Vielleicht liest Jens Stage zum Deutschlernen auch Zeitung. Jedenfalls ist bei dem dänischen Mittelfeldspieler eine enorme Leistungssteigerung zu erkennen - seit an dieser Stelle zu lesen war, dass er möglichst schnell zeigen sollte, warum Werder vor der Saison den größten Anteil des Transferbudgets in ihn investierte. Rund vier Millionen Euro bezahlten die Bremer an den FC Kopenhagen. Das war viel für einen Spieler, der zwar siebenmal für die dänische U21-Nationalmannschaft auflief, aber später nicht den Sprung ins A-Team schaffte. Nur ein Länderspiel ist für ihn notiert. Als Werder Stage holte, war er schon 25 Jahre – der Wechsel in die Bundesliga bot ihm die Chance, doch noch mehr aus seiner Karriere zu machen.

Grün auf weiß ist die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Bundesligisten wirft, Zusammenhänge erklärt und die Entwicklungen im Verein einordnet.
Es ist in keinem Mannschaftsteil leichter, auf Spielanteile zu kommen. Im Mittelfeld verlor Werder zuletzt viel Qualität, von Philipp Bargfrede über Davy Klaassen bis zu Maxi Eggestein. Viele Vereine suchen einen spiel- und zweikampfstarken Sechser, der einer Mannschaft Stabilität geben kann. Auch in Bremen wünschen sich die Fans seit Jahren so einen Spieler. Eine bezahlbare Lösung zu finden, ist aber schwer. Dafür spuckten die Datenbanken den Namen Jens Stage aus, als Werder nach einem Spieler mit diesem Profil suchte: Laufstärke, Dynamik, Intensität, Zweikampfschärfe und Kopfballstärke.
Das ist auf den ersten Blick zwar viel für einen Spieler – aber Stage bringt das alles tatsächlich auf den Rasen. Für seinen Gegenspieler wäre es die Höchststrafe, Manndeckung gegen Werders Dänen spielen zu müssen. Denn der ist an guten Tagen überall auf dem Feld unterwegs, an schlechten Tagen übertreibt er das. Die guten Tage überwiegen in der Rückrunde, auch wenn man einschränken muss: Ein perfektes Spiel ist Stage noch nicht gelungen, dafür spielt er zu hektisch und aufgedreht, wie der Duracel-Hase früher in der Fernsehwerbung.
Bei Werder wissen sie, dass es trotzdem nicht gut wäre, Stage stark einzubremsen. Man muss ihn laufen lassen, das gehört zu seiner Intensität. Er wirft sich in die Zweikämpfe, um in der eigenen Hälfte Bälle zu erobern – und wenig später taucht er als zusätzlicher Angreifer im gegnerischen Strafraum auf. Das ist sein Spiel. Er will immer den Ball, er möchte ihn nach vorne treiben. Anfangs verlor er viele Bälle, da merkte man, dass er sich an das Tempo der Bundesliga erst gewöhnen muss. Aber es ist ja so: Wenn er alles perfekt könnte, würde er heute in der englischen Premier League spielen und nicht bei Aufsteiger Bremen.
Stage kann viele Dinge gut, aber nicht richtig gut – genau darin könnte sein Steigerungspotenzial liegen. Wenn seine erste Saison ein Lehrjahr ist, könnte er künftig noch wertvoller werden. Die Anlagen zum Führungsspieler bringt er mit: Wie selbstverständlich ermutigt er einen deutschen Nationalspieler wie Niclas Füllkrug nach Fehlschüssen durch einen Klaps auf den Hintern. Und er ist in den ersten Halbzeiten oft der laufstärkste Spieler auf dem Feld. Am Rest muss er arbeiten: an seinem Auge für den freien Nebenmann, am Ausnutzen klarer Torchancen, am sauberen Passspiel.
Immerhin: Werders linke Seite gewinnt durch Stage an offensiver Wirkung. Dort spielt Antony Jung eine defensivere Rolle als Mitchell Weiser auf der anderen Seite. Deshalb ist es hilfreich, dass sich Stage links häufig anspielbar in Position bringt und schnell aufdreht, um die Angriffe ins letzte Drittel zu leiten. Die Achterposition im linken Mittelfeld scheint ideal für ihn. Stage kann aber auch in einer Doppel-Sechs im zentralen Mittelfeld agieren, wenn er einen defensiv denkenden Nebenmann hat, der seine vielen Ausflüge quer übers Feld ausbalanciert.
In der Hinrunde war es für die Fans schwer, Stage einzuschätzen. Zu zaghaft, zu fehlerhaft waren seine wenigen Einsätze. Inzwischen hat er den Turbo gezündet und bringt mehr von dem ein, was sich Werder von der Verpflichtung versprach. 24 Einsätze und zwei Tore sind jetzt schon okay für eine erste Saison, inzwischen hat er seine Spielanteile auf 54 Prozent aller möglichen Minuten erhöht – Tendenz steigend. Seine Fehlerquote nach der Halbzeit ist aber deutlich höher als zu Spielbeginn; er muss noch lernen, sein Spielniveau länger als 60 Minuten abzurufen. Für einen Vier-Millionen-Mann wäre es natürlich gut, wenn man sich 90 Minuten auf ihn verlassen könnte.