Wohin, wenn man guten Fisch essen möchte? Die Frage saß. Eigentlich beschämend, wenn einen in dieser Region Deutschlands die Mitmenschen nicht mit Antworten überhäufen, sondern ins Stottern geraten. „In Bremerhaven wüsste ich ja einige Lokale ...", lautete ein viel gesagter Satz, den ich nicht hören wollte. Vielleicht kam auch kaum jemand auf „Fisherman's Seafood", weil es etwas versteckt im Gebäudekomplex der Stadtbibliothek liegt. Schade drum. Denn was uns die Küche auftischte, verdiente Respekt und Aufmerksamkeit.
Schon die Zeit bis zur Vorspeise überbrückte die herzensgute Kellnerin mit einem Gruß aus der Küche, von dem sich andere eine Scheibe abschneiden können. Die grob gehackten Tomaten besaßen eine schöne Säure und aßen sich einfach so weg. Vor Aioli schrecke ich erst einmal zurück, weil es oft so widerlich nach Knoblauch schmeckt, dass man am anderen Tag keinem Kollegen zu nah kommen sollte, und weil die Mayonnaise oft nur pampig im Schälchen liegt. Beides traf in keinster Weise zu. Vielmehr handelte es sich um einen schönen Aufstrich mit einer zurückhaltenden Knoblauchnote. Die Tunfischcreme zeichnete sich durch Lockerheit und den dezenten Geschmack von Kapern aus. Dazu ein Korb mit dreierlei Brot. Als ob das nicht schon ein gutes Angebot zum Start darstellte, brachte der Service noch einen kleinen Teller mit Wildgarnele und -lachs auf Apfelmeerrettich und Pumpernickel. Alle Achtung!
Der gelbe Muskateller des Weinguts Crass aus dem Rheingau (Flasche für 28 Euro) passte hervorragend dazu. Mit seiner Frucht und der leichten Restsüße ergänzte er alle Fischgerichte des Abends. Selbst bei der pikanten Hamburger Rauch-Aalsuppe (6,50 Euro), die mit einer Porzellancloche – was 'ne Schau! – aus der Küche kam, ging der gute Tropfen nicht unter. Die mundgerechten Happen vom Räucheraal auf Rührei und Schwarzbrot (14,70 Euro) untermalte er sanft. Nicht nur der Muskateller präsentierte sich als Alleskönner. Auch Rührei lässt sich einfach in vielerlei Hinsicht in ein Gericht mogeln und gleicht sich seiner Umgebung an. Eine wunderbare Idee, dem Räucheraal den letzten Schliff im gelben, schaumigen Eierbett zu verleihen.
Völlig angetan waren meine Begleitung und ich, als die Hauptgänge vor uns standen. Hinter den „Variationen für den Gaumen" (23,90 Euro) verbargen sich neben dem Mittelmeergemüse, Röstkartoffeln und Zitronen-Kräuterbutter allerlei Fische – unter anderem eine gegrillte rote Wildgarnele und ein Wildlachs, der durchaus noch hätte etwas glasiger im Innern sein dürfen. Der Koch ließ jedoch jedem Fisch seinen ganz eigenen Geschmack. Das Mittelmeergemüse besaß noch einen schönen Biss, und die Röstkartoffeln sogen den herrlichen Geschmack des frischen Rosmarins auf. Als noch größere Wucht stellte sich der Sylter Grillteller (22,50 Euro) heraus. Auf den auf den Punkt gebratenen und innen noch glasigen Filets vom Kabeljau und von der echten Limande lag eine ordentliche Portion Cocktailgarnelen. Dazu gab es frische Champignons, Drillingskartöffelchen und eine schaumig geschlagene Hollandaise, von der meine Begleitung nicht genug bekommen konnte.
Fazit: Ein Paradies für Fischliebhaber mit Portionen, die sich sehen lassen können. Da ist das Verdauungsschnäpschen aufs Haus willkommen.