Besonders viele kleine und mittelständische Firmen aus Bremen spüren die Folgen der Corona-Krise stark. Laut einer aktuellen Civey-Umfrage ist mehr als jeder zweite Bremer Unternehmer in den Bereichen Handel, Finanzen und Handwerk von den Auswirkungen der Pandemie betroffen. Bremen liegt damit der Befragung zufolge deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt.
Viele Bremer Unternehmer treffen die Auswirkungen der Corona-Krise auch deshalb so hart, weil der Standort besonders vom Exportgeschäft abhängig sei, sagt Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel. Lange habe Bremen von der außenwirtschaftlichen Orientierung profitiert. „In der Krise wird der jahrelange Vorteil zum Nachteil“, sagt Hickel, „für das Exportgeschäft ist Corona eine ganz schwere Belastung“. In Bremen hätten etwa viele kleinere Logistikunternehmen seit der Krise zu kämpfen.
„Gerade der internationale Handel leidet aktuell, das merkt man in Bremen“, sagt auch Wissenschaftler Gerrit Heinemann. Er ist als Experte für die Initiative für Gewerbevielfalt tätig, die die Befragung in Auftrag gegeben hat. Der Wirtschaftsforscher sieht noch einen weiteren Grund für das Ergebnis bei der Befragung: „Dass besonders viele Bremer Unternehmer die Folgen der Corona-Krise spüren“, sagt Heinemann, „das hängt sicher auch damit zusammen, dass Bremen schon vor der Pandemie von Problemen geplagt war und als Wirtschaftsstandort mit Strukturschwächen zu kämpfen hatte.“ Die Innenstadt etwa habe sich schon vorher in einer Krise befunden. „Die Pandemie verstärkt die Probleme dramatisch“, sagt Heinemann, „die Kunden sind über Monate kontakttraumatisiert gewesen, wir erleben ein Jahr des Zuhausebleibens, und das spüren die Händler.“
Das Umfrageinstitut Civey hat im Auftrag der Initiative für Gewerbevielfalt von Das Telefonbuch zwischen April und August eine Langzeiterhebung durchgeführt und in einer repräsentativen Stichprobe bundesweit mehr als 5000 Führungskräfte von kleinen und mittelständischen Unternehmen zur aktuellen Lage befragt. Ein Schwerpunkt lag dabei auf der aktuellen Entwicklung von Innenstädten. Ein Ergebnis der Befragung: Die Bremer Unternehmer machen sich Sorgen, sie blicken pessimistisch auf die wirtschaftliche Lage. Mehr als 70 Prozent der Befragten bewerten die Situation für kleine und mittelständische Unternehmen eher schlecht bis sehr schlecht. In Bremen sehen damit mehr Unternehmer gravierende Schwierigkeiten als im Bundesdurchschnitt: Etwa 65 Prozent der deutschlandweit befragten Entscheider aus kleinen und mittelständischen Firmen schätzen die Lage ihrer Branche als eher schlecht bis sehr schlecht ein.
Corona beschäftigt die Wirtschaftsentscheider mehr als andere Themen
Laut der Umfrage schreiben die Bremer Unternehmer der Corona-Krise besonders großes Gewicht zu. Kein anderes Thema, auch nicht die Digitalisierung oder etwa der Fachkräftemangel, beschäftigt die Wirtschaftsentscheider aktuell mehr: Knapp 54 Prozent gaben an, dass die Auswirkungen der Pandemie ihr Geschäft und die Branche stark beeinflussen. Bundesweit räumten 45 Prozent der Unternehmer ein, dass sie die Folgen der Krise spüren. Auch im norddeutschen Vergleich sticht der Bremer Wert hervor: In der Region Weser-Ems unterstrichen 48 Prozent der befragten Unternehmer den starken Einfluss der Pandemie, in Hamburg waren es knapp 51 Prozent, in Schleswig-Holstein 42 Prozent.
Die Ergebnisse der Umfrage legten nahe, dass Großstädte wie Bremen stärker unter den Folgen der Pandemie litten als ländliche Regionen, sagt Jan König, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Nordwest. Besonders gelte das für den Einzelhandel. Oberzentren, die sonst Kaufkraft aus dem Umland abzögen, hätten in den vergangenen Monaten auf viele Kunden aus der Region verzichten müssen. „Wer im Bremer Umland wohnt, wird zuletzt eher dort eingekauft haben“, sagt König. Diese Entwicklung habe vor allem angeschlagene Branchen wie die Textilhändler getroffen.
Langsam kämen wieder mehr Kunden in die Innenstadt, sagt König. Viele hätten sich an die Maskenpflicht gewöhnt. Der Handel beweise zudem, dass er die Hygienemaßnahmen umsetzen könne, es habe keine größeren Corona-Ausbrüche in Geschäften gegeben. „Das nimmt den Kunden etwas die Verunsicherung“, so König. Ob das reiche, damit die Händler die Krise überstehen, sei allerdings fraglich.
Wirtschaftsexperte Rudolf Hickel fordert, dass der Senat die Rahmenbedingungen für Händler in der Innenstadt verbessert. Die Ergebnisse des Innenstadtgipfels seien ein erster Schritt, findet König. Es sei gut, dass die Probleme angegangen werden. „Natürlich wäre es aus heutiger Sicht schlauer gewesen, wenn Bremen einige Maßnahmen zur Belebung der Innenstadt schon vor Jahren getroffen hätte“, sagt König, „vielleicht würden einige Händler dann besser durch die aktuelle Krise kommen.“