Hannover. Bei der Suche nach Lösungen für die Milchpreiskrise setzt Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer (Grüne) auf Selbstregulierung. „Die Branche soll es selbst richten, sonst droht eine obligatorische Senkung“, sagte er am Freitag nach einem Treffen mit Vertretern von Niedersachsens größten Molkereien in Hannover.
Bis zur nächsten Agrarministerkonferenz im September, so der Minister, sollten Lösungen vorliegen: „Das ist die Frist, die wir ihnen gesetzt haben.“ Ihnen, das sind rund ein Dutzend Molkereivertreter. Ebenso wie Meyer machten auch sie am Freitag klar, dass nur europäische Ansätze letztlich nachhaltige Lösungen bringen könnten.
Skepsis an einer europäischen Lösung äußerte der Vorsitzende von Deutschlands größter Genossenschaftsmolkerei DMK, Thomas Stürtz. „Ich habe im Moment meine Zweifel, wenn ich mit meinen Kollegen aus größeren Molkereien spreche; Irland, Holland, Skandinavien: dort hat man ganz andere Vorstellungen“, sagte er. Von den zwei Dutzend nach Hannover gereisten Landwirten erntete er spöttisches Gelächter, als er erklärte: „Wir stellen fest im Moment, dass die Milchanlieferung zurückgeht; der Markt funktioniert.“
Er gab zu, dass die Reaktion auf die katastrophale Marktlage relativ spät kam: „Wir haben diesen freien Markt alle gewollt, wir haben gewusst, dass diese Preisschwankungen kommen – aber in dieser Intensität haben wir nicht damit gerechnet.“ Einen negativen Effekt habe auch das Russland-Embargo.
Meyer gab sich konstruktiv und betonte die Rolle der Molkereien als Partner bei der Lösungssuche. Er sagte aber auch: „Wir haben hier ein Marktversagen.“ Angebot und Nachfrage drifteten auseinander. Hintergrund ist ein Überangebot an Milch in Europa, das die Branche in die Krise gestürzt hat. Meyer spricht sich daher für Förderprogramme aus, die an freiwillige Mengenbegrenzungen gekoppelt sind. Niedersachsen liegt mit 6,9 Millionen Tonnen erzeugter Milch pro Jahr auf Platz zwei hinter Bayern.
Wenige Stunden vor dem Krisentreffen hatte Meyer ein Schreiben von Agrarministern aus mehreren Bundesländern an Kanzlerin Angela Merkel angekündigt. Sie solle an Lösungsvorschläge erinnert werden, die auf der Agrarministerkonferenz Mitte April erarbeitet wurden. Meyer kritisierte außerdem eine zögerliche Haltung von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU). Die Krise durch den Preisverfall für Agrarprodukte müsse angesichts ihrer existenzgefährdenden Ausmaße zur Chefsache gemacht werden.
Niedersachsens Milchbauern drohten Einnahmeverluste von 1,2 Milliarden Euro. „Wenn sich der Prozess des Höfe-Sterbens beschleunigt, haben wir in fünf Jahren eine Halbierung des Bestands“, so Meyer. In Hannover machten einige Betroffene ihrem Ärger lautstark Luft. Auf Transparenten forderten rund zwei Dutzend Bauern: „Stoppt das Höfesterben – Mengen reduzieren statt Bauern ruinieren.“
Die 53-jährige Elisabeth Jankrift aus Glandorf sieht durch die Krise die Stabübergabe an die Kinder in Gefahr. Ebenso wie ihr 51-jähriger Kollege Rainer Winter aus Bohmte. Auf ihren Höfen wird seit Mitte 2014 kaum noch genug Geld verdient, um alle Rechnungen zu bezahlen. Für die Unterstützung der noch studierenden Kinder geht beiden mittlerweile ebenso das Geld aus wie für Neuinvestitionen. „Und wir müssen das Futter für die Kühe ja ein Jahr im Voraus finanzieren“, sagt Winter. Versuche mit einer sogenannten Milchtankstelle hat Winter als unrentabel wieder aufgegeben.