"Ich bin 28 Jahre alt, alleinerziehende Mutter eines sechsjährigen Sohnes und habe zwei Minijobs." So beschreibt Lena-Marie Hasler ihre Situation. Sie macht eine Ausbildung zur Erzieherin an der Inge-Katz-Fachschule in der Neustadt – in Teilzeit. Und während der Ausbildung wird sie nicht bezahlt. Und das, obwohl Bremen wie viele andere Bundesländer händeringend nach Erzieherinnen und Erziehern sucht. Der Mangel ist so groß, dass Bremen sogar in Spanien versucht, Fachkräfte anzuwerben. Und die Personalnot bremst den Kita-Ausbau: Im Herbst hieß es, 280 Kitaplätze in Bremen könnten wegen fehlender Kräfte nicht vergeben werden. Auch in Ganztagsschulen und der Jugendarbeit werden Erzieherinnen gebraucht.
Lena-Marie Hasler und ihre Teilzeit-Klasse an der Inge-Katz-Fachschule in der Neustadt kritisieren, dass sie keine Vergütung während ihrer Ausbildung erhalten. Dazu haben Hasler und ihre Klasse einen Brandbrief an die Bildungssenatorin und die Bürgerschaftsfraktionen geschrieben und eine Petition gestartet. "Wir finden, das ist mal wieder ein gutes Beispiel dafür, dass vor allem Mütter im Bildungswesen und Berufseinstieg diskriminiert und nicht gesehen werden", schreiben sie. Die Teilzeit-Auszubildenden fordern eine Vergütung. "Uns ist egal, aus welchem Topf, aber wir wollen auch Finanzhilfen und Wertschätzung bekommen", sagt Hasler. Trotz Fachkräftemangels werde ihnen der Weg in den Erzieher-Beruf erschwert.
Zwei Minijobs reichen nicht
Lena-Marie Hasler arbeitet derzeit schon in der Kinderbetreuung und in der Suchtprävention für Jugendliche. Um sich zu professionalisieren und für ihre Arbeit angemessen bezahlt zu werden, will sie die Erzieher-Ausbildung machen, schildert sie. "Das, was ich derzeit mit meinen beiden Minijobs verdiene, fließt fast komplett in meine Krankenversicherung – davon leben zu wollen, ist utopisch." Nur weil sie von ihrer Familie unterstützt werde, könne sie sich die Ausbildung überhaupt leisten.
Bremen hat verschiedene Anläufe genommen, um die Erzieher-Ausbildung attraktiver zu machen. So gibt es zum Beispiel 50 Plätze pro Jahr für eine bezahlte Erzieher-Ausbildung im Programm der praxisintegrierten Ausbildung (Pia), mit 1100 bis 1300 Euro Vergütung pro Monat. Geschaffen wurde auch das Format Inra, kurz für "Integrierte Regelausbildung". Dabei können angehende Erzieherinnen etwa 780 Euro monatlich über das sogenannte Aufstiegsbafög bekommen. Aber: Pia ist nur in Vollzeit möglich. Und Teilzeit-Azubis bekommen kein Aufstiegsbafög: Aufstiegsbafög werde angehenden Erziehern derzeit nur in Vollzeit gezahlt, bestätigen Arbeits- und Bildungsbehörde.
Auch Haslers Klassenkameradin Kimberley Fieldhouse macht die Ausbildung trotz Hürden. Sie möchte schon lange Erzieherin werden und würde gerne in einer Kita arbeiten. Doch akut sucht die 27-Jährige einen Nebenjob, zum Beispiel im Einzelhandel oder als Reinigungskraft. Die Jobsuche trotz Ausbildung sei nicht einfach, sagt sie: "Es gibt kaum Arbeitgeber, für die es passt, dass man nur zwei Tage die Woche arbeiten kann." Ihr Mann ist berufstätig, aber sein Verdienst reiche nicht für eine dreiköpfige Familie, sagt Fieldhouse: "Wir sind Aufstocker." Ihr Ansprechpartner im Jobcenter habe ihr empfohlen, die Erzieher-Ausbildung nicht zu machen, weil sie in der Ausbildung nichts verdiene, sagt Fieldhouse: "Ich fühle mich von der Politik im Stich gelassen."
Nachtschichten in der Ausbildung
Auch eine alleinerziehende Mutter von vier Kindern sei in ihrer Klasse, erzählt Hasler. Und ein Mann, der Nachtschichten schiebe, um sich die Ausbildung zu ermöglichen. Sie stellt klar: "Wir sind alle voll bis hier, wir haben alle unser Päckchen zu tragen." Immer wieder hätten Teilzeit-Schülerinnen ihre Ausbildung wegen fehlender Finanzierung abgebrochen, sagen Hasler und Fieldhouse: "Es wird uns unnötig schwer gemacht."
Die einzige Finanzhilfe, die die Teilzeit-Azubis derzeit bekommen, ist eine Pauschale von 1500 Euro im Jahr für Mobilität und Digitalisierung. "Davon kann ich mir das Bahnticket kaufen, um zur Schule zu kommen, einen Laptop oder Druckerpatronen", sagt Kimberley Fieldhouse. "Aber es hilft mir nicht, meine Miete und meine Krankenversicherung zu zahlen." Für die Fachschülerinnen gebe es übrigens auch keinen vergünstigten Krankenkassen-Tarif, sagt Hasler und fordert: "Der Umgang mit Teilzeit-Klassen sollte überdacht werden. Auch Bremen sollte in der Lage sein, aus irgendeinem Topf was locker zu machen."
Behörde sieht Benachteiligung
Hinter den Regeln des Bundes, die Unterhaltszahlungen an Teilzeit-Azubis nicht vorsehen, stecke wohl eine "antiquierte Vorstellung davon, wer eine berufliche Weiterbildung mache", urteilt die Bremer Linksfraktion. Natürlich sollten auch Teilzeit-Auszubildende eine Vergütung bekommen, fordert Die Linke. "Wir sehen eine Benachteiligung von Teilzeit-Auszubildenden", sagt auch Maike Wiedwald, Sprecherin der Bildungsbehörde. "Fachkräfte sind uns absolut wichtig." Wiedwald verweist auf den Bund: Bremen setze sich mit anderen Bundesländern dafür ein, dass der Bund die Regeln für das Aufstiegsbafög ändere, sodass auch Teilzeit-Azubis dies nutzen könnten. Eine Novellierung der Regeln stehe noch in diesem Jahr an, so Wiedwald. Man sehe dafür gute Chancen.