Oldenburg. Unmittelbar vor einer Sitzung des Aufsichtsrats, in der es um die Abberufung des EWE-Chefs Matthias Brückmann gehen sollte, sind neue Vorwürfe gegen den 55-Jährigen bekannt geworden. Bei der Vergabe eines Auftrags für ein rund 250 000 Euro teures Werbevideo soll er Ende 2015 gegen interne Richtlinien des Energiekonzerns verstoßen haben, dem auch der Bremer Versorger SWB gehört. Ein EWE-Sprecher bestätigte dies am Mittwoch. Zuvor hatte der NDR darüber berichtet.
Dem Bericht zufolge hätte Brückmann damals mindestens drei Angebote einholen müssen, was dieser trotz Aufforderung nicht getan habe. „Er wurde schriftlich darauf hingewiesen, dass die Vergabeprozesse einzuhalten sind“, so der Sprecher. „Das hat er schriftlich zurückgewiesen und den Auftrag freihändig an einen Bekannten gegeben.“
Der Anwalt Brückmanns wies dies zurück. „Das sind völlig haltlose Vorwürfe“, sagte Bernd-Wilhelm Schmitz. Die Kommunikationsabteilung habe damals die Verhandlungen geführt und den Vertrag ausgehandelt. „Der Vorstand war nicht unmittelbar eingebunden“, heißt es auch in einem von Brückmann in Auftrag gegebenen Gutachten, das verschiedene Vorwürfe untersucht und zu dem Schluss kommt, dass keine Pflichtverletzungen vorliegen.
Nach einer umstrittenen Spende von 253 000 Euro an eine Stiftung des Ex-Boxweltmeisters Wladimir Klitschko wollte der EWE-Aufsichtsrat am Mittwoch über die Abberufung des EWE-Chefs entscheiden. Ein Gutachten im Auftrag des Kontrollgremiums hatte Regelverstöße des EWE-Chefs festgestellt, das Aufsichtsratspräsidium empfahl die Abberufung. Die Kontrolleure des Oldenburger Energieanbieters EWE sind am Abend mit rund eineinhalbstündiger Verspätung zusammengekommen, um eine Entscheidung zu treffen. Ergebnisse wurden bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht bekannt.
Der staatlich geprüfte Bauzeichner Matthias Brückmann legte bei EWE eine steile Karriere hin. Im Juli 2013 wurde er in den Vorstand berufen. Im Oktober 2014 folgte die Ernennung zum stellvertretenden Vorstandschef, ein Jahr später stand er an der Konzernspitze – ausgestattet mit einem Vertrag bis zum Jahr 2020.
Der aus Heidelberg stammende Manager trat 2015 als Erneuerer an. Er wollte EWE umbauen, um die Herausforderungen des sich verändernden Energiemarktes erfolgreich zu meistern. Offenheit und Transparenz seien ihm wichtig, betonte er mehrfach.
Brückmann hat Auslandserfahrung, baute in Brasilien eine Firma auf und war vor seiner Tätigkeit bei EWE Mitglied des Vorstands des Mannheimer Energieversorgers MVV Energie AG. Führungspositionen hatte er nach Angaben der EWE-Homepage auch beim BFE Institut für Energie und Umwelt und der Enertec Energie und Technik GmbH inne.