Füllkrug war auch so ein Werder-Profi, der stets Mann genug war, sich zu melden und über etwas zu diskutieren – schon bevor er Nationalspieler wurde. Andere in der Liga schicken in solchen Fällen die Berater vor, ihre Väter oder den armen Pressesprecher des Vereins.
Keke Topp meldete sich selbst. Die Zahlen 16 und 26 in der Kolumne ärgerten ihn zum Beispiel. Dort stand, er habe 16 Tore in 26 Regionalligaspielen geschossen. Stimmt nicht! Es war in der U19-Bundesliga West. So stand es auch in meinem Block, aber leider nicht im Text. Da war eine Entschuldigung fällig, bei so einem Anruf natürlich gerne. Es ging auch darum, wie er seine Rolle auf Schalke sah und wie ich es im Gegensatz dazu bewerte. Eine Diskussion auf Augenhöhe, ohne Gejammer oder scharfe Töne. Da weiß einer, was er will und was er nicht will. Hoffentlich kann er sich das bewahren. Füllkrug zeigt ja, wie weit man kommen kann (und wie schnell man positiv auffällt), wenn man im heutigen Fußball wie ein normaler, erwachsener Mann auftritt.