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Lock & Co.Hatters Der Hutmacher der feinen Gesellschaft

Der Hutmacher Lock & Co. Hatters hat seinen Sitz seit fast 350 Jahren im Herzen Londons und ist für all diejenigen eine feste Adresse, die sich wie ein britischer Gentleman kleiden möchten.
05.06.2024, 19:52 Uhr
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Von Susanne Ebner

Wer vom Piccadilly Circus aus das Viertel St. James’s in Richtung Buckingham-Palast durchquert, verlässt eine Welt und betritt eine andere. Hier befinden sich Straßen, in denen die Londoner Gentleman-Elite im 19. Jahrhundert einkaufte und dieser Geist hat sich bis heute erhalten. In der St. James’s Street befindet sich das wahrscheinlich älteste Hutgeschäft der Welt, Lock & Co. Hatters. Das Unternehmen ist offizieller Hoflieferant des Königshauses und die Wiege der wohl britischsten Kopfbedeckung, der Melone.

„Als das Geschäft 1676 gegründet wurde, war London noch viel kleiner”, sagt Ben Dalrymple, der Manager von Lock & Co. Etwa 400.000 Menschen lebten dort, die St. James’s Street lag damit am Rande der Stadt. Die Straße war eine der ersten, die gepflastert wurden, hier fuhren Kutschen. Gentlemen flanierten in Gehröcken, kauften sich Kleidung, Accessoires, einen Stock oder eben einen Hut. Stars, Staatsmänner und Royals wurden und werden von Lock & Co. mit individuell gefertigten Hüten ausgestattet.

Der erste und wichtigste Schritt, um den perfekten Hut zu finden, sei seit jeher die Bestimmung der Kopfgröße. „Jeder kennt seine Schuhgröße. Leider kennt auch jeder seinen Taillenumfang”, sagt er lachend. Aber kaum jemand kennt seine Kopfgröße. Dabei sei diese ausgesprochen wichtig, auch um die Form richtig zu erfassen. Dafür nutzen die Berater bei Lock & Co. in einem Nebenraum einen sogenannten Conformateur. Einmal aufgesetzt, passen sich Hebel und die geformte Krone den Konturen des Kopfes an.

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Doch in dem Zimmer gibt es noch mehr zu entdecken. Neben einer gerahmten Urkunde, die belegt, dass das Geschäft das Königshaus beliefert, hängt ein Dankesbrief von Charlie Chaplin an die Hutmacher. Der britische Leinwandstar verhalf dem in Auftrag von Lock & Co. entworfenen „Bowler hat” - in Deutschland als Melone bekannt - zur Berühmtheit. Benannt ist er nach Thomas und William Bowler, die den Hut für Lock & Co. kreierten. Er wurde kleiner, stabiler und runder konstruiert als ein Zylinder. Ein wenig wie ein Bauhelm.

In einer Glasvitrine liegt außerdem ein dickes, vergilbtes Buch, in dem handschriftlich Bestellungen von prominenten Kunden wie Ex-Premierminister Winston Churchill vermerkt sind. Daneben wird eine Reproduktion des Zweispitzes ausgestellt, den der berühmte englische Admiral Lord Nelson erworben hatte und welchen er in der Schlacht von Trafalgar 1805 trug. Nelson hatte das Geschäft kurz zuvor noch einmal besucht, um seine Rechnung zu begleichen. Er fiel in der Schlacht, konnte jedoch Napoleons Pläne für eine Invasion der britischen Inseln vereiteln.

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Damals wie heute lassen Kunden ihre alten Hüte bei Lock & Co. Hatters auch reparieren. Verantwortlich dafür ist unter anderem Jayesh Vaghela, ein Hutmachermeister, den viele Briten aus der Fernsehsendung „The Repair Shop” des Senders BBC One kennen. Vaghela ist berühmt für sein stets gepflegtes Äußeres und verkörpert im Anzug und mit seiner Fliege um den Hals auch an diesem Tag einen perfekten britischen Gentleman.

Der Fachmann zeigt, wie er einen Zylinder repariert. Vorsichtig wiegt er den schwarzen Hut in den Händen. Vaghela spricht viel über die einzelnen Teile, die Krempe, das Hutband, welche Teile man ersetzen kann und welche nicht. Das Tüpfelchen auf dem i sei das Polieren des Zylinders. Dafür streicht er mit einer weichen Bürste behutsam über den schwarzen Hut, der so nach und nach in neuem Glanz erstrahlt, wobei dabei darauf zu achten sei, in welche Richtung man bürstet, „ein wenig wie bei einem Fell”.

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Exponierte Lage, prominente Kundschaft: So viel Luxus muss teuer sein, könnte man meinen. Doch wer zu Lock & Co. Hatter geht, müsse kein Vermögen ausgeben, versichert Manager Dalrymple. Aber er kann. „Unsere Preise beginnen bei etwa 100 Pfund, unser teuerster Hut kostet jedoch 15.000 Pfund”, also mehr als 17.000 Euro. Das sei dann allerdings ein Vintage-Stück. „Manche Seidenhüte werden seit den 1940er-Jahren nicht mehr hergestellt. Und die Seide, aus der sie gefertigt wurden, wird auch nicht mehr produziert”, rechtfertigt er den hohen Preis.

