Die Retourkutsche kommt ausgerechnet zum Jubiläum. Die Aschwardener haben sich wie berichtet erfolgreich gegen eine Zusammenlegung ihrer Kirchengemeinde mit den Meyenburgern gewehrt. 600 Jahre zuvor war es genau umgekehrt. Die Meyenburger, bis dahin eingepfarrt in Aschwarden-Bruch, wollten nicht länger durch die Felder der Marsch zum Gottesdienst in die Kirche St. Nikolai pilgern. 1415 bauten sie im Dorf ihr eigenes Gotteshaus: die St. Luciae-Kirche. Es war die Geburtsstunde der eigenständigen Kirchengemeinde Meyenburg.
Jetzt sind es die Aschwardener, die den Abtrünnigen von einst die kalte Schulter zeigen. Eine kleine Kapriole der Geschichte zum Kirchenjubiläum in Meyenburg. Gefeiert wird trotzdem: am Sonntag, 5. Juli, mit einem Festakt in der St. Luciae-Kirche und Rahmenprogramm.
Das Gotteshaus mitten im Dorf am Damm verdankt seinen Bau vor 600 Jahren drei Mitgliedern der Familie von Wersebe, die schon seit über 700 Jahren auf dem Meyenburger Rittergut ansässig ist. In Stein gemeißelt ist es über dem Portal am Kirchturm nachzulesen: „Um 1415 haben der alte und der junge Johann von Wersebe, Martin von Wersebe und der Domherr Probst Hermann von Wersebe die Kirche fundiert und aufgebaut.“ Der Turm stand damals noch nicht. Ein anderer von Wersebe, Otto Wilhelm, ließ ihn erst 1752 an die Kirche anbauen.
Im selben Jahr erhielt das Gotteshaus neben einem zweiten Geläut auch eine Orgel. Der Kirchenpatron Otto Wilhelm von Wersebe hatte sie von der Klosterkirche St. Marien in Osterholz nach Meyenburg verfrachten lassen. Vom barocken Orgelprospekt aus der Werkstatt des berühmten Orgelbauers Arp Schnitger ist bis heute das Mittelteil im Original erhalten. Er wurde 1964 bei der ersten großen Kirchenrenovierung restauriert.

Wilko Jäger hat zum 600-jährigen Bestehen des Gotteshauses einen Kirchenführer erstellt. GKE
Damals bekam das Instrument auch ein neues Spielwerk, sein mittlerweile drittes. Das erste was 1905 ersetzt worden. Nicht nur in den Ohren der Meyenburger Kirchenmusikerin Barbara Junghans klingt die Orgel von St. Luciae „wunderschön“. Auch andere Organisten, die hier schon die Register ziehen durften, zeigten sich beeindruckt. „Die meisten sind sehr dankbar, wenn sie auf unserer Orgel spielen dürfen“, sagt Junghans. Am Sonnabend, 11. Juli, gibt es zur Feier des Kirchenjubiläums ein besonderes Hörerlebnis. Der Berliner Organist und Komponist Michael Schütz gibt ab 19.30 Uhr in St. Luciae ein Pop-Orgelkonzert.
Das Meyenburger Kirchenschiff, 1857 neu erbaut, hat in seinem Innern manche Wandlung vollzogen. 1964 wurde die Kirche nicht nur renoviert sondern auch umgebaut. Die seitlichen Emporen wurden entfernt, auch die Loge der Familie von Wersebe. Sechs Jahre zuvor war deren Kirchenpatronat zu Ende gegangen. An die Gründer der Kirche erinnern neben der Inschrift am Turm bis heute zahlreiche Zeugnisse. Dazu gehört das Wappen an der Wetterfahne auf der Kirchturmspitze.
Der ursprüngliche Kanzelaltar aus Holz wich 1964 einem schlichten Sandstein-Altar mit einem Wandteppich als einzigem Schmuck im Hintergrund. Die neue Sachlichkeit gefiel den Meyenburgern offenbar nicht. Seit 1984 wird wieder von der Kanzel über einem Altar gepredigt. Aus einer alten Klosterkirche in Höver bei Hannover kam das Schmuckstück nach Meyenburg. „Tischler und Zimmerleute aus dem Dorf bauten den Kanzelaltar aus dem 19. Jahrhundert auf“, erzählt Wilko Jäger.
Der Meyenburger Heimatkundler hat zum Jubiläum des Gotteshauses einen Kirchenführer herausgebracht. Auf 50 reich bebilderten Seiten erzählt er von der Geschichte der Kirche, ihren Schätzen und von heiteren Geschichten, die sich um das Gotteshaus ranken. Zur 600-Jahr-Feier am Sonntag wird das Heftchen vorgestellt.
Der Titel „Im Zeichen des Lichts“ erinnert an die Namenspatronin der Kirche, die Heilige Lucia. Lucia bedeutet „die Leuchtende“. Die Schutzheilige lebte um 300 in Syrakus auf Sizilien. Im Turmraum ist Lucia sogar gegenwärtig: als Holzskulptur, geschnitzt vom Meyenburger Kurt Grimm. Im Turm steht auch ein Lichterbaum aus Eisen mit Messingblättern. Der Meyenburger Kunstschmied Klaas Thomalla hat ihn anlässlich des Kirchenjubiläums gefertigt.
Die Feier zur Gründung des Gotteshauses vor 600 Jahren wird um 10 Uhr mit einem Festgottesdienst in der Kirche eröffnet. Die Predigt hält Landessuperintendent Hans Christian Brandy. Musikalisch wird der Gottesdienst gestaltet vom Meyenburger Kirchenchor unter der Leitung von Barbara Junghans, dem Chor „Taktvoll“ unter der Leitung von Meike Meyerdierks und dem Schwaneweder Posaunenchor unter der Leitung von Uwe Jeromin.
Um 12 Uhr beginnt ein Fest vor dem Gemeindehaus mit Kinderprogramm, einer Kirchenführung mit Wilko Jäger und einem offenen Singen mit dem Meyenburger Mühlenchor. Der Festtag endet um 17.05 Uhr mit einer Andacht in der St. Luciae-Kirche.