Berlin/Bremen. Das Auto ist für viele Deutsche mehr als nur ein Fortbewegungsmittel. Es ist Luxus- und Prestigeobjekt, soll manchem Fahrer das Gefühl von Freiheit vermitteln. Knapp 46 Millionen angemeldete Autos gab es zum 1. Januar 2017 in Deutschland. Und trotzdem: Laut einer neuen repräsentativen Studie des Umweltministeriums und des Umweltbundesamtes will die Mehrheit der Deutschen nicht mehr so stark aufs Auto angewiesen sein: 91 Prozent gaben an, dass das Leben besser werde, wenn der oder die Einzelne nicht mehr auf ein Auto angewiesen sei. 79 Prozent wünschen sich eine Stadtentwicklung, die die Alternativen zum Auto stärkt.
Momentan nutzen 70 Prozent der Befragten für ihre Wege im Alltag täglich oder mehrmals in der Woche das Auto. Regelmäßige Autofahrer sind aber bereit, unter bestimmten Voraussetzungen mehr zu Fuß zu gehen (drei Viertel) oder mit dem Rad zu fahren (zwei Drittel). „Die Menschen sind bereit, auf das Auto zu verzichten, aber sie brauchen gute Alternativen: weniger Autos, einen leistungsfähigen und günstigen öffentlichen Nahverkehr, gute und sichere Fahrradwege“, sagte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Das sei eine starke und wichtige Botschaft sowohl für die Umweltpolitik als auch für die Stadtentwicklungspolitik. „Sie wird uns Rückenwind geben in unserem Einsatz für die Stadt der kurzen Wege, für neue Radwege und nachhaltige Mobilität“, erklärte Hendricks weiter.
Kritik am Verkehrsminister
Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen, betonte, dass der Bedarf an attraktiven öffentlichen Verkehrsmitteln, an mehr und besseren Radwegen so groß sei wie „die Abneigung des Verkehrsministers, dafür zu investieren“. „So ist der Stillstand dieser Koalition bei der Verkehrswende vorprogrammiert – allen Äußerungen von Frau Hendricks zum Trotz. Wenn Herr Dobrindt endlich seinen Maut-Murks beenden würde, könnte er sehen, wie groß der Nachholbedarf für gesunde, umweltfreundliche und stadtverträgliche Mobilität ist“, so Hofreiter.
Ebenso kritisierte Herbert Behrens, Bundestagsabgeordneter (Die Linke) aus Osterholz-Scharmbeck, die Bundesregierung. „Sie missachtet den Willen der Bevölkerung in Sachen Mobilität. Die Menschen sind bereit, vom Auto auf den öffentlichen Personennahverkehr und das Fahrrad umzusteigen.“ Behrens fordert mehr Aktivitäten beim Ausbau von Angeboten: „Der Bau von 25 bis 50 Kilometern Fahrradschnellweg im Jahr 2017 für bis zu 25 Millionen Euro kann es ja wohl nicht gewesen sein“.
Solche Fahrradschnellwege sind auch in Bremen geplant. Der Kommunalverbund Niedersachsen-Bremen will sogenannte „Premium-Verbindungen“ schaffen, die auf schnelleren und besonders viel Radverkehr ausgelegt sind. Der Plan dafür soll im kommenden Jahr fertig sein, heißt es vonseiten der Organisation. Jens Tittmann, Sprecher des Bremer Bauressorts, sieht sich in den Ergebnissen der Studie des Umweltministeriums bestätigt: Die Nachfrage nach mehr Mobilität sei vorhanden. „Genau das ist der Grund, warum wir Straßenbahnlinien erweitern und warum wir insgesamt den Öffentlichen Personennahverkehr ausbauen“, erklärte Tittmann.
„Wir haben Zuwächse bei den Fahrgastzahlen“, sagte Andreas Holling von der Bremer Straßenbahn AG (BSAG). Von 2005 bis heute seien die Zahlen pro Jahr von knapp 97,5 Millionen Fahrgästen auf etwa 104 Millionen Euro gestiegen. Darin enthalten ist auch die Zahl der Flüchtlinge, die den öffentlichen Nahverkehr nutzen. „Wir haben keine wirkliche Erhebung, wer mit uns fährt“, erläuterte Holling. Das Ergebnis der Studie sei mit Vorsicht zu genießen. „Die Wechselwilligkeit bewerten wir grundsätzlich positiv, wobei bei solchen Umfragen immer so eine Frage zwischen der befragten und tatsächlichen Wechselwilligkeit besteht.“
Schließlich bleibt das Auto für die Befragten der Studie das wichtigste Verkehrsmittel. Nur jeder Dritte nutzt demnach mehrmals die Woche das Fahrrad, öffentliche Verkehrsmittel nur jeder Fünfte. „Die gute Nachricht ist aber: Wir beobachten einen signifikanten Bewusstseinswandel“, sagte Ministerin Hendricks. Und hier sieht sich Bremen als Vorreiter. Jens Tittmann: „Ich glaube, dass Bremen hier dem deutschen Bewusstsein schon immer ein Stück voraus war. Bremen ist eine deutsche Fahrrad-Hauptstadt.“ Was die Nutzung des Fahrrads betrifft, sei Bremen schon immer „extrem vorbildlich und aufgeschlossen gewesen“.