Während die Herrenhüte inzwischen extern gefertigt werden, entstehen die Damenhüte im Dachgeschoss des Hauses aus dem 17. Jahrhundert. Dort sitzen Hutmacherinnen an kleinen Tischen unter einer Holzbalkendecke. An einer Pinnwand kleben Bilder verschiedener Designs, Schleifen, Stoffmuster. Die Hüte hängen an gespannten Seilen oder sitzen auf Styroporköpfen. Die halbfertigen Kopfbedeckungen sind schwarz, golden, blau, mit oder ohne Krempe und oft mit einer gleichfarbigen Blume geschmückt.

Tina, eine Hutmacherin aus Deutschland, die seit 20 Jahren in Großbritannien lebt und seit 18 Jahren für die Firma arbeitet, zeigt ein Exemplar, das sie anlässlich des jährlich stattfindenden Pferderennens in Ascot im Juni fertigt. „Das ist so ziemlich das Aufwendigste, an dem ich je gearbeitet habe“, sagt sie und weist auf die vielen Details hin, die es zu beachten gilt. Der hellblaue Hut, aus dessen Mitte spitz zulaufende Streifen nach außen ragen, sieht von oben ein wenig wie eine Sonne aus.

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Im Frühjahr gebe es wegen des traditionellen Pferderennens viel zu tun. „Was für andere Branchen Weihnachten ist, ist für uns Ascot”, sagt sie.

In einem Beratungsgespräch besprechen Mitarbeiter und einer der Hutmacher mit dem Kunden alles Wichtige - von der Haarfarbe bis zur Gesichtsform. Nach dem Vermessen wird der Hut aus Bananenblättern oder Parasisol, einem Stoff aus der Agave, auf einem Hutblock geformt. Dann wird der Hutteil zugeschnitten, die Krone und die Krempe werden zusammengenäht. Vieles ist Handarbeit, wie in früheren Zeiten, bevor ein großer Teil der Hüte als Massenware in Fabriken hergestellt wurde.

Warum es Lock& Co. Hatters nun schon so lange gibt? „Ich glaube, es ist immer ein bisschen Glück dabei”, sagt Dalrympl. Schließlich habe das Familienunternehmen Pandemien, Epidemien, Brände und Kriege überlebt. Die Eigentümer seien umsichtige Unternehmer, die auf langfristigen Erfolg setzten. „Wenn man die Herstellung von Hüten als Modemarke betrachtet, dann sind wir winzig, aber wir sind sehr spezialisiert, und ich glaube, das hält uns am Leben.” Und natürlich profitiert der Laden vom Mythos des Gentlemans, dessen Stil nach wie vor Männer und Frauen inspiriert.

Dieser Mythos wiederum geht nicht zuletzt auf die Londoner Stilikone des frühen 19. Jahrhunderts, Beau Brummell, zurück. Ihm ist im Viertel St. James's eine lebensgroße Statue gewidmet: „Wenn sich die Leute auf der Straße nach dir umdrehen, ist deine Kleidung nicht gut genug, zu steif, zu eng oder zu modisch", soll er einmal gesagt haben. Sein zurückhaltender Stil konzentrierte sich auf die Details: perfekte Passform, Proportionen und Schnitt, Qualität der Materialien und Sauberkeit.

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Diese unaufdringliche Eleganz habe Tradition, sagt Dalrymple. Sie führe aber auch dazu, dass Lock-Hüte getragen würden, ohne dass jemand davon Notiz nimmt. Schließlich haben sie, anders etwa französische oder italienische Marken wie zum Beispiel Coco Chanel oder Gucci, kein sichtbares Logo. Tatsächlich aber kämen sie zum Beispiel in vielen Filmen vor. So tragen James-Bond-Darsteller von Lock & Co. designte Stücke, aber das habe lange Zeit niemand gewusst. Jetzt habe das englische Unternehmen eine Kollektion aufgelegt, um auf diese Geschichte aufmerksam zu machen.

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Zu sehen sind Filzhüte, Schiebermützen und ein schwarzer Panamahut auf passend gestalteten schwarzen Hutschachteln mit der Aufschrift 007, in Gold. Einer trägt den Namen „The James Trilby”. Er sei im Vorspann von „James Bond - 007 jagt Dr. No“ zu sehen gewesen, erzählt der Manager, „in der Pistolenszene, wo der Agent sich umdreht und schießt“. Früher hätten sie dies nicht öffentlich kommuniziert, aber nun haben sie beschlossen, die Hüte von James Bond als Marke zu lizenzieren.

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Denn trotz der langen Geschichte steht das Unternehmen natürlich auch vor Herausforderungen, vor allem durch den Brexit. „Er ist schrecklich für das Land im Allgemeinen, er hat die Dinge schwerer gemacht”, sagt Dalrympl. „Wir hatten einen hervorragenden Handel mit Europa. Jetzt ist es für die Europäer natürlich viel teurer, hier einzukaufen, und umgekehrt auch. Und das ist wirklich schade. Das macht mich sehr traurig.” Der Brexit habe viele Türen geschlossen, die sich noch nicht wieder geöffnet hätten, so der Manager.

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Was das Unternehmen für ihn ausmacht? Es sei der besondere Service, die Zeit, die er sich nehmen kann. „Wenn man einen Kunden hat, der nach nur fünf Minuten etwas kauft, dann ist das natürlich in Ordnung. Aber eigentlich macht es mir mehr Spaß, wenn jemand kommt, der etwas Besonderes will.” Es sei interessant herauszufinden, „was die Leute bewegt" - und natürlich dafür zu sorgen, dass der Hut richtig sitzt, egal ob in Ascot oder beim Bummel durch das Londoner Viertel St. James’s.

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