Es ist ein bisschen wie im Western: Manchmal haben es die Guten nicht leicht, sich nach Recht und Gesetz oder wenigstens ordnungsgemäß zu verhalten. Zum Beispiel die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ambulanter Pflegedienste, die im Nebenberuf als Power-Parker unterwegs sind: Bei 15 bis 20 Patienten pro Schicht müssen sie ihr Dienstauto abstellen. Die Suche nach einem Platz dauere jeweils fünf bis zehn Minuten, schätzt Christian Clausen, Chef des Ambulanten Pflegeservice Bremen. Dass dabei nicht immer reguläre Parkplätze zu finden sind, zeigt der Alltag. Der Parkdruck in den Quartieren ist groß, noch größer ist er für Vielparker, die große Zeitnot haben.
„Die Situation ist katastrophal“, sagt Clausen, der seinen Dienst von Findorff aus betreibt. „Zu 99 Prozent wissen die Mitarbeiter, dass sie nicht korrekt stehen, aber wir bekommen Probleme, die Pflege in der Innenstadt zu gewährleisten.“ Bei vier von fünf Patientenbesuchen gebe es Parkprobleme. „Dass jemand im Einfamilienhaus mit eigener Auffahrt wohnt, das haben wir in Bremen so gut wie gar nicht.“
Beim Amt für Straßen und Verkehr können ambulante Pflegedienste und Hebammen eine Ausnahmegenehmigung für soziale Dienste bekommen, die das Parken im eingeschränkten Halteverbot, in Zonenhalteverboten, in verkehrsberuhigten Bereichen und in Anwohnerparkgebieten erlaubt. Anders als Klempner, Schornsteinfeger, Zimmerleute und andere Handwerker, die eine Ausnahmegenehmigung erhalten, können soziale Dienste ihre Fahrzeuge allerdings nicht kostenfrei an Parkuhren und Parkscheinautomaten abstellen. Für Christian Clausen ist das ein großer Nachteil: „Uns fehlt das. Parkscheine zu ziehen und dann zu erstatten, das wäre ein viel zu großer Verwaltungsaufwand. Und für Be- und Entladezonen gilt die Genehmigung auch nicht.“
Strafmandate seiner Beschäftigten, das seien sieben bis zehn pro Woche, übernimmt Clausen „aus eigener Tasche“, denn „die Pflegekräfte haben schließlich die Zeit im Nacken“. Er will jetzt für seine 15 Kleinwagen große Flotte Ausnahmen beantragen. 300 bis 400 davon wurden bislang pro Jahr laut Amt für Straßen und Verkehr erteilt. Die Genehmigungen gelten für jeweils ein Auto. Landesweit sind in Bremen nach Angaben der Sozialbehörde 112 ambulante Pflegeunternehmen im Dienst.
Strafmandate auf eigene Kosten
Beim Ambulanten Pflegedienst Findorff-Huchting sieht die Sache anders aus als bei Clausen: „Der Chef meint, wir brauchen keine Ausnahmegenehmigung“, sagt die Pflegedienstleiterin, die nicht namentlich genannt werden will. Die Beschäftigten, die die „mindestens 50“ Dienstautos bewegen, bekommen Parktickets erstattet. „Strafmandate kommen regelmäßig vor, auch weil Nachbarn der Patienten Alarm schlagen. Das wird den Pflegekräften dann vom Gehalt abgezogen.“
So lauten auch die beim Paritätischen Pflegedienst (PPD) die Regeln: „Wir haben keine Sonderrechte wie Rettungsdienste und dürfen zum Beispiel nicht mit eingeschaltetem Warnblinker in zweiter Reihe stehen“, sagt Birgit Knauf, stellvertretende Pflegedienstleiterin des PPD in Huchting. Tabu seien auch Behindertenparkplätze und zu schnelles Fahren. Für die stadtweit 74 Autos, davon elf in Huchting, des gemeinnützigen Unternehmens gebe es Ausnahmegenehmigungen, wie Knauf sagt. „In der Woche geht es einigermaßen, aber am Wochenende ist es selbst in Huchting sehr problematisch mit dem Parken. In manchen Stadtteilen ist es einfach besser, mit dem Rad unterwegs zu sein.“
„Bei uns ziehen die Mitarbeiter ein Parkticket und bekommen das Geld zurück. Wir haben aber auch nicht so viele Patienten in der City“, sagt Ute Dreyer, Pflegedienstleiterin bei Pflegeimpulse Busch und Lorenz im Ostertor. Zehn Autos hat das Unternehmen am Start. Ausnahmegenehmigungen gebe schon „seit 15 oder 20 Jahren“ nicht mehr. „Das ist für uns ein zu großer Aufwand und zu teuer“, sagt Dreyer. „Strafmandate müssen die Mitarbeiter selbst zahlen. Manche Patienten, bei denen es Anwohner-Parkzonen gibt, sind so nett, Besuchertickets für uns zu besorgen.“
Die Häusliche Krankenpflege Paar mit Sitz an der Eduard-Grunow-Straße hat „ein Riesenärgernis direkt vor der Tür“, wie Geschäftsführer und Pflegedienstleiter Werner Schnieders sagt. „Seit fast einem Jahr herrscht absolutes Halteverbot auf dem Parkstreifen mit acht Plätzen. Für das Nachbarhaus ist eine Baustelle eingerichtet worden. Da kommt aber nur alle 14 Tage mal ein Handwerker vorbei.“ Strafmandate zu vermeiden, sei grundsätzlich eher „ein Lotteriespiel“, meint Schnieders. „Wir müssen immer sehen, dass wir schnell wieder weg sind.“ Sein Fuhrpark besteht aus 14 Wagen. „Ausnahmegenehmigungen haben wir, aber natürlich nur fürs normale Parkverbot, da dürfen wir bis zu zwei Stunden stehen.“
Auch Christian Clausen in Findorff hat ein Nachbarschaftsproblem: Sein Team findet in der Nähe der Zentrale an der Hemmstraße kaum Parkplätze für die Kleinwagen. Und wenn doch, dann beschwerten sich die Anwohner. „Irgendwie kann ich das sogar verstehen, aber das sind öffentliche Parkplätze." Um die Situation zu entschärfen, sagt Clausen, habe er Kontakt zu Supermärkten in der Nähe aufgenommen. "Deren Parkplätze sind ja nie ganz ausgelastet, und wir könnten alle Autos vernünftig abstellen. Aber die wollen nicht."
Was Falschparken in Bremen kostet
Der Koalitionsvertrag der neuen rot-grün-roten Landesregierung sieht vor, dass das Team der sogenannten Parkraumüberwachung von derzeit 21 auf 100 Kräfte ausgeweitet wird. Das soll insbesondere in eng bebauten Wohnvierteln wie Findorff, dem Ostertor, dem Steintor und der Neustadt für Entspannung auf Geh- und Überwegen sowie für mehr Sicherheit sorgen. „Unser Ziel ist ein möglichst gutes und rücksichtsvolles Miteinander“, erklärt das Innenressort.
Im vergangenen Jahr wurden nach Behördenangaben 183 075 Parkverstöße geahndet. Darunter 182 913 Verwarnungen (insgesamt 2.793.271 Euro) und 162 Bußgelder (10.720 Euro). Die überwiegende Anzahl der Halte- und Parkverstöße liegt im Verwarngeldbereich und wird mit zehn Euro (zum Beispiel für einen fehlenden Parkschein) bis 35 Euro (unberechtigtes Parken auf einem Behindertenparkplatz) nach bundeseinheitlichem Ordnungswidrigkeitenkatalog geahndet.
Die eher seltenen Fälle, in denen wegen Halt- und Parkverstößen Bußgelder fällig werden, beziehen sich zum Beispiel auf das Parken an engen oder unübersichtlichen Straßen (60 Euro und ein Punkt in der Verkehrssünderkartei). Die Bußen-Obergrenze von 105 Euro (plus ein Punkt) erreicht demnach beispielsweise, wer auf einer Autobahn parkt.