Landkreis Verden. Nach dem Bundestag hat in der vergangenen Woche nun auch der Bundesrat dem Fracking-Gesetz zugestimmt (wir berichteten). „Die politischen Vertreter vor Ort verkaufen es als Erfolg, dabei verbirgt sich dahinter nur heiße Luft. Damit war die Arbeit der Bürgerinitiativen in den vergangenen fünf Jahren umsonst“, wettert Andreas Noltemeyer von der Bürgerinitiative (BI) No-Fracking Völkersen gegen das neue Gesetz. Demnach könne die bisherige Fördertätigkeit im Erdgasfeld Völkersen unverändert weitergehen, zudem dürfe weiterhin offen abgefackelt und sogar wie in der Vergangenheit weiter gefrackt werden. Letzteres setze lediglich eine Umweltverträglichkeitsprüfung voraus. Alle im Landkreis Verden aktiven Bürgerinitiativen gegen Gasbohren und Fracking haben bei einem Pressegespräch am Freitag ihren Unmut über das geschnürte Gesetzespaket geäußert, sehen darin für das Kreisgebiet, insbesondere für Völkersen, nur Nachteile.
Sie befürchten, dass nun das gesamte Lagerstättenwasser, was bei der Deutschen Erdöl AG (Dea) im Fördergebiet Niedersachsen anfällt, im Spanger Forst bei Völkersen (Bohrung Völkersen-Nord Z3) verpresst werden könnte. Der Energieversorger Dea hat bereits im Dezember 2014 einen Antrag beim Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) in Hannover gestellt, Lagerstättenwasser in ausgeförderten Gaslagerstätten zu versenken. In druckabgesenkte, kohlenwasserstoffhaltige Gesteinsformationen. Eine Verpressung des Lagerstättenwassers im oberflächennahen Kalkarenit, wie bisher in Wittorf geschehen, ist nämlich künftig nicht mehr zulässig – die Übergangsfrist beträgt insgesamt fünf Jahre. Sollte die Genehmigung dafür erteilt werden, drohe Völkersen ein regelrechter „Lagerstättenwasser-Tourismus“, hat Tom Vogel von der BI Völkersen schon die schweren Laster vor Augen, die durch den Wald donnern.
„Die Krone wird dem Ganzen durch die Neuregelung in der Allgemeinen Bergordnung aufgesetzt. Demnach darf das zu versenkende Lagerstättenwasser einen Anteil von 0,1 Prozent wassergefährdeter Stoffe enthalten“, schreiben die Vertreter der kreisweit aktiven BI in einer gemeinsamen Erklärung. Tom Vogel befürchtet, dass neben der Dea künftig auch andere Konzerne das bei ihnen anfallende giftige Lagerstättenwasser zwischen Völkersen und dem Heidkrug versenken. „Eine Auseinandersetzung mit den Fragen, ob durch das Verpressen die Erdbebengefahr steigt, hat offenbar nicht stattgefunden“, moniert Gerd Landzettel (BI No-Fracking Völkersen). Seismologischen Gefährdungen sei durch „geeignete Maßnahmen“ vorzubeugen, zitiert er den entsprechenden Passus im Fracking-Gesetz. Ob das Lagerstättenwasser vor dem Verpressen überhaupt aufgearbeitet werden müsse, obliege dem neuen Gesetz zufolge lediglich der Einzelfallentscheidung der Behörde.
Und auch die von den hiesigen Volksvertretern gefeierte Einführung einer Beweislastumkehr bei durch Gasförderung ausgelösten Erdbeben sei bei genauer Betrachtung nur sehr bedingt als Fortschritt zu bezeichnen. „Entscheidend ist nämlich, dass sich die geschädigten Gebäude für die Anwendung der Bergschadensvermutung im sogenannten Einwirkungsbereich des Erdbebens befinden müssen“, weist Gerd Landzettel darauf hin. Die Grenzen des Einwirkungsbereiches seien in der Verordnung dadurch definiert, dass entsprechende Bodenschwinggeschwindigkeiten (fünf Millimeter pro Sekunde für Wohngebäude) vorliegen müssten. „Als es die Verordnung noch nicht gab, sind die Experten immer von einer Schwinggeschwindigkeit von maximal 4,9 Millimeter pro Sekunde ausgegangen, doch nach neuesten Informationen aus dem Bundeswirtschaftsministerium waren es in Wirklichkeit 5,5 Millimeter pro Sekunde“, erklärt Gerd Landzettel.
Für ein weiteres politisches Erdbeben im Landkreis Verden haben unterdessen die Äußerungen des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil gesorgt: „Die Zusage des Ministerpräsidenten, dass nun in Niedersachsen Fracking-Bohrungen nach Erdgas erfolgen dürfen, wird von der Kreis-CDU kritisiert. Die Dea wird dies als Freibrief ansehen und in der Folge wird es hier neue Bohrstellen und ein massives Ausfördern von Gas aus dem Untergrund geben“, erklärt der Vorsitzende der CDU-Kreistagsfraktion Wilhelm Hogrefe. Und ergänzt: „Das, was wir jetzt aus Hannover hören, ist ein fataler Querschuss. Anstatt nur die Arbeitsplätze in der Gasindustrie schützen zu wollen, sollte sich der Ministerpräsident lieber für die Förderung regenerativer Energien einsetzen.“
Hogrefe kündigt an, dass sich der „Runde Tisch zur Zukunft der Gasförderung“ nun mit der neuen Lage befassen werde. Der Runde Tisch setzt sich unter anderem aus den Kreistagsfraktionen, den sechs Bürgerinitiaven aus dem Landkreis Verden, den beiden Kirchen sowie dem Landvolkverband zusammen. „Wir müssen den Druck weiter erhöhen“, sind sich die Vertreter der BI einig. Die jüngst vom Verdener Kreistag beschlossene Resolution zur Verringerung der Erdgasförderung müsse nun endlich „gelebt“ werden.