Sie stecken in Kühlschränken, Autos oder Reisepässen. Mikrochips werden für fast jedes Produkt des täglichen Lebens gebraucht, sind dementsprechend heiß begehrt. Doch Europa hinkt auf dem Weltmarkt hinterher – noch. Der EU Chips Act soll das ändern. Mithilfe des Gesetzes will die EU bei Forschung und Herstellung zu den mächtigen Konkurrenten in Asien und den USA aufschließen, indem sie europäische Produktionskapazitäten für Halbleiter ausbaut und dafür viel Geld zuschießen will. Als entscheidend gilt, dass die Initiative den Weg ebnet für Staatshilfen, die unter den bisherigen Beihilferegeln kaum vorstellbar wären.
Am Dienstag stimmte der führende Industrieausschuss des EU-Parlaments über die Position ab, mit der das Parlament, das im Februar formal noch zustimmen muss, in die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten treten wird. Dabei sehen die Abgeordneten beispielsweise den Abbau von administrativen Hürden, ein Exportverbot für europäisches Know-how sowie einen Notfallmechanismus vor, mit dem die Gemeinschaft gegen Chips-Engpässe verhindern und bewältigen will.
Als „wichtigen europäischen Baustein zur Unterstützung einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Industrie“, pries Henrike Hahn, industriepolitische Sprecherin der deutschen Grünen, die „europäische Halbleiteroffensive“. Im Februar hatte die Kommission den Vorschlag präsentiert. Dem Gesetzentwurf zufolge sollten vor allem Großprojekte staatlich unterstützt werden. Die Europaabgeordneten wollen die Kriterien für Subventionen jedoch erweitern.
Finanzielle Hilfen auch für kleine Unternehmen
Der Anwendungsbereich soll laut Hahn „für alle Unternehmen entlang der EU-Halbleiterwertschöpfungskette gelten“, sodass auch hoch spezialisierte kleine und mittelgroße Unternehmen finanzielle Hilfen erhalten, „wenn dabei in Produkt- oder Prozessinnovationen investiert wird, die in Europa vorher noch nicht vorhanden waren“, wie es hieß. Als ein Beispiel wurde angeführt, besonders energieeffiziente Chips zu fördern.
Mit dem EU Chips Act plant die Gemeinschaft, ihren weltweiten Marktanteil bei Halbleitern bis 2030 auf mindestens 20 Prozent zu verdoppeln. Die Brüsseler Behörde hatte angekündigt, dafür rund 43 Milliarden Euro zu mobilisieren. Die gestrige Einigung im Ausschuss sei „ein wichtiger Schritt zu mehr europäischer Eigenständigkeit“, lobte der CDU-Europaparlamentarier Christian Ehler. Trotzdem liege über dem Vorhaben ein Schatten. „Unsere Mittel entsprechen unseren Ambitionen bislang nicht.“
So hatte die Kommission etwa vorgeschlagen, Geld aus bestehenden Förderprogrammen umzuwidmen. Das fehle dann jedoch an anderer Stelle, gab der industriepolitische Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion zu bedenken. Es dürfte auf einen Streit in den Verhandlungen zwischen dem Parlament und dem Rat hinauslaufen. Denn die 27 Mitgliedstaaten rücken traditionell weniger gerne Geld heraus, während die Abgeordneten nun zusätzliche Mittel fordern, etwa für Forschung und Entwicklung.
"Grüne Industriepolitik gezielt unterstützen"
„Die Finanzierung des Chips Act muss die Ernsthaftigkeit dieser globalen Herausforderung widerspiegeln“, forderte Ehler. Gleichwohl ist den Abgeordneten bewusst, dass die Union mit Förderungen wie etwa dem milliardenschweren US-Subventionsprogramm von Präsident Joe Biden, dem sogenannten Inflation Reduction Act (IRA), nicht mithalten kann. Stattdessen könne die „intelligente Förderung an den richtigen Stellen europäische grüne Industriepolitik gezielt unterstützen“, sagte Hahn.
Vonseiten der Firmen gebe es den Willen zu investieren, bekräftigte der SPD-Europaparlamentarier Matthias Ecke. Umso bedeutender sei deshalb die Botschaft der EU: „Wir wollen die Förderung durch die Mitgliedstaaten über Beihilfen erleichtern und europäisches Geld in die Hand nehmen.“ Und Deutschland könnte mithilfe der Milliarden-Investitionen das Epizentrum für die Industrie darstellen. So will der Chip-Hersteller Intel mit einer Fabrik in Magdeburg Tausende Arbeitsplätze schaffen, der deutsche Infineon-Konzern plant, in Dresden zu bauen und im Saarland will der US-Hersteller Wolfspeed laut Medienberichten ein Werk für Halbleiter errichten.