Die bremische Hafenbahn fährt künftig mit Biosprit. Als erster großer Seehafen in Europa betankt Bremen seine Rangierloks ab sofort nicht mehr mit herkömmlichem Diesel, sondern mit HVO – einem Kraftstoff, der aus Biomüll gewonnen wird, zum Beispiel altem Speiseöl oder Abfällen aus der Fleischindustrie. Dadurch soll der CO2-Ausstoß der Hafenbahn um 90 Prozent reduziert werden.
"Ich tanke Biokraftstoff" stand auf der roten Rangierlok, die Häfensenatorin Claudia Schilling (SPD) am Mittwoch in Bremerhaven mit dem neuen Sprit befüllte. In der vergangenen Woche war die Tankstelle am Güterbahnhof Speckenbüttel umgerüstet worden – ab jetzt gibt es in Bremerhaven nur noch Biosprit für die Hafenbahn. „Wir beenden heute in Bremerhaven als erstem großem Seehafen in Europa den Einsatz von Diesel und machen die Schiene noch grüner", verkündete die Senatorin.
Gut ein Dutzend Rangierloks ist im Hafen im Dauereinsatz - rund um die Uhr, an 360 Tagen im Jahr. Die Hälfte der in Bremerhaven umgeschlagenen Container und 70 Prozent der Autos werden per Bahn an- und abtransportiert. Die Rangierloks ziehen die Waggons von den elektrifizierten Güterbahnhöfen zur Be- und Entladung auf die Terminals und wieder zurück. 80.000 Liter Sprit verfeuert eine Lok dabei jedes Jahr im Schnitt.
Bislang war das herkömmlicher Diesel. Beim Rangieren stießen die Loks also jede Menge CO2 aus, das zuvor Hunderte Millionen von Jahren unter der Erde geschlummert hatte. Im Rahmen der "Greenports"-Strategie jedoch sollen die Häfen schrittweise weniger Treibhausgase produzieren und am Ende ganz ohne klimaschädliche Emissionen auskommen. Der neue HVO-Biosprit passt also in dieses Konzept.
HVO steht für "Hydrotreated Vegetable Oil" – hydriertes Pflanzenfett. Hergestellt wird es aus pflanzlichen oder tierischen Fetten, die in Raffinerien mit Wasserstoff versetzt und in Kohlenwasserstoffe umgewandelt werden. Der so gewonnene Brennstoff kann entweder herkömmlichem Diesel beigemischt oder als reiner Kraftstoff verwendet werden. Umweltschützer sehen bestimmte Sorten von HVO kritisch, weil oft Palmöl oder dessen Abfallprodukte als Ausgangsstoff verwendet wird. Das trage zur Abholzung des Regenwaldes bei, kritisiert etwa der Verein Rettet den Regenwald.
Biosprit ohne Palmöl
Die Deutsche Bahn jedoch, die die Tankstelle in Bremerhaven betreibt, verwendet ausschließlich HVO, das ohne Palmöl gewonnen wurde, versichert der Konzern. Stattdessen können zum Beispiel altes Frittenfett oder Schlachtabfälle zum Einsatz kommen. Bei der Verarbeitung entsteht eine klare Flüssigkeit, die bei der Verbrennung sogar weniger rußt als Diesel. Und nach Pommesbude stinkt es auf der Lok auch nicht. "Die Frage hat unsere Lokführer natürlich auch interessiert", sagt Sebastian Doderer, Logistikchef beim Zevener Eisenbahnunternehmen EVB, einem von drei Rangierlokbetreibern in Bremerhaven. "Aber man riecht tatsächlich nichts."
Allerdings entsteht bei der Verbrennung CO2. Weil dieses jedoch zu Lebzeiten der Pflanzen – vor der Verarbeitung zu Speiseöl und Kraftstoff – der Atmosphäre entzogen wurde, gilt HVO unter dem Strich als nahezu klimaneutral. Das hat allerdings seinen Preis: zehn bis 20 Prozent teurer als Diesel ist der neue Kraftstoff.
Die Umstellung der Loks auf den Betrieb mit HVO ist dagegen einfach; große Umrüstungsarbeiten sind nicht erforderlich. "Wir mussten vor allem Erklärungen und Freigaben von den Kraftstoff- und Motorenherstellern einholen", erläutert Doderer. Im ersten Betriebsjahr sollen die Loks zudem häufiger als üblich inspiziert werden, um mögliche Schäden an den Motoren rechtzeitig zu entdecken. Bremen honoriert den Mehraufwand mit einem Zuschuss von 200.000 Euro.
Für Häfensenatorin Schilling lohnt sich der Aufwand: "Wir wollen dabei auch ein Vorbild für andere Häfen und Hinterland-Terminals beim Klimaschutz sein und zeigen, wie mit diesem alternativen Kraftstoff sofort signifikant die Emissionen gesenkt werden können", sagt sie. "Bremerhaven bietet von heute an nicht nur eine leistungsstarke Verbindung auf der Schiene an, sondern zugleich die nachhaltigsten und klimafreundlichsten Logistikketten ins Hinterland.“
In Hamburg etwa ist man noch nicht so weit. "Der Vorteil von Bremerhaven ist sicherlich, dass es hier um eine überschaubare Anzahl von Loks geht, das macht die Umstellung einfacher", erklärt EVB-Logistikchef Doderer. "In Hamburg sind es ein paar mehr." Auch dort wird aber bereits über den Biokraftstoff gesprochen. Gut möglich also, dass die Hamburger bald mal in Bremerhaven vorbeischnuppern, um sich einen Eindruck vom Lokbetrieb mit Frittenfett zu verschaffen.