Alle wollen "klimaneutral" werden – auch der Hafen. Wo heute noch Schiffsdiesel wummern und Van Carrier mit heulenden Motoren Container umherfahren, sollen in ein paar Jahren keine Treibhausgase mehr die frische Meeresluft verpesten. Das jedenfalls ist das Ziel, das das Land Bremen mit seiner "Greenports"-Initiative verfolgt. Am Freitag trafen sich Vertreter der Hafenverwaltung und der großen Umschlagbetriebe und diskutierten über die nächsten Schritte auf dem Weg zum "grünen Hafen".
Der klimaneutrale Hafen ist Teil der Bemühungen des Landes Bremen, bis 2038 insgesamt keine Treibhausgase mehr in den Himmel zu blasen. Im Überseehafengebiet in Bremerhaven, in dem die großen Auto- und Containerterminals liegen, will man dieses Ziel schon einige Jahre eher erreichen – zumindest auf der Landseite: Schleusen, Lagerhallen, Kühlhäuser, die Hafenbahn und das gesamte Umschlaggerät sollen bis spätestens 2035 ohne fossile Energien betrieben werden. "Das ist ein ambitioniertes Ziel", räumt Häfensenatorin Claudia Schilling (SPD) ein. Aber es lohne sich: "Denn einerseits lassen uns die bedrohlichen Klimaszenarien letztlich keine andere Wahl, und andererseits investieren wir in die Zukunftsfähigkeit unserer Häfen." CO2-neutrale Lieferketten gewinnen als Verkaufsargument an Wichtigkeit und werden von Großkunden zunehmend eingefordert.
Um zu untersuchen, ob ein Hafen, in dem tonnenschwere Lasten bewegt werden, überhaupt ohne Kohle, Öl und Gas betrieben werden kann, hatte die staatliche Hafengesellschaft Bremenports 2019 eine Studie in Auftrag gegeben. Projektname: Sharc – für Smart Harbor Application Renewable Integration Concept, also ein Konzept, mit dem die Integration von erneuerbaren Energien in die Energieversorgung des Hafens ermöglicht werden soll. Die Frage lautete: Können grüner Strom, Wasserstoff oder synthetische Treibstoffe, die aus regenerativen Energien hergestellt werden, die herkömmlichen Energielieferanten Kohlestrom, Erdgas und Diesel ersetzen? Und was kostet das?
Hauptproblem sind die Van Carrier
Was die Projektpartner – darunter Siemens sowie mehrere Hochschulen und Forschungsinstitute – am Ende vorlegten, machte Hoffnung: Zumindest in der Simulation habe man beweisen können, "dass ein CO2-freies Überseehafenquartier in Bremerhaven für das Jahr 2030 möglich ist", heißt es in der Zusammenfassung der Ergebnisse. Der dickste Brocken ist dabei der Transportbereich mit einem Anteil von gut 70 Prozent am Gesamtenergieverbrauch des Überseehafens. Verantwortlich dafür ist vor allem die Flotte von 250 Van Carriern – langbeinigen Hubwagen, mit denen auf dem Containerterminal die Blechboxen hin und her gefahren werden. Sie werden mit Dieselmotoren betrieben und sind zusammen mit anderem Transportgerät im Hafen für zwei Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich. Sie zu ersetzen durch Fahrzeuge, die mit Strom, Wasserstoff oder zumindest synthetischem Treibstoff betrieben werden, wäre also der größte Schritt auf dem Weg zum klimaneutralen Hafen.
Obwohl die Abgase der im Hafen liegenden Schiffe nicht zur CO2-Bilanz des künftigen "klimaneutralen Überseehafens" hinzugerechnet werden, gehört auch der Bau von Landstromanlagen zur "Greenports"-Strategie. Sie sollen dafür sorgen, dass die Schiffe während der Liegezeit im Hafen ihren Dieselmotor abstellen können und von Land aus mit Strom versorgt werden. Bremenports plant zurzeit den Bau von neun solcher Schiffssteckdosen: zwei auf dem Containerterminal, eine im Nordhafen (Autoterminal), eine am Kreuzfahrtterminal, drei im Fischereihafen (alle in Bremerhaven) sowie zwei im Bremer Hüttenhafen.
Fest steht schon jetzt: Billig wird der "grüne Hafen" nicht. Die Gutachter des Sharc-Projektes rechnen mit rund einer halben Milliarde Euro, die das Häfenressort und die Unternehmen in neues Gerät und eine CO2-freie Energieversorgung stecken müssten. Da der Senat für seine Vision vom klimaneutralen Bremen bis 2038 tief in die Tasche greifen will, könnte die Gelegenheit günstig sein, an Fördergelder zu kommen. Die Teilnehmer des "Runden Tisches" jedenfalls wollen nun die ersten Projekte auf den Weg bringen, die die Klimabilanz des Hafens verbessern sollen. Am Tisch sitzen neben der Hafengesellschaft Bremenports und dem Sharc-Projektteilnehmer Siemens die großen Energieverbraucher des Überseehafens, darunter die Containerterminalbetreiber Eurogate, NTB und MSC Gate, die BLG mit ihrem Autoterminal und das Kloosterboer-Kühlhaus. Am Freitag diskutierten sie drei Stunden lang über die Frage, wo die erneuerbaren Energien für den "grünen Hafen" herkommen sollen und wie die Umstellung wirtschaftlich zu bewerkstelligen wäre. Im Januar wollen sie sich wieder treffen.