Tschüss Karstadt, Tschüss Kaufhof – Deutschlands letzte große Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof erfindet sich neu. Unter dem Namen Galeria will der Handelsriese, der mit seinen 131 Warenhäusern noch immer viele Innenstädte prägt, nach schwierigen Jahren wieder Tritt fassen. „Wir wollen das vernetzte Herz der Innenstadt werden“, teilte Galeria-Chef Miguel Müllenbach mit.
Dazu will der Konzern die teils angestaubten Filialen in der Zukunft gründlich ummodeln. „Mit unseren teuren Innenstadtlagen können wir nicht Preisführer sein, aber wir können ein besonderes Einkaufserlebnis bieten – mit ausgewählten Produkten und hoher Aufenthaltsqualität“, beschrieb Müllenbach seine Pläne. Die Warenhäuser sollen „zu Wohlfühlorten werden, an denen die Menschen gerne ihre Freizeit verbringen – einkaufen, aber auch Dienstleistungsangebote nutzen oder Gastronomie und Kultur genießen“. 600 Millionen Euro will der Konzern für die Modernisierung ausgeben. Davon sollen 400 Millionen Euro in die Aufwertung der Warenhäuser fließen. Bis zu 60 Häuser sollen vollständig umgebaut werden, der Rest teilweise. Auch der Online-Shop, die IT und die Logistik sollen aufgerüstet werden.
Galeria-Kaufhäuser sollen alles unter einem Dach haben
Nach den schwierigen Zeiten während des Lockdowns sieht Müllenbach optimistischer in die Zukunft. „Die Corona-Pandemie hat dafür gesorgt, dass die Menschen ihre Einkäufe möglichst wieder auf einen Schlag erledigen. Das gibt dem Warenhaus mit seinem alten Motto ‚Alles unter einem Dach‘ Rückenwind.“ Drei Warenhäuser hat der Handelsriese bereits zu Pilotfilialen umgebaut.
Beispiel Frankfurt: Das Warenhaus an der Hauptwache soll zeigen, wie sich die Kette in Metropolen gegen die Online-Konkurrenz und die Markenläden behaupten kann. Ein wichtiges Schlagwort ist hier „mehr Premium“ – im Angebot, aber auch drum herum. So sollen eine Champagnerbar, ein Sushi-Angebot von TV-Koch Steffen Henssler und eine Bar auf der Dachterrasse mit Blick auf die Skyline für Spaß beim Einkaufen sorgen.
Die Galeria in Kassel soll dagegen als „regionaler Magnet“ Modell für Geschäfte in kleineren Städten sein. Hier will der Handelsriese das Warenangebot mit Dienstleistungen anreichern, um besser gegen Amazon bestehen zu können. So gibt es künftig eine Außenstelle der Stadtverwaltung, wo Menschen Personalausweise beantragen oder abholen können. An einer Paketstation soll man Pakete von DHL und anderen Lieferdiensten in Empfang nehmen können. Und im Parkhaus gibt es eine Fahrradwerkstatt.
Die Filiale in Kleve am Niederrhein soll als „lokales Forum“ Modell für kleinere Galeria-Häuser in Deutschland sein. Hier geht es laut Müllenbach vor allem darum, mehr auf die lokalen Bedürfnisse einzugehen.
250 Millionen Kunden in Galeria-Filialen
„Die Galeria-Filialen kommen zusammen auf rund 250 Millionen Besucher im Jahr. Wir müssen es schaffen, dass diese Kunden einen größeren Teil ihrer Einkäufe als bisher bei uns erledigen. Dann werden wir auch Marktanteile zurückgewinnen“, so Müllenbach. „Marktanalysen haben gezeigt, dass unser Sortiment dazu trendiger und hochwertiger werden muss. Das setzen wir jetzt um.“
Auch im Internet will Galeria stärker punkten. „Wir werden in diesem Jahr online über 200 Millionen Euro Umsatz machen und wollen das zeitnah vervierfachen“, erklärte Müllenbach. Für den Warenhauskonzern ist sein Zukunftskonzept Galeria 2.0 vielleicht die letzte Chance, sich im Kampf gegen Amazon, H&M und die Markenläden der Hersteller zu behaupten.
Als bereits im Juli erste Pläne bekannt wurden, kritisierte der Marketing-Professor Christoph Burmann von der Bremer Uni das Konzept. Er bezweifelte, dass es dem Galeria-Besitzer René Benko um eine Wiederbelebung der Warenhäuser gehe: „Benko ist ein Immobilienunternehmer. Der hat keinerlei Interesse an irgendeiner Art von Warenhaus. Der will schlichtweg die Immobilien und die Grundstücke in den Innenstadtlagen versilbern.“ Das ist laut Burmann an einer Zahl abzulesen: „Wenn man sieht, dass jetzt 600 Millionen Euro in 131 Filialen gesteckt werden, da sagt jeder Fachmann, dass das ein Witz ist. Das reicht für ein paar neue Schaufensterdekos, und das war es dann schon.“
Über die Idee mit dem Bürgerservicecenter und der Fahrradwerkstatt sagte Burmann, dass es für das Konzept kein Warenhaus brauche. Der Professor hatte 1993 seine Dissertation über Karstadt und Kaufhof geschrieben. Sein Ergebnis damals: „Nur Warenhäuser an Top-Standorten mit einer Fläche von mehr als 12.000 Quadratmetern haben überhaupt einen Sinn.“
Auch andere Ketten passen ihr Filialnetz infolge des Online-Booms an. Allerdings sind die Antworten auf die Herausforderungen unterschiedlich. Die Elektronikketten Media Markt und Saturn etwa wollen in den Innenstädten stärker auf kleinere Märkte setzten. Ikea experimentiert in zentralen Lagen gerade mit sogenannten Pop-up-Stores und Planungsbüros. Die Parfümeriekette Douglas gestaltet neue Läden dagegen zurzeit gerne eine Nummer größer. Dort versucht es das Unternehmen unter anderem mit Angeboten wie „Botox to go“. Es geht darum, etwas anzubieten, bei dem die Online-Konkurrenz nicht mithalten kann.