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Wert von 28,4 Prozent Armutsrisiko ist in Bremerhaven am höchsten

Trauriger Spitzenreiter: Bremerhaven war 2017 die Region mit der höchsten Quote der Armutsgefährdung in Deutschland.
07.11.2018, 10:51 Uhr
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Armutsrisiko ist in Bremerhaven am höchsten
Von Jürgen Hinrichs

In Bremerhaven ist das Risiko, in Armut leben zu müssen, bundesweit am höchsten. Das geht aus aktuellen Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder hervor, die am Mittwoch öffentlich wurden. Demnach lag die Armutsgefährdungsquote in Bremerhaven im vergangenen Jahr bei 28,4 Prozent, gefolgt von der Region Emscher-Lippe (24,6 Prozent), zu der Gelsenkirchen, Bottrop und der Landkreis Recklinghausen gehören, und der Altmark in Sachsen-Anhalt (24 Prozent).

Die Werte geben den Anteil der Personen mit einem Einkommen von weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Bevölkerung an. Die Schwelle dieser Armutsgefährdung lag im vergangenen Jahr deutschlandweit bei 999 Euro für einen Einpersonenhaushalt.

Wie sehr sich die Quote spreizt, kann an den Werten vor allem in Süddeutschland abgelesen werden: Am Bodensee, in München und in Ingolstadt sind keine zehn Prozent der Menschen von Armut bedroht. In Hamburg liegt die Ziffer bei 14,7 Prozent, in Berlin bei 19,2 Prozent. Die Stadt Bremen weist einen Wert von 21,9 Prozent auf.

Um fünf Prozentpunkte gesunken

So bitter das Ergebnis für Bremerhaven ist, gibt es aber immerhin eine positive Entwicklung: Im Jahr 2015 betrug die Armutsgefährdungsquote noch 33,4 Prozent, sie ist seither also um fünf Prozentpunkte gesunken. Demgegenüber steht freilich noch ein anderer Wert, der im Jahr 2008 ermittelt wurde. Damals waren es für Bremerhaven 23,5 Prozent. Fazit: es wird zwar besser, deutlich sogar, aber es ist immer noch gravierend schlechter als vor zehn Jahren.

„Das zentrale Problem für Bremerhaven – und etwas weniger stark ausgeprägt auch in Bremen – ist die Versockelung der Langzeitarbeitslosigkeit", erklärt Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne). Der Bremer Senat habe mit einem Landesprogramm erste Schritte eingeleitet, um in den beiden Städten Lebenschancen durch den Zugang zum Arbeitsmarkt zu verbessern.

Auch auf Bundesebene entstehe derzeit ein Programm für Langzeitarbeitslose, das sei ein wichtiger erster Schritt. Stahmann: "Wir müssen aber darauf achten, dass diejenigen Regionen besonders davon profitieren, in denen der Bedarf am größten ist. Da steht mit Sicherheit Bremen, und ganz besonders Bremerhaven, ganz weit vorne an.“

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Der Abbau von Arbeitslosigkeit und Armut sei ein Generationenprojekt, so die Senatorin. Schnelle Erfolge zu versprechen, wäre unredlich. Die Schlüssel zur Überwindung der Armut sind Bildung und Investitionen in den wirtschaftlichen Strukturwandel. "Das alles braucht Zeit.“ Der Sozialstaat könne Armut nicht mit immer mehr Geld beseitigen. "Aber er kann Ausgrenzung entgegenwirken und die Chancen auf Teilhabe erhöhen.

Er kann den Zugang zu Bildung, Kultur und Sprache fördern, Hilfen in belastenden Lebenslagen organisieren, Kinder schon vor dem Kindergarten fördern und Familien auf vielfältige Weise entlasten." Das beseitige zwar nicht die Armut, ebne aber den Weg aus der Armut. "Gehen müssen ihn die Betroffenen dann allein.“

Im Bundestag ist am Mittwoch über die Frage debattiert worden, wie in Deutschland gleichwertige Lebensverhältnisse hergestellt werden können, damit das Gefälle zum Beispiel zwischen jenen Menschen, die am Bodensee leben und denen in Bremerhaven, wenigstens nicht mehr so krass ist.

Sieling fordert gemeinsame Bekämpfung der Kinderarmut

Einer der Redner war als Mitglied des Bundesrats Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD). Er forderte eine gemeinsame Kraftanstrengung zur Bekämpfung der Kinderarmut, zur Verbesserung der Bildungschancen und zum Aufbau eines sozialen Arbeitsmarktes.

„Die Schaffung vergleichbarer Chancen für alle Menschen in unserem Land, gehört zweifelsohne zu den großen Aufgaben unserer Zeit", sagte der Bürgermeister. Bei der Bereitstellung moderner Infrastruktur, medizinischer Versorgung, guter Schulen und Kindergärten oder auch kultureller Angebote, stoßen wir in der gesamten Republik auf zum Teil erhebliche Unterschiede", so Sieling weiter. Diese Unterschiede seien für die Menschen nirgendwo so spürbar wie in den Kommunen und Städten – und sie haben Folgen: auf die Teilhabe, den Zusammenhalt und auf die Demokratie vor Ort.

"Deutschland ist ein reiches Land", sagte Sieling. Gleichzeitig könne aber niemand ernsthaft abstreiten, dass auch Deutschland ein großes Problem mit der Kinderarmut habe. "21 Prozent aller Kinder in unserem Land leben dauerhaft oder wiederkehrend in Armutslagen. Knapp zwei Millionen Kinder leben in sogenannten Hartz-IV-Haushalten."

Mit den bekannten Instrumenten habe sich die Lage der Kinder in den vergangenen Jahren leider sogar verschlechtert. Sieling: "Ich bin deshalb froh, dass die Arbeits- und Sozialminister an einem Vorschlag für eine Grundsicherung von Kindern arbeiten."

Antworten auf die Frage nach den gleichwertigen Lebensverhältnissen soll eine Kommission erarbeiten, die unter der Führung von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ihre Arbeit aufgenommen hat. Seehofer kündigte am Mittwoch im Bundestag an, dass die Kommission zunächst feststellen werde, wo "besonderer Handlungsbedarf" bestehe.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sprach angesichts der Zahl der Einkommensmillionäre in Deutschland und der Zahl der Kinder in Armut von einem "Offenbarungseid" und einer Politik der sozialen Spaltung.

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