Hasîtî. Das ist Kurdisch und heißt Frieden. So wie Pokój (Polnisch), Ukuthual (Zulu), Tutkiun (Inuitisch), Vakacegu (Fidschi) oder Sulh (Türkisch). „Es gibt 6500 Sprachen auf dieser Welt, das wussten wir vorher auch nicht“, sagt Gunnar Zropf und nimmt sich eine weitere Handvoll italienischer Glasmosaiksteine, jeder ein Quadratzentimeter klein, um sie sorgsam nebeneinander in das Bett aus Zweikomponentenkleber zu legen.
6500 Sprachen. Ob es auch in jeder das Wort gibt, das im Deutschen Frieden heißt, wissen weder Gunnar Zropf noch seine Frau Regina Heygster – sie die Schöpferin des Friedenstunnels, den viele nach wie vor Rembertitunnel nennen und der demnächst anders aussehen wird als heute. Auf 100 Metern, 50 an jeder Wand, wird 130 Mal „Frieden“ stehen, immer in einer anderen Sprache, aber nicht in immer unterschiedlicher Schreibweise. „Fred“ beispielsweise taucht dreimal auf, weil es in Dänemark, Norwegen und Schweden dieselbe Bedeutung hat.
Heygster und Zropf sitzen sich in ihrer Werkstatt an der Vahrer Straße gegenüber, vor sich jeweils eine zwei Meter lange und 25 Zentimeter breite beziehungsweise hohe Stahlplatte. Zwischen den hochgebogenen Kanten verlegen sie das Friedensmosaik, die Töpfe mit den Steinchen stehen in der Mitte des Tisches. Die Buchstaben – auch die den Deutschen unverständlichen Schriftzeichen – hat Regina Heygster vorher aufgemalt und komplett selbst gelegt: In Windrosenform, weil diese alle vier Himmelsrichtungen symbolisiert; in Gelb und Orange, weil Gelb die Farbe der Sonne ist und in Orange, weil es lebensvoll, fröhlich und zugleich warm wirkt, sagt Heygster. Der weiße Rahmen um die Buchstaben bringt Licht ins Spiel, und das Blau, in das alles eingebettet ist, steht für den Himmel. „Diese Farben verkörpern für mich Frieden“, erklärt die Grafik-Designerin, die als Kunstpädagogin an der Gesamtschule Ost arbeitet, Kurse in Sterbebegleitung gibt und noch einige andere Dinge für den Lebensunterhalt tut.
Für das Mosaik, an dem sie seit April täglich bis zu sechs Stunden arbeitet, bekommt sie keinen Cent. Auch Gunnar Zropf nicht oder die Freundinnen, die gelegentlich helfen. „Das ist alles ehrenamtlich“, sagt Heygster. Sie weiß, dass manche sie wegen des Friedenstunnels belächeln. „Viele aber auch nicht.“ Einmal habe eine Frau gesagt, sie solle sich doch lieber für die Hungernden in Afrika engagieren. „Gerne“, erwiderte Heygster, „wenn Sie da ein Projekt haben, das mir zusagt, will ich es gerne unterstützen.“ Die Frau sei wortlos davongegangen.
Die Sebaldsbrückerin wollte nach dem Terroranschlag auf die Twin Towers in New York ein Zeichen für den Frieden setzen. Sie gründete den Verein Friedenstunnel, „dem sich fast alle Bremer Religionsgemeinschaften angeschlossen haben.“ Er organisiert Veranstaltungen, die dazu beitragen sollen, die Verständigung der Menschen untereinander zu fördern.
Das ist die inhaltliche Arbeit. Der Friedenstunnel dagegen soll das Streben nach Toleranz sichtbar machen. „Ich habe mir viele Tunnel angeguckt, der Rembertitunnel ist eines der vernachlässigsten Bauwerke und mit seiner Jugendstilfassade zugleich eines der schönsten“, so Heygster.
Jetzt soll er noch schöner werden, nicht nur durch die Mosaike. Die „trüborangen Lichtbänder“ an den Seiten würden verschwinden, berichtet Gunnar Zropf, Leiter zweier Tagesstätten für Behinderte. Stattdessen werde die Unterführung künftig durch LED-Licht erhellt. Das alles kostet – rund 100 000 Euro insgesamt. Im für Autofahrer bis zum 6. September gesperrten Tunnel wurde eine Gasse für Radfahrer und Fußgänger gebaut, allein dafür werden 15 000 Euro fällig. Für Materialien sind 35 000 Euro kalkuliert, für die Beleuchtung 25 000 Euro. Der Tunnel bekommt weiß gestrichene Wände für weitere 15 000 Euro.
Das Projekt wird ausschließlich aus Spenden finanziert. Die noch laufende Aktion „1000 x 100 Euro“ ist nach Heygsters Angaben recht gut angekommen, gerade auch bei den Menschen im Umfeld. „Das zeigt doch, dass sie sich eine Verschönerung des Tunnels wünschen.“ Weiteres Geld stammt aus Patenschaften à 350 Euro pro Wort, die Namen der Geldgeber werden auf Täfelchen genannt. Auch trügen viele Firmen aus Bremen und dem Umland zum Gelingen bei, freut sich die Initiatorin.