Bundesweit sind inzwischen Kunden in sechsstelliger Anzahl von Anbietern betroffen, die die Lieferung von Strom und Gas einfach einstellten, ohne sich an Verträge zu halten. Die Kunden erhielten danach Strom und Gas vom Ersatzversorger, wie es das Gesetz vorschreibt. Weil diese regionalen Grundversorger in ihrer Kalkulation aber nicht mit einem plötzlich so hohen Anstieg an zusätzlichen Kunden rechneten, mussten sie Strom und Gas zu den aktuell hohen Marktpreisen dazukaufen.
Das erhöhte wiederum die Kosten für die Versorger, die sie in ihren Grundtarif einpreisen müssen. Mehrere regionale Energieversorger wollten nicht, dass ihre treuen Stammkunden, die seit Jahren den Basistarif beziehen, die Zeche für die Marktturbulenzen zahlen. Deshalb führten die Unternehmen einen Basistarif für Neukunden ein.
Das klingt ja durchaus im Sinne der Stammkunden, rief aber sofort die Verbraucherschützer auf den Plan – mit Recht, denn es ist durchaus justiziabel, unterschiedlich hohe Basistarife zu verlangen. Um den juristisch einwandfreien Weg zu gehen, erhöht der Oldenburger Energieversorger zum 1. April für alle Kunden im Basistarif die Preise für Strom und Gas. Der EWE-Vorstand betont, dass nicht die Energiewende an den hohen Preisen schuld ist, sondern die weltweit hohe Nachfrage nach Gas.
Und was macht Berlin? Die Bundesregierung hat endlich entdeckt, dass bei den steigenden Strom- und Gaspreisen Handlungsbedarf besteht. Allein für die bundesweit 710.000 Haushalte, die Wohngeld beziehen, hat der Staat als Heizkostenzuschuss 130 Millionen Euro vorgesehen. Studierende und Azubis sollen auch Geld erhalten. Ob das reicht, ist noch unklar.
Auf der anderen Seite hat die Regierung auch rechtlichen Handlungsbedarf erkannt. Der Weg zu dieser Erkenntnis war aber etwas holprig. Es scheint so, als ob das Thema die zuständigen Bundesministerien Wirtschaft (Minister Robert Habeck) und Verbraucherschutz (Ministerin Steffi Lemke) zu einem eher ungünstigen Zeitpunkt erwischt hatte: in den Wochen, in denen man sich als neue Regierung finden muss.
Anders ist es nicht zu erklären, warum zwischen Weihnachten und Neujahr auf eine Anfrage an das Bundeswirtschaftsministerium – inwiefern man der Bundesnetzagentur mehr Handlungsspielraum geben müsse, um gegen das inkorrekte Verhalten der Discount-Anbieter vorzugehen – als Antwort zurückkam: „Man beobachtet genau die Entwicklung der Preise bei Strom und Gas.“ Priorität schien das Sofortprogramm für den Klimaschutz von Bundesminister Robert Habeck gehabt zu haben, das er am 11. Januar präsentierte.
Eine Woche danach klangen die Worte Habecks in einem Interview im „Handelsblatt“ eher so, als ob man die Grundversorger in die Schranken weisen müsse: „Dass sich die Menschen in dem guten Glauben, ein günstiges Angebot bekommen zu haben, jetzt im teureren Grundversorgungstarif wiederfinden, kann nicht einfach so ohne Konsequenzen bleiben.“
Mehr Rechte für die Bundesnetzagentur
Eher müssen es die Discount-Anbieter sein, denen man Konsequenzen aufbürdet, weil sie sich um bestehende Kundenverträge einen Teufel scheren. Hier ist dringend mehr Handhabe für die Bundesnetzagentur erforderlich – und zwar mindestens so viel, wie die Bonner Behörde bereits im Bereich Telekommunikation hat. So wie sie gegen Firmen, die verbotene Telefonwerbung betreiben, Bußgelder von bis zu 300.000 Euro verhängen kann, sollte sie ähnlich agieren können, wenn sich Energieanbieter mutwillig nicht an Verträge halten. Der Kunde sollte seine Angaben am besten direkt über eine Internetseite bei der Behörde einreichen können.
Derzeit ist eine Insolvenzversicherung im Gespräch, wie man sie aus der Reisebranche kennt. Von diesen zusätzlichen Kosten sind die regionalen Energieversorger aber alles andere als begeistert.
Wie auch immer man am Ende den Kunden ihre Rechte stärkt – auf alle Fälle sollte bei den zuständigen Ministerien angekommen sein: Bei solch aktuellen und wichtigen Fragen ist schnelles Handeln im Sinne der Bürgerinnen und Bürger erforderlich.