In großer Runde haben sich interessierte Bürger, Vertreter der in der Flüchtlingsarbeit engagierten Initiativen und Organisationen als auch der öffentlichen Institutionen im Ortsamt West zusammengefunden, um sich auszutauschen über die aktuelle Situation in den einzelnen Bereichen der Flüchtlingsarbeit. Geleitet wurde das Treffen, das künftig ein bis zwei Mal im Jahr stattfinden soll, von Ortsamtsleiterin Ulrike Pala und Erwin Böhm vom Sozialzentrum Gröpelingen und Walle. Leander Muskalla (23) stellte sich als neuer Koordinator für die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe im Bremer Westen vor.
An einen runden Tisch passt die große Gruppe der Engagierten längst nicht mehr. Die meisten kennen sich untereinander, aber es sind auch viele neue Gesichter dabei. Das Treffen soll den Austausch der vielen Initiativen und ehrenamtlichen Teams ermöglichen und dazu dienen, die verschiedenen Hilfen immer besser zu koordinieren. Eine Aufgabe, für die seitens des Beirats Walle Petra Fritsche-Ejemole (Grüne) zuständig ist – und nun von der Stadt bezahlt, auch Leander Muskalla.
„Ich bin Ansprechpartner für alle Fragen von Ehrenamtlichen und vermittele auch bei Problemen“, stellt sich der 23-Jährige den Zuhörern im Ortsamt vor. Jeder, der im Stadtteil „irgendwas mit Flüchtlingen“ machen wolle, könne sich ab sofort an ihn wenden. Seit September dieses Jahres unterstützt Leander Muskalla auch Markus Großkopf, der für die Innere Mission das Überseetor-Wohnheim leitet und an diesem Abend über die aktuelle Situation in der Einrichtung berichtet.
Die Zusammenarbeit mit den ehrenamtlichen Helfern laufe nach wie vor gut, lobt Großkopf: „Es hat sich institutionalisiert und funktioniert mit einer großartigen Selbstständigkeit.“ Kleiderkammer, Sprach- und Begleitgruppe – diese drei Teams haben sich zusammengefunden und arbeiteten gut zusammen. Vor allem letztere brauche Verstärkung, lässt Grünen-Beirätin Petra Fritsche-Ejemole an dieser Stelle wissen.
Vor eine große Herausforderung stelle alle Beteiligten, so Großkopf weiter, dass einige Bewohner „derzeit wieder massiv von der Abschiebung bedroht“ seien. Ob haupt- oder ehrenamtlich – wer sich in der Flüchtlingshilfe engagiert, der arbeitet nah am persönlichen Schicksal des einzelnen Menschen, und das mache es schwer, „letztlich nach Herkunft einteilen zu müssen“. Wer eine Bleibeperspektive hat, soll möglichst schnell in eine eigene Wohnung ziehen, diese Leitlinie der Politik hat weiterhin Bestand, auch wenn „die Wohnungsunterbringung“ als „oberstes Ziel“ inzwischen nicht mehr so lautstark betont wird, wie noch vor wenigen Monaten. Widerrufen hat Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) diese Vorgabe nicht. „Wohnen üben“, formuliert daher auch Markus Großkopf als eine der Hauptaufgaben in der Einrichtung. Etwa 60 Personen seien bisher ausgezogen, so schätzt er, und „viele davon“ befänden sich bereits in Arbeitsverhältnissen. Begleiten würde man aber auch nach dem Auszug weiter.
Ein aktuelles Lagebild aus der sogenannten „Zeltstadt“ überliefert er in Vertretung für Katharina Brachmann, die die Notunterkunft an der Konsul-Smidt-Straße leitet. Zu den bekannten Schwierigkeiten, die das Leben in einem Zelt mit sich bringt, seien die Evakuierungen zum Problem geworden. Auch wenn das Schlechtwetter-Prozedere inzwischen „in Würde ablaufe“, sei es „nicht die Aufgabe der Helfer“, eine „furchtbare Situation“ möglichst erträglich zu machen, sondern „die Pflicht der Politik, dass die Zelte wegkommen“. Der Trend geht jedoch genau in die entgegengesetzte Richtung, und noch immer sind nicht alle Sommerzelte durch Winterzelte ersetzt worden.
Über die Turnhallenunterbringung weiß Peter Zeugträger vom Roten Kreuz zu berichten. Er ist zuständig für die Sporthalle Hohweg. Dort, wo sie „Ende September mit 340 Matratzen auf nacktem Boden gestartet“ sind. Inzwischen lebten die aktuell 220 Bewohner dort jeweils zu sechs oder acht Personen auf 35 Quadratmetern in einer „Einzelkabine“, die nach oben offen ist. Ganz praktisch fehle es zum Beispiel an Waschmaschinen: „Wir haben nur vier – und die laufen rund um die Uhr.“ Selbst zu kochen sei den Bewohnern ebenfalls nicht möglich, und so lieferten die Betreiber des Sport-Cafés „morgens und abends Vollverpflegung“. Unter diesen Bedingungen einen halbwegs normalen Alltag herzustellen, sei schwierig.
Was die schulische Integration im Stadtteil betrifft, zeichnet Börjer Horn, Schulleiter des Schulzentrums am Rübekamp, gegenüber seinen Vorrednern ein positives Bild: „Die ersten unserer Schüler sind in die Lehre gegangen und auf einem guten Weg, vollwertige Bürger dieser Gesellschaft zu werden“, sagt der Schulleiter mit Nachdruck. Alle 16 Bremer Berufsschulen seien in der Flüchtlingsbeschulung engagiert, von einer Krise könne zumindest in seinem Bereich keine Rede sein, sagte Horn und fügte hinzu: „Ich bin froh, daran teilhaben zu dürfen.“
Der öffentliche runde Tisch soll auch in Zukunft ein bis zwei Mal im Jahr im Ortsamt stattfinden, kündigte Ortsamtsleiterin Ulrike Pala am Ende der Sitzung an.