Was wäre, wenn gerade kein Wahlkampf wäre? Worüber würden die Deutschen dann diskutieren? Und vor allem wie? Ein gutes Beispiel ist der Diesel-Skandal. Autobauer haben das Vertrauen ihrer Kunden über Jahre missbraucht, sich abgesprochen, Politiker und Verbraucher bewusst getäuscht. Anstatt weitere Aufklärung und Sanktionen zu fordern, beschäftigt sich die Politik einen Monat vor der Bundestagswahl aber lieber damit, mit extremen Forderungen Wähler für sich zu gewinnen. Eine Scheindebatte, bei der es schon längst nicht mehr um die eigentliche Sache geht – wenn das überhaupt jemals der Fall war.
Es geht wortgewaltig zu. FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner spricht von „Enteignung“ der Diesel-Fahrer, sollten Fahrverbote kommen. CSU-Chef Horst Seehofer macht das Festhalten am Verbrennungsmotor gar zu einer Voraussetzung für eine Regierungskoalition, während Grünen-Vorsitzender Cem Özdemir mit der Forderung nach dem Ende des fossilen Verbrennungsmotors genau das Gegenteil will. Die wenigen konkreten Forderungen, wie etwa von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die Autoindustrie zu technischen Nachrüstungen ihrer Fahrzeuge zu zwingen, verpuffen da schon fast.
Das ist fatal, denn es lenkt vom eigentlichen Problem ab. Die Ergebnisse des groß angekündigten Diesel-Gipfels Anfang August sind unzureichend. Software-Updates, um den Schadstoffausstoß zu verringern, reichten nicht aus, um die Stickstoffdioxidbelastung in allen Städten auf ein verträgliches Niveau zu senken, rechnete das Bundesumweltamt vergangene Woche vor.
Wäre die Politik nicht im Wahlkampf-Modus, würde die Diskussion sicherlich anders verlaufen. Momentan spricht allerdings vieles dafür, dass es bis zur Bundestagswahl bei Nebelkerzen von allen Seiten bleibt. Echte Ergebnisse kommen – wenn überhaupt – erst nach dem 24. September. Sofern es dann nicht schon wieder einen neuen Skandal gibt.