Altstadt. Montags morgens, zehn Uhr: Regelmäßig streift ein Mann durch den St.-Petri-Dom. Ausgestattet mit Skizzenblock und Zeichenstift, hält er Ausschau nach eingeschlossenen Dämonen, verschlungenen Ornamenten oder biblischen Themen in lichtdurchfluteten Kirchenfenstern. Nun präsentiert der Maler Bodo Brandt in der Ausstellung „Annäherungen“ im Domgemeindehaus an der Sandstraße Bilder mit den verschiedensten Dom-Motiven.
Lange Jahre hat er kaum einen seiner wöchentlichen Termine ausgelassen. Er kennt viele Ecken, ist mit dem Don vertrauter als viele andere und spricht doch respektvoll nur von „Annäherung“. Brandt engagiert sich ehrenamtlich als Mitglied der Domgemeinde. Er schätze es, wenn er montagsfrüh den Dom ganz für sich alleine habe. Dann erkunde er das leere Gotteshaus, entdecke Skulpturen, Architekturelemente oder Deckenausschnitte für sich. Er suchtsich einen guten Platz und beginnt zu zeichnen.
Rund 30 Ölbilder, Zeichnungen und aquarellierten Skizzen präsentiert er nun in seiner Ausstellung im Gemeindehaus an der Sandstraße. Dabei zeigt er auch mal nur Ausschnitte oder aber Bilder aus ungewöhnlichen Blickwinkeln. Der 67-Jährige malt bevorzugt mit Ölfarbe, Pastellkreide und Kohle. Zu zeichnen begonnen hat er vor Jahren während eines Urlaubs auf der Hallig Hooge. Als es ihm dort ein wenig zu langweilig wurde, hat er Block und Bleistift gekauft und beim Zeichnen dann gemerkt, was ihm das für einen Spaß macht. Er geht regelmäßig zu einer Malgruppe ins „Offene Atelier“ in die Kunsthalle und war schon an verschiedenen Ausstellungen beteiligt. Intensiviert hat Brandt, der beruflich als Orthopädiemechaniker-Meister tätig war, die Malerei seit Beginn seines Ruhestands. Erst skizziert er, macht eventuell noch ein paar Fotos, und dann wird „im stillen Kämmerlein“ gemalt, wobei Bodo Brandt ein kleines Atelier daheim im Peterswerder meint.
Sehr persönliche Führung
Am Montag, 19. März, malt Brandt nicht, sondern lädt für 10 Uhr zu einer sehr persönlichen Führung durch den Dom ein. An einem anderen Montag hat er einer Gruppe mit dem Blick des Malers das Gotteshaus gezeigt. Er erklärt am Original, am Entstehungsort, seine gemalten Motive, die man später dann in der Ausstellung im Domgemeindehaus wiederfindet. Am Eingang weist er auf drei Reliefs hin, von denen er Ausschnitte mit Kohle und Strukturpaste nachempfunden hat. Er führt die Gruppe zu einem Portalwächter vor dem Dom, der eine Frau mit Schmuck und Spiegel in seinen Klauen hält, die Versinnbildlichung der Todsünde Eitelkeit. In der Portaltür hat Bodo Brandt kleine Figuren in den Blick genommen. Bei den Gestalten aus biblischen Szenen, von denen einige durch Berührungen blank geworden sind, scheint es ihm, als wollten sie die in den Dom gehenden Menschen begrüßen.
In der Westkrypta, die zu den ältesten Räumen in Bremen gehört, herrscht nach dem Empfinden von Bodo Brandt eine „wunderbare Stimmung“. Es war nett gemeint, als ihm mal jemand von den Domführern ein Licht in die Krypta vorbeigebracht habe, aber schlagartig, so erzählt der Maler, sei die ganze Stimmung im Raum verschwunden. In der Krypta sieht man eine sehr alte Figur des segnenden Christus an der Wand und der Künstler ist fasziniert davon, dass die Relikte die Zeit überstanden haben. Am Aufgang zur Orgelempore begegnet der Gruppe ein in Bronze eingeschlossener Dämon, eine Art Höllenhund. Der Maler führt die Gruppe dann an Themenfenstern vorbei zu Rundbögen. Hier sind ihm Ornamente aufgefallen, die ihn, mit ihren raffinierten Verschlingungen, beim Malen vor eine echte Herausforderung gestellt haben.
Auch den Mittelpunkt der Rosette hat Bodo Brandt abgebildet und von der Altarfigur, dem kreuztragenden Christus, hat er nur einen Ausschnitt gemalt. Mehr zu zeigen, ist auch nicht nötig ist, denn die „Schwere der Last“ wird auch so deutlich.
In der Ostkrypta, dem „Raum der Stille“, hat Bodo Brandt beim Malen die Säulen-Kapitelle erforscht und im Aufgang zum Hochchor eine alte, unbekannte Wandmalerei entdeckt. Es begeistert ihn, „dass es noch Geheimnisse gibt“.
Überhaupt wundert er sich mitunter darüber, was man heutzutage alles wisse – und dem Dom hätten die Menschen trotzdem noch nicht alle Geheimnisse entlockt. Auch auf einen der Türme ist Brandt gestiegen, hat in zugiger Höhe die Aussicht gemalt und den Lärm der Stadt unter sich gelassen.
Detailgetreu
Am Ende der Führung sieht man in der Ausstellung im Gemeindehaus die malerische Umsetzung der Dom-Impressionen. Bodo Brandt, der sonst aber auch gerne gärtnert und klassische Musik hört, hat seine Motive mit Nähe zum Objekt wirklichkeitsnah im Bild festgehalten. Barbara Graeme aus Walle ist bei der Führung dabei, weil sie die Ausstellungseröffnung nicht besuchen konnte. Zu den Arbeiten des Malers sagt sie: „Detailgetreues, beeindruckendes Handwerk.“
Bei dem Bild aus der Westkrypta allerdings gesteht Bodo Brandt, dass er dort künstlerische Freiheit hat walten lassen – und die dort installierten Steckdosen einfach nicht mitgemalt hat.