„Der Kunde soll entscheiden“
Das Tierwohl soll eines seiner wichtigsten Themen sein, sagt Christian Schmidt, der seit Februar dieses Jahres das Amt des Bundeslandwirtschaftsministers bekleidet. Mit dem CSU-Politiker, der an diesem Freitag Bremen besucht, sprach Ben Zimmermann über Möglichkeiten des Tierschutzes und das Kaufverhalten an der Fleischtheke.
Niedersachsen startet mit mehreren Gesetzen eine Initiative für mehr Tierschutz. Warum zieht der Bund nicht mit?
Christian Schmidt: Wir haben den Tierschutz in den vergangenen Jahren in vielen Bereichen verbessert. Zudem werden wir, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, eine Offensive starten, die wir derzeit vorbereiten. Wir sind vorne dran.
Vielleicht ein paar Beispiele: Die betäubungslose Kastration von Ferkeln, das Töten von Küken, das Schnäbelkürzen bei Legehennen – wieso ist all das nicht schon längst verboten?
Die betäubungslose Ferkelkastration ist gesetzlich ab 2019 verboten. Beim Thema Schnäbelkürzen sind wir mit der wissenschaftlichen Untersuchung schon weit vorangeschritten. Auch beim Thema Schwanzkupieren bei Ferkeln müssen wir so schnell wie möglich tiergerechte und zugleich praxistaugliche Lösungen finden. Dies ist für uns aber weniger eine Frage von Prämien, sondern eine Frage der Haltung.
Das klingt alles nach langwierigen Angelegenheiten. Wieso ist es so mühselig, tiergerechte Haltung durchzusetzen?
Tiergerechte Haltungsbedingungen sind keine ausschließliche Frage der Stallgröße, und zum Glück sowohl in großen als auch in kleinen Betrieben weit verbreitet. Entscheidend für die Geschwindigkeit von Veränderungen ist auch die Nachfrage: Vielerorts besteht eine Diskrepanz zwischen Meinungsumfragen und Forderungen einerseits und dem, was an der Ladentheke der Einkaufsmaßstab ist. Ein Mehr an Tierwohl muss sich für die Landwirte auch lohnen.
Sie meinen also, dass die Verbraucher zwar Tierschutz fordern, an der Ladentheke dann aber doch der Geiz siegt?
Ich möchte das positiv formulieren: Ich wünsche mir, dass sich das Engagement für Tierwohl auch im Kaufverhalten niederschlägt und die Verbraucher auch zu den Produkten greifen, die zwar etwas teurer sind, bei deren Erzeugung aber auch das Tierwohl nicht vernachlässigt wurde – die also im besten Sinne preiswert sind. So können Verbraucher sich beispielsweise mit dem Tierschutzlabel des Tierschutzbundes oder dem „Regionalfenster“ bewusst für Produkte entscheiden, bei deren Erzeugung hohe Standards garantiert werden.
Gleichzeitig wächst die Nachfrage nach Bioprodukten – und zwar schneller als das Angebot. Wie kann da aufgeholt werden?
Ich möchte, dass diese Produkte in möglichst jedem Supermarkt erhältlich sind. Der Kunde soll entscheiden. Der Öko-Landbau trägt wesentlich zur nachhaltigen Gestaltung der Landwirtschaft zum Tierwohl bei. Dies müssen wir fördern, dürfen die Landwirte aber auch nicht überfordern. Das Problem, das ich sehe, ist eine mögliche Überregulierung des Öko-Anbaus.
Sie sprechen die geplante Öko-Reform der EU an, die Sie ablehnen. Wie sehen das Ihre Kollegen aus anderen EU-Ländern?
Das Ziel der Kommission teilen wir. Aber die vorgeschlagenen Maßnahmen würden zu massiven Erschwernissen in der Erzeugung, Verarbeitung und im Handel mit Bio-Produkten führen. Mit dieser Überzeugung stehe ich im Kreis meiner europäischen Kolleginnen und Kollegen nicht alleine da. Daher bin ich mir sicher, dass das Papier vom Europaparlament und dem Ministerrat noch kräftig verändert werden wird. Wir benötigen keine Totalrevision, sondern eine gezielte Weiterentwicklung der Rechtsvorschriften.
Wie lässt sich denn sicher kontrollieren, dass auch Bio drin ist, wo Bio drauf steht?
Kriminelle Machenschaften kann man natürlich nie 100-prozentig ausschließen. Nach einer Studie aus Baden-Württemberg entsprechen aber über 95 Prozent aller Öko-Produkte den Angaben, die gemacht wurden. Dennoch müssen wir weiterhin Schlupflöcher bei der Deklaration von Produkten stopfen. Die Geflügelkennzeichnung haben wir bereits so angepasst, dass die Produkte aus den Betrieben präzise zurückverfolgt werden können.
Große Supermarktketten wollen einen Fonds für mehr Tierschutz bei der Fleischproduktion einrichten. Ist das nicht eher eine Image-Kampagne?
Es ist doch gut, wenn jemand mit dem Thema Tierwohl sein Image verbessern will.
Es sollte aber mehr als nur Kosmetik sein.
Hinter dieser Initiative gemeinsam mit dem Deutschen Bauernverband steckt mehr als Imagebildung. Solche Vereinbarungen zwischen den Erzeugern und dem Handel sind positiv, wenn die garantierten Standards über den gesetzlich vorgeschriebenen liegen. Wenn sich die Beteiligten hier freiwillig verständigen, ziehe ich dies dem Ordnungsrecht vor.
Der BUND hält die Vereinbarung trotzdem für unzureichend. Wäre die geforderte Kennzeichnungspflicht, an der der Verbraucher die Haltungsart erkennt, nicht sinnvoller – vielleicht als eine Art Ampel?
Wir müssen bei der Kennzeichnung den Weg finden zwischen der groben Information, etwa in Form einer Ampel, die wenig aussagekräftig ist, und einer Beipackzettellösung, die kein Mensch liest. Der Verbraucher soll in kurzer Zeit alle erforderlichen Informationen sammeln können. Hier können etwa Smartphones eine wichtige Hilfe sein. Mit der von uns unterstützten Label-Online-App kann man Siegel mit einem Scan erfassbar machen. Hieran müssen wir anknüpfen.
Sie sind Minister sowohl für Landwirtschaft als auch für Verbraucherschutz. Wem fühlen Sie sich mehr verpflichtet: den Landwirten oder den Verbrauchern?
Beiden. Dabei haben der gesundheitliche Verbraucherschutz und die Tiergesundheit für mich absolute Priorität. Und wo es Reibungen gibt, muss ich beide Seiten zusammenbringen. Da wir bei den Themen Tierschutz und Tierwohl eine große Schnittmenge haben, bin ich zuversichtlich, dass wir hier in wenigen Jahren ein noch viel größeres Bewusstsein haben werden.