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Neue Zeiten, Social Media Junge Marktbeschicker wollen Bremer Wochenmärkte retten

Junge Händler suchen nach neuen Wegen, um die Bremer Wochenmärkte zu beleben. Sie sehen es zwar als Herausforderung an, jüngere Kunden zu gewinnen, aber nicht als unlösbare Aufgabe.
08.09.2025, 05:00 Uhr
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Junge Marktbeschicker wollen Bremer Wochenmärkte retten
Von Timo Thalmann

Wenn Nico Puls heute im Verkaufswagen auf dem Wochenmarkt steht, muss er grinsen. „Eigentlich habe ich immer gesagt, dass ich was anderes machen will als mein Vater.“ Jetzt hat er doch das Geschäft mit Schinken, Wurst und Frischfleisch von Peter Puls übernommen. Immerhin, die lange familiäre Kette von Fleischermeistern hat er mit seiner kaufmännischen Ausbildung unterbrochen. Und jetzt, mit 30, hat er sich nach einigen Umwegen – unter anderem zwei Jahre als Betreiber des Clubs Amelie im Steintor – für den Wochenmarkt entschieden: dreimal pro Woche in Findorff, zusätzlich in Osterholz und Schwachhausen. Sein Vater ist noch mit an Bord, aber das Geschäft ist übergeben.

Ein gelungener Generationswechsel in einem schwierigen Umfeld. Die Wochenmärkte stehen unter Druck, die Händler haben Nachwuchs- und Personalsorgen. Viele kleinere Märkte sind mangels Marktbeschicker bedroht oder haben schon dichtgemacht. Die Kundschaft ist tendenziell eher älter und droht, früher oder später schlicht wegzusterben. Jüngere Menschen als regelmäßige Kunden für einen Wochenmarkt zu gewinnen, gilt als Herausforderung.

Das findet auch Nico Puls, aber eine unlösbare Aufgabe sieht er nicht. „Die Märkte müssten eben mal auf anderen Kanälen werben“, sagt er. Präsenz auf Social-Media-Plattformen – dort, wo auch jüngere Kunden unterwegs sind. Der Großmarkt als Veranstalter engagiere sich zu wenig, findet Puls. „Ich zweifle mal an, dass Minigolfaktionen auf einem Markt, bei denen es Äpfel zu gewinnen gibt, viele neue Kunden anlocken.“ Allerdings weiß er auch, wie solche Werbeaktionen zustande kommen – denn entscheiden und finanzieren muss so etwas die Gemeinschaft der Markthändler. „Und da sind viele dabei, die sich wenig Gedanken über den eigenen Tresen hinaus machen.“ Oft herrsche eine gewisse „Haben-wir-immer-schon-so-gemacht-Haltung“ beschreibt es der 30-Jährige. Deswegen sieht er den Großmarkt in der Pflicht, seine Händler mal etwas in Bewegung zu bringen. So ein Wochenmarkt sei einfach kein Selbstläufer mehr. Man müsse neue Kundengruppen viel gezielter ansprechen.

„Der Großmarkt kommt aber nur schwer in die Puschen“, kommentiert Jeffy Gielkens. Auch er ist ein Nachfolger auf dem Wochenmarkt, der seit diesem Jahr die vier Käsewagen seiner Eltern weiterführt. Und wie bei Puls brauchte es dafür einen Umweg, der bei dem heute 39-Jährigen von Cuxhaven nach Berlin an eine Schauspielschule führte. Rund 15 Jahre hat er diesen Beruf auch ausgeübt, aber die angestrebte Filmkarriere klappte nach ersten Erfolgen dann doch nicht so. „Ich kenne ja den Markt und die Käsewagen von Kindheit an, und jetzt war eine Entscheidung fällig“, beschreibt er seine Rückkehr in die Region.

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Und weil neue Besen gut kehren, hat er erst mal einiges verändert, angefangen beim Namen. Aus „De Goey Käse“ wurde das „Käsehuus.“ Seine Eltern hätten damals einfach den Namen ihres Hauptlieferanten übernommen. Gielkens setzt auf eine eigene Markenidentität. Und beim Thema Social-Media – konkret: Instagram – warte er nicht auf den Großmarkt. Mit Fotos und natürlich Filmen kennt er sich schließlich aus. Ob und wie alle 20 Mitarbeiter dabei mitmachen, muss sich noch zeigen. „Es haben schon einige gesagt, sie wollen auf gar keinen Fall vor eine Kamera, aber das ist ja auch okay.“

Wo der Großmarkt aus seiner Sicht „schwer in die Puschen“ kommt, ist der Wochenmarkt auf dem Domshof. Seit Jahren werde über Veränderungen und Anpassungen diskutiert, aber nie sei irgendwas passiert. „Vor zehn Uhr ist da zum Beispiel kaum was los, dafür könnten wir bestimmt noch drei Stunden lang weiterverkaufen, statt um 14 Uhr abzuräumen.“

Doch Veränderungen bei den Marktzeiten sind ein dickes Brett, mit dem sich viele Marktbeschicker schwertun. Ihr Argument sind die daraus resultierenden langen Arbeitszeiten – insbesondere, wenn am nachfolgenden Tag wieder ein früher Markt startet.

So gesehen ist der Gedanke von Moritz Clausen vom Hof Imhorst geradezu ein Affront. Der 34-Jährige verkauft seit 2023 vor allem selbst angebautes Biogemüse auf dem Findorffmarkt – und würde den Markt am Dienstag gern komplett auf den Nachmittag verlegen. „Ich sehe diesen Markttag inzwischen als bedroht an, wenn wir nicht zeitig gegensteuern“, urteilt er. Zu groß seien inzwischen auch auf Bremens größtem Markt die Angebotslücken. „Das ist dann wie ein Supermarkt, in dem immer irgendwelche Regale leer sind, da bleiben irgendwann auch die Kunden weg.“ Allein durch Social-Media-Aktivitäten seien jüngere Marktgänger nicht zu gewinnen, vermutet er. „Leute in meiner Altersgruppe sind meistens berufstätig, wie sollen die vormittags auf einen Markt?“

Dass spätere Märkte für die Händler eine Herausforderung sind, weiß er auch, hält das aber für eine Frage der betrieblichen Organisation und des Wollens. Den Hinweis auf einige nach kurzer Zeit eingeschlafene Versuche von Nachmittagsmärkten lässt er nicht gelten. „Das war häufig die Idee, am Freitagnachmittag ein besonderes Event zu stemmen.“ Das lasse sich tatsächlich schwer durchhalten, wenn am Sonnabend ein großer Markttag folge. „Ob es unter der Woche funktioniert, weiß man erst, wenn so ein Nachmittagsmarkt wenigstens ein Jahr lang über alle Jahreszeiten verlässlich öffnet."

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