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Werder und die Millionen Worauf es in der Bilanz ankommt

Als Fußballfan ist man in erster Linie Fußballfan. Einmal im Jahr schadet es aber nicht, sich auch mit Finanzen auszukennen, wenn Klubs ihre Jahresbilanz vorstellen. Eine Anleitung zum besseren Verständnis.
24.11.2018, 08:38 Uhr
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Worauf es in der Bilanz ankommt
Von Marc Hagedorn

Warum ist der Umsatz so wichtig?

Die erste Größe, die Unternehmen gern kommunizieren, ist der Umsatz. Umsatz zeigt an, vereinfacht gesprochen, wie gut ein Akteur im Geschäft ist. Ob er wächst oder schrumpft. Ziel ist es, zu wachsen, Kunden zu gewinnen, mehr von dem, was man anbietet, zu verkaufen. Werder hat im Geschäftsjahr 2016/2017 einen Umsatz von 123,5 Millionen Euro gemacht. Zum Vergleich: Die Bayern haben in demselben Geschäftsjahr 640 Millionen Euro umgesetzt, der HSV, damals noch Bundesligist, 122 Millionen, und ein Verein wie der FSV Mainz 110 Millionen. Allerdings ist die Größe Umsatz mit Vorsicht zu genießen, denn sie sagt nichts darüber aus, ob ein Unternehmen Gewinn oder Verlust gemacht hat.

Aussagekräftiger ist deshalb der Begriff Gewinn.

Er gibt Antwort auf die Frage, ob eine Geschäftsidee funktioniert beziehungsweise wie gesund ein Unternehmen tatsächlich ist. Werder hat in den vergangenen Geschäftsjahren nach zuvor vier Jahren mit einem dicken Minus wieder Gewinn gemacht; 2015/2016 waren es 2,8 Millionen Euro, 2016/2017 700.000 Euro, diesmal sollen es 500.000 Euro sein (wir berichteten). Zum Vergleich: Die Bayern machten 2016/2017 einen Gewinn in Höhe von 39,2 Millionen Euro, der HSV machte ein Minus von 5,8 Millionen Euro, Mainz 05 machte zehn Millionen Euro Gewinn.

Was unterscheidet Profiabteilungen im Fußball von anderen Wirtschaftsunternehmen?

Experten sagen: nicht viel. Beispiel Investitionen: Ein Autohersteller gibt Geld für Forschung aus, modernisiert Anlagen oder eröffnet neue Standorte. Bundesligaklubs investieren das meiste Geld in neue Spieler oder wie Werder demnächst in ein neues Leistungszentrum. Baut ein Hersteller schlechte Autos, hat er ein Problem: Er wird nicht mehr so viele Autos wie vorher verkaufen. Kauft ein Klub die falschen Spieler, hat er auch ein Problem: Es droht der Abstieg, und das führt zu weiteren Einschnitten: weniger Ticketerlöse, weniger Zuschauer, weniger Fernsehgeld, weniger Sponsoreneinnahmen.

Im Fußball sind die 90 Minuten das A und O. Und in der Wirtschaft?

Entscheidend ist immer noch auf dem Platz, geht ein Sprichwort. Wenn ein Klub mehr Spiele gewinnt als verliert, geht es ihm gut. Das Problem für die Geschäftsführung eines Fußball-Bundesligisten: Sie kann Sponsoren an Land ziehen, so viel sie will. Sie kann TV-Deals aushandeln, so millionenschwer wie nie. Wenn die Spieler den Pfosten und nicht das Tor treffen oder der Schiedsrichter eine Abseitsstellung übersieht oder wenn sich der Starspieler verletzt, dann hilft das alles nichts. Erfolg auf dem Platz lässt sich nur bedingt planen.

Absolute Planungssicherheit haben aber auch andere Unternehmen in der Wirtschaft nicht. Großkonzerne können bestimmte Faktoren nicht beeinflussen wie die Weltkonjunktur oder etwa politische Entscheidungen, wenn US-Präsident Donald Trump Strafzölle auf Pkw-Importe verhängt. Die Exportnation Deutschland und seine Autobauer trifft so etwas schwer.

Im Fußball und der Wirtschaft geht es deshalb darum, Wahrscheinlichkeiten zu erhöhen: Ein Trainer, der einen Plan hat, ist wahrscheinlich erfolgreicher als ein Trainer ohne Plan. Eine Mannschaft mit mehreren Nationalspielern ist wahrscheinlich erfolgreicher als eine Mannschaft ohne herausragende Spieler. Aber wie gesagt: Eine Garantie ist auch das nicht.

Die Marke wird wichtiger als das Produkt.

Ein Fußball-Bundesligist verkauft ein Produkt: das Spiel, sprich die 90 Minuten auf dem Rasen, alle zwei Wochen im heimischen Stadion. Daimler verkauft auch ein Produkt: Autos. Das ist aber längst nicht mehr alles beziehungsweise nicht mehr das Wichtigste, sagen Experten. Mindestens so wichtig wie das Spiel beziehungsweise das Auto ist die Marke. Eine Marke transportiert ein Lebensgefühl, mit Marken verbindet der Kunde/Fan ein gewisses Image, Emotionen, Leidenschaften. Ein echter Werder-Fan wird immer ein Werder-Fan bleiben. Gleiches versuchen andere Unternehmen zu schaffen, also loyale Kunden zu haben, die lieber Daimler fahren als Audi, auch wenn beide Autos objektiv betrachtet Top-Produkte sind.

Warum ist Eigenkapital wichtig?

Eigenkapital gibt Unternehmen die Möglichkeit, schnell und flexibel auf Veränderungen zu reagieren, ohne neue Schulden machen zu müssen. Wer Eigenkapital besitzt, gilt Banken als kreditwürdig. Werder ist dabei, sein Eigenkapital wieder aufzustocken, 5,5 Millionen Euro waren es am Ende des Geschäftsjahres 2016/2017, sechs Millionen Euro sollen es aktuell sein. Zum Vergleich: 2010/2011 waren es noch fast 40 Millionen Euro gewesen, eine Folge der fetten Jahre mit regelmäßiger Teilnahme an der Champions League.

Wofür sind Rücklagen wichtig?

Rücklagen werden für bestimmte Zwecke gebildet, etwa wenn ein Risiko oder Problem absehbar ist. Beispiel Automobilindustrie: Ein Hersteller wird in den USA verklagt, das bedeutet, dass Schadensersatzzahlen drohen. Für diesen Fall bildet das Unternehmen Rücklagen. Werder macht es im Falle der Polizeikosten bei Risikospielen genauso. Sollte das Bundesverwaltungsgericht – vermutlich im Jahr 2019 – ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bremen bestätigen, dann könnte das dazu führen, dass Werder die Mehrkosten für Polizeieinsätze bei Risikospielen übernehmen muss. Dafür hat Werder rund eine Million Euro zur Seite gelegt.

Hohe Verbindlichkeiten = schwaches Unternehmen?

Wer viele Schulden hat, um den ist es schlecht bestellt – stimmt das? Nicht zwangsläufig. Mit Investitionen können sich Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschaffen. Wenn sie dafür Geld brauchen, also Schulden machen müssen, geben Banken es gern, vorausgesetzt die Geschäftsidee ist vielversprechend. Kredite eröffnen Spielräume, aktuell niedrige Zinsen machen Kredite interessant. Allerdings muss klar sein: Das Geschäftsmodell muss funktionieren, sonst führen immer mehr Verbindlichkeiten irgendwann zum Kollaps. Zu Werders Finanzlage heißt es im Jahresabschluss 2016/2017: „Sämtliche Bankdarlehen der Gesellschaft wurden in den Vorjahren getilgt, Neuaufnehmen von Fremdkapital gab es nicht.“ Schulden hat dagegen die BWS, also die Stadiongesellschaft, die Werder und der Stadt zu je 50 Prozent gehört. 70 Millionen Euro muss die BWS noch für Kredite aus früheren Umbaumaßnahmen am Weserstadion zurückzahlen.

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