Im vergangenen Jahr hat die Reederei Hapag-Lloyd den höchsten Gewinn ihrer Geschichte eingefahren. Rolf Habben Jansen warnte als Chef der Reederei, die vor 175 Jahren gegründet und seit 1970 nach der Fusion mit dem Norddeutschen Lloyd unter Hapag-Lloyd firmiert, bei der Vorstellung des Geschäftsberichts allerdings vor Übermut: Aus seiner Sicht seien die Rekordgewinne einer "außerordentlichen Situation" geschuldet – die "Normalisierung" des Marktes habe bereits eingesetzt. Und die Hafenbetreiber blicken ohnehin voller Argwohn auf die aktuellen Rekordgewinne der Großreedereien.
Denn die müssen zurzeit nicht einmal mehr und mehr Container befördern, um ihre Gewinne zu steigern: Zur Verschönerung der Bilanzen reichen die drastisch gestiegenen Preise für den Transport der Blechboxen. Weil die Transportketten in der Corona-Pandemie ins Stottern geraten waren, zahlten die Verlader zeitweilig jeden Preis, um ihre Ware von A nach B transportieren zu lassen. So stieg die durchschnittliche Frachtrate für einen 20-Fuß-Standardcontainer bei Hapag-Lloyd von gut 2000 Dollar im Jahr 2021 auf zeitweilig über 3000 Dollar im vergangenen Jahr – ein Preissprung von 50 Prozent.
In beiden Jahren transportierte Hapag-Loyd jeweils gut 11,8 Millionen Standardcontainer (TEU) auf seinen Schiffen. Doch durch die hohen Preise vermehrten sich die Einnahmen fast wie von selbst: Der Umsatz kletterte 2022 um 38 Prozent auf 34,5 Milliarden Euro; davon blieben unter dem Strich 17,5 Milliarden Euro als Gewinn (vor Steuern) übrig – so viel wie noch nie in der Geschichte der Hamburger Traditionsreederei. Das Jahr davor war mit einem Gewinn von 9,4 Milliarden Euro auch schon kein schlechtes.
Das weckt Argwohn und Kritik bei anderen Markteilnehmern, zum Beispiel den Hafenbetrieben: Vor Jahren bereits haben sich die Containerreedereien zu einigen wenigen, großen Konsortien zusammengeschlossen, die ihre Schiffe gemeinsam nutzen und Kapazitäten abstimmen. Gegenüber den Häfen haben sie so eine stattliche Verhandlungsmacht aufgebaut, wenn es um Preise und Konditionen geht. Mehr noch: Verstärkt drängen die Reeder selbst ins Umschlagsgeschäft, indem sie sich an Hafenterminals beteiligen oder diese gleich komplett übernehmen – die prall gefüllten Kassen helfen bei der Geldbeschaffung.
Einstieg in Italien
So konnte Hapag-Lloyd im vergangenen Jahr seine Beteiligung am Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven und am ägyptischen Hafen Damietta unter Dach und Fach bringen; seit Jahresbeginn ist auch der Einstieg in die italienische Spinelli Gruppe perfekt, die Terminals in Genua und Salerno bei Neapel betreibt. Zusammen mit den Beteiligungen am Containerterminal in Hamburg-Altenwerder und in Tanger (Marokko) entsteht so ein Hafennetzwerk, über das Hapag-Lloyd exklusiv verfügen kann. Weitere Beteiligungen seien noch in diesem Jahr zu erwarten, kündigte Habben Jansen an.
Die Hafenbetreiber sehen das mit gemischten Gefühlen: Einerseits gelten die Reedereien als willkommene Partner, die für Umschlag an den Kajen sorgen. Andererseits fühlen sich die Terminalbetreiber zunehmend einem ungleichen Wettbewerb ausgesetzt: Durch diverse Steuerprivilegien liege der effektive Steuersatz für die Reeder derzeit bei einem Prozent, rechnet der Zentralverband der Deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) vor.
Der Zusammenschluss zu Konsortien setze "wesentliche Regeln des Wettbewerbs" außer Kraft. "Sehr problematisch ist es nun, wenn die Linienschifffahrt ihre quasi steuerfreien Gewinne nutzt, um weltweit ins Geschäft des Hafenumschlags und der Hinterlandlogistik zu drängen und ihre Sonderprivilegien auch dort zur Anwendung bringt", meint ZDS-Hauptgeschäftsführer Daniel Hosseus. "Es kann nicht richtig sein, dass in diesem globalen Verdrängungswettbewerb zwei Unternehmen, die die gleiche Tätigkeit ausüben, so stark unterschiedlich besteuert und reglementiert sind. Es wird mit zweierlei Maß gemessen."
Die EU-Kommission hat bereits die Konsortien ins Visier genommen und denkt über Regeln zur Verschärfung des Wettbewerbs nach. Der Hapag-Lloyd-Chef sieht das gelassen: "Wir werden die Ergebnisse der Untersuchung abwarten und uns dem dann anpassen", sagt Habben Jansen. "Irgendeine Form von Kooperation wird auch danach weiter möglich sein." Das Hapag-Lloyd-Konsortium "The Alliance" mit mehreren ostasiatischen Reedereien arbeite stabil.
Und die Rekordgewinne der Reeder, die für so viel Misstrauen sorgen, seien ohnehin eine einmalige Sache, prognostiziert Habben Jansen. Schon in der zweiten Hälfte des Rekordjahres 2022 hätten sich die Verhältnisse geändert: Die Frachtraten sanken wieder, schneller sogar, als manche das erwartet hätten. "Wir sehen eine schrittweise Normalisierung, und das ist auch gut so", sagt der Reedereichef. In den nächsten Monaten werde das Angebot an Schiffsraum sogar die Nachfrage wieder übersteigen, sodass der Druck auf die Reeder steigen und die Raten weiter zurückgehen könnten. Einen Rekordgewinn wie im Jubiläumsjahr wird Hapag-Lloyd so schnell wohl nicht wieder einfahren.