Als im Dezember 2018 das Bergwerk Prosper Haniel in Bottrop als letzte Zeche in Deutschlands die Förderung einstellte, wurde die Tonne Steinkohle auf dem Weltmarkt für etwa 90 Euro gehandelt. Damit war sie deutlich günstiger als deutsche Steinkohle, die im Schnitt für 160 Euro pro Tonne im Untertage-Bergbau produziert wurde. Die Differenz glich der Staat mit der Kohle-Subvention aus. Nicht nur, um die Arbeitsplätze der Bergleute im Saarland und im Ruhrgebiet zu erhalten, sondern auch, um eine nationale Energiereserve sicherzustellen.
Inzwischen wird die Tonne Steinkohle, die in deutschen Kraftwerken verstromt wird, auf dem Weltmarkt für 350 Euro gehandelt. Das heißt: Auch mit den üblichen Kostensteigerungen könnte derzeit in Deutschland wettbewerbsfähig Steinkohle gefördert werden. Das geht aber nicht, da inzwischen alle deutschen Zechen geschlossen sind und ein einmal geschlossenes Bergwerk nicht wieder fördern kann.
Der rasante Preisanstieg auf dem Weltmarkt für die Tonne Steinkohle hängt nicht nur mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zusammen. Der Preis kletterte schon Ende 2021 in bis dahin ungekannte Höhen. Ein solches Szenario konnten sich die Kohle-Gegner in FDP, Grünen und Teilen der CDU nicht vorstellen. Dabei war schon damals klar, dass die Preisentwicklung bei der Steinkohle langfristig nach oben zeigen würde. Der deutsche Ausstieg aus dem Abbau und die höhere Nachfrage nach Importkohle sorgten für einen zusätzlichen Schub.
In den vergangenen vier Jahren wurde in den mehr als 30 deutschen Steinkohle-Kraftwerken, die immerhin neun Prozent des deutschen Stroms erzeugen, vornehmlich russische Kohle verbrannt. Sie macht über die Hälfte der deutschen Importe aus. Dahinter folgen mit weitem Abstand die USA und Australien. Insofern trägt Deutschland auch mit den Kohle-Importen zur Finanzierung des russischen Angriffskriegs in der Ukraine bei.
Zwar hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck angekündigt, spätestens ab kommendem Monat vollständig auf russische Importe verzichten zu wollen. Doch die Frage wird sein, woher die benötigte Steinkohle kommen soll. Kolumbien soll als Lieferant einspringen. Doch das ist kein gutes Signal. Erstens wird Kohle im südamerikanischen Land unter fragwürdigen sozialen und ökologischen Bedingungen abgebaut. Zweitens hat der neu gewählte Präsident Gustavo Petro angekündigt, den Export von Rohstoffen zurückfahren zu wollen.
Dennoch kann die Bundesrepublik gegenwärtig kaum auf eine Aufstockung der Kohleverstromung verzichten, um das zur Wärmeerzeugung dringend benötigte Erdgas zu sparen und sich aus der Abhängigkeit von Russland zu befreien. Das hat Habeck begriffen und deshalb angekündigt, Kohlekraftwerke länger als geplant laufen zu lassen. Dass der Steinkohle Vorrang eingeräumt wird, hängt damit zusammen, dass sie im Gegensatz zur Atomkraft geeignet ist, Lastspitzen im Stromnetz abzudecken. Deshalb ist die Debatte um längere Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke auch eine Gespensterdiskussion.
Für die Steinkohle spricht im Gegensatz zur Braunkohle ihr erheblich höherer Brennwert. Wenn schon fossile Brennstoffe zur Energie- und Wärmeerzeugung genutzt werden müssen, weil Ausbau, Transport und Speicherung von erneuerbaren Energien noch nicht im ausreichenden Maß vorangeschritten ist, ist es sinnvoll, dies möglichst effizient zu tun.
Dabei hat auch das bisher als Brückentechnologie favorisierte Erdgas Tücken. Der Energieexperte und langjährige grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell weist darauf hin, dass Erdgaskraftwerke mindestens genauso schädlich für das Klima sind wie Kohlekraftwerke. Wenn sie mit Frackinggas betrieben würden, könnten sie sogar bis zu 30 Prozent mehr Treibhausgase emittieren als Kohlekraftwerke.
Insofern haben sich die Argumente, die gegen einen Sockelbergbau in Deutschland zur Sicherstellung einer nationalen Energiereserve gesprochen haben, mittlerweile als Fehleinschätzung herausgestellt. Der Fehler des Ausstiegs aus dem Bergbau ist allerdings nicht mehr zu korrigieren